Seit' an Seit': Busfahrer*innen und Klimabewegung


Ein Bericht über die Verbindung zweier Kämpfe

Das Antikapitalistische Klimatreffen München will die Parole »Klimakampf heißt Klassenkampf« wahr werden lassen. Sie berichten von ihrem Schulterschluss mit den Beschäftigten des öffentlichen Nahverkerhs in München im Zuge der Tarifauseinandersetzungen Anfang des Jahres. Eins wird deutlich: Beziehungspflege, Verlässlichkeit und Mut sind hierbei notwendig gewesen.

Anfang dieses Jahres haben sich die Klimabewegung und Beschäftigte des öffentlichen Nahverkehrs in ganz Deutschland zusammengetan, um Seite an Seite für Klimaschutz und bessere Löhne zu kämpfen. Die Highlights in München waren einerseits unsere Blockade von Streikbrecher*innen zur Unterstützung des Arbeitskampfes während der Tarifverhandlungen im Nahverkehr. Und auf der anderen Seite ist die sehr hohe Beteiligung von Beschäftigten beim globalen Klimastreik am 3. März. Wir vom Offenen Antikapitalistischen Klimatreffen München wollen erklären, warum der Zusammenschluss von Klimaschutz und Klassenkampf eine so entscheidende Rolle spielt, und von unseren Erfahrungen bei der konkreten Arbeit dazu berichten.

Warum gehören die Kämpfe zusammen?

In den letzten Jahren ist ein Slogan immer wieder auf Klimademos und Veranstaltungen aufgetaucht: »Klimakampf ist Klassenkampf« Denn wenige Superreiche tragen die Hauptverantwortung an der sich verschlimmernden Klimakrise und profitieren von dieser, während der Rest der Bevölkerung (in unterschiedlichem Ausmaß) unter den jetzigen und zukünftigen Folgen leidet. Der Staat unterstützt dieses Gefälle sogar: so ist es im Kapitalismus völlig normal, für Autokonzerne Autobahnen durch Wälder zu bauen, während die Beschäftigten im ÖPNV schlechte Arbeitsbedingungen und Löhne dulden sollen. Der ÖPNV ist im Gegensatz zum Individualverkehr wesentlich klimafreundlicher, doch als »bloße« Daseinsvorsorge ermöglicht er eben nicht die hohen Profite und das Wachstum, das Autokonzerne durch Ausbeutung von Mensch und Umwelt erzielen. Wir wollen dieses System, das einigen wenigen die Macht über die Produktion und damit die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen gibt, überwinden. Wir wollen ein Klassenbewusstsein schaffen und gemeinsam mit Beschäftigten eine Gegenmacht zur Ausbeutung und Klimazerstörung aufbauen.

Im ÖPNV zeigt sich derzeit, wie das Scheitern der Verkehrswende nicht nur mit der einseitigen Unterstützung der Autokonzerne, sondern auch mit der Ausbeutung von Beschäftigten zusammenhängt: Seit 1998 müssen 18% weniger Beschäftigte 24% mehr Fahrgäste transportieren. Der wachsende Druck führt immer häufiger zu Erkrankungen und Personalausfällen. Durch die schlechten Löhne kommen kaum neue Fachkräfte, sodass es bereits jetzt schwierig ist, die mangelhafte Personalanzahl im ÖPNV zu halten. Von einem Ausbau kann gar nicht die Rede sein. Und so ist es nicht nur für die Beschäftigten selbst, sondern auch für die Klimagerechtigkeit von großer Bedeutung, dass die Beschäftigten sich gute Arbeitsbedingungen und Löhne mithilfe von Streiks erkämpfen. Als Klimaaktivist*innen können wir diese Kämpfe unterstützen und politisieren.

Wie sah unsere konkrete Arbeit aus?

Um zu den laufenden Tarifverhandlungen im Nahverkehr mit den Beschäftigten in Kontakt zu kommen, sind wir deshalb mehrmals wöchentlich zu Busbahnhöfen, Brotzeithäuschen und Haltestellen gegangen. Wir sind mit den Fahrer*innen ins Gespräch gekommen und haben sie mit Flyern zu einem gemeinsamen Brunch und einer Podiumsdiskussion eingeladen. Mit Flyern, die sich an die Fahrgäste richteten, haben wir diese zur Solidarität mit potenziellen Streiks aufgerufen und mit Plakaten im öffentlichen Raum die Verbindung von Arbeitskampf und Klimaschutz sichtbar gemacht. Tatsächlich wurden entdeckte Plakate von Beschäftigten in internen WhatsApp-Gruppen immer wieder geteilt. Gleichzeitig haben wir die Klimabewegung via Social Media über die Anliegen der Beschäftigten durch deren Videostatements und über den Arbeitskampf mithilfe eines Q&As aufgeklärt.

Im Rahmen der Kampagne mit Fridays for Future und ver.di zum »Bundesweiten Aktionstag und Klimastreik am 3. März« haben wir unsere bereits bestehenden Kontakte zur Gewerkschaft in wöchentlichen Videokonferenzen vertiefen können. So wurden wir auch zu monatlichen Barabenden der organisierten Beschäftigten eingeladen, wo wir ungezwungene Gespräche führten und zum (Klima-)Streik agitieren konnten. Insgesamt kann man wohl sagen, dass der Kontaktaufbau eine langwierige Aufgabe und viel Beziehungsarbeit ist, bei der es auch Rückschläge gibt. Es macht Sinn, immer wieder an denselben Orten aufzutauchen, regelmäßig anzurufen, an gemeinsame Termine zu erinnern und natürlich bei den Streikkundgebungen als Klimaaktivist*innen sichtbar zu sein.

Um gemeinsame Allianzen mit Beschäftigten vor Ort bilden zu können, müssen wir ihnen zeigen, dass ihr Arbeitskampf uns wirklich wichtig ist. Nur durch den direkten Kontakt ist es möglich, die Anliegen der Fahrer*innen tatsächlich zu verstehen; die sinnvollste Unterstützung für die Beschäftigten zu wählen, aber auch den Arbeitsstreik zu politisieren. Diese Form der Politisierung kann allerdings auch zu Gegenwind aus einer sozialpartnerschaftlichen Gewerkschaftsführung führen. Sie versuchte beispielsweise unsere Beteiligung an einer gemeinsamen Pressekonferenz zu verhindern. Hier hat sich der gute Draht zur Gewerkschaftsbasis als besonders wichtig erwiesen, denn diese hat sich durch eine Petition erfolgreich für unsere gemeinsame Sache eingesetzt.

Der ÖPNV in München ist durch verschiedene Tarifverträge abgedeckt, sodass nicht nur Streikbrecher*innen, sondern auch private Unternehmen die Macht des Streiks torpedieren können. Zwar mag es unintuitiv klingen, sich als Klimaaktivist*innen gerade Busfahrer*innen in den Weg zu stellen, doch unsere Blockade der ausrückenden Busse am Streiktag trug zum Erfolg des Arbeitskampfes bei! Zudem legte der zuständige Gewerkschaftssekretär die Streikerfassung am Tag des Klimastreiks auf den Platz der Anfangskundgebung. Die Beschäftigten waren also schon vor Ort um sich in die Streikliste einzutragen, was sicherlich dazu geführt hat, dass mehr ÖPNV-Beschäftigte sich beim Klimastreik beteiligt haben. Wir haben sie dort mit Flyern und mit dem Angebot empfangen, in einem Arbeitskampf-Block ihre Botschaft auf die Straße zu bringen.

Tatsächlich haben wir in München viel erreicht: 32.000 Teilnehmende auf dem Klimastreik, davon viele Beschäftigte. Die Forderung im TV-MVG (Münchens Haustarif), in den TV-Nahverkehr aufgenommen zu werden, ist derzeit vom Arbeitgeber angenommen worden. Und auch dass der Arbeitgeber-Verband über einen »politischen Streik« schimpft, sehen wir als Erfolg. Doch über diesen konkreten Arbeitskampf hinaus gibt es noch viel zu tun. Wir wollen längerfristige Allianzen schaffen, die diesem System der Ausbeutung und Klimazerstörung etwas entgegensetzen können. Die kommenden Tarifverhandlungen im Nahverkehr sind ein guter Punkt, um daran weiterzuarbeiten. Wir wollen den Arbeitskampf bis hin zum politischen Streik steigern, den wir im Kampf für Klimagerechtigkeit brauchen: Wenn die Beschäftigten der Welt die Arbeit niederlegen, steht alles still. Wenn wir uns gemeinsam den Profiteur*innen der Klimakrise entgegenstellen, kann können sie nicht mehr weiterhin alles zerstören, was uns lieb ist. Wir stehen für ein System, das nicht nach Profiten wirtschaftet, sondern nach unseren Bedürfnissen. Und deshalb gehen wir auf die Straße mit Beschäftigten, denn ohne Streik wird sich nichts verändern.

Autor*inneninfo: Das Antikapitalistische Klimatreffen München verbindet seit ein paar Jahren Klima- und Klassenfragen. Organisiert sind sie in einem bundesweiten Netzwerk weiterer Klimatreffen.