Die Erde brennt - wann brennt die OMV?


Bericht und Gedanken nach den »BlockGas« - Aktionen in Wien

Vor Kurzem hat in Wien die European Gas Conference stattgefunden - und mit ihr kamen die Proteste in die Stadt. Dieser Artikel gibt einen Überblick über gelungene Aktionstage und fragt zugleich nach ihrer Wirksamkeit.

»Let's crash the fossil Champagne Party« hieß es in der Mobilisierung zu den Aktionstagen in Wien. Und um es vorwegzunehmen: Das hat funktioniert. Die OMV (Österreichische Mineralölverwaltung), ein Konzern der im letzten Jahr 5,1 Milliarden Euro Gewinn mit Klimazerstörung, Krieg und Teuerungen gemacht hat, lud dieses Jahr vom 27.-29. März zur European Gas Conference (EGC) nach Wien. Das Lobbytreffen fand im Mariott Hotel mit wichtigen Vertreter*innen aus der Öl und Gasbranche wie Shell, BP oder RWE statt. Während es um »Europas zukünftige Energieversorgung« ging - also: den Ausbau von Gasinfrastruktur oder Förderung von fossilem Gas auf der ganzen Welt, vor allem aber im globalen Süden -, waren Journalist*innen und die Öffentlichkeit von der Konferenz ausgeschlossen. Klimazerstörungspolitik im Hinterzimmer.

Massen an Menschen kamen aus ganz Europa nach Wien, um der EGC keine ruhige Minute zu lassen und in vielfältigen Aktionen gegen den Normalzustand von Energiepolitik, Versorgungsungerechtigkeit und (neo-)kolonialer, ausbeuterischer Energieproduktion zu protestieren. Der dreitägige Gegenkongress »Power to the People« beschäftigte sich unter anderem mit systemischen Krisen wie Klima-, Energie- und Krieg und damit, wie solidarische Energiesysteme der Zukunft aussehen können. Er war Ausgangspunkt für verschiedene Protestaktionen. Am Sonntag starteten die Aktionen zivilen Ungehorsams des »Block Gas«–Bündnisses mit einer Blockade des Privatjetterminals am Flughafen Wien. Montag machten zwei Aktionsfinger der Konferenz Stress, indem sie die Zufahrtstraßen zum Hotel dichtmachten. Am Dienstag blockierten zwei Finger erfolgreich die Ölraffinerie der OMV in Schwechat am Rande von Wien. Für knapp 10 Stunden war dort die Straße des Haupteingangs zu und die Güterzufahrt besetzt. Danach zogen über 7.000 Menschen mit einer Großdemonstration durch Wien, vorbei am Mariott Hotel. Es gab einen Bannerdrop am Rathaus Wien und am Abend störten eingeschleuste Aktivist*innen das Galadinner der EGC. In Deutschland gab es im Bezug auf die Proteste Besetzungen von Gaskraftwerken in Berlin, Jena und Erlangen.

Aber was bewirken Störungen?

So kraftvoll unsere Aktionen auch waren, stellt sich doch wie immer die Frage nach der Wirksamkeit. Ist die Konferenz strategisch wirklich das beste Angriffsziel? Ist sie nicht ein Ort, an dem wir politisch wenig ausrichten können? Sollten wir nicht an Orte der Zerstörung gehen, an denen wir tatsächlichen Schaden anrichten können? Dann stellt sich die Frage: Was heißt es denn, tatsächlich zu schaden? Schaden wir einem Konzern schon, wenn der Betriebsablauf für einen Tag gestört wird, oder erst wenn tatsächliche Veränderung - und auf die muss natürlich auch diskursiv hingearbeitet werden - passiert?

Diese Fragen lassen sich nicht pauschal beantworten. Veranstaltungen wie die EGC sind darauf ausgelegt, ungestört tagen zu können und ihre Ergebnisse weitgehend unwidersprochen präsentieren zu können. Sie sind das Symbol dafür, wie unsere Gesellschaft funktioniert: wenige Konzernbosse und Politiker*innen entscheiden in Hinterzimmern über gesamtgesellschaftliche Belange, die Millionen von Menschen angehen und weitreichende Konsequenzen für uns alle haben. Wie in diesem Fall über die zukünftige Energieversorgung in Europa. Zehn Stunden lang saß ein Finger vor dem Haupteingang der OMV Ölraffinerie, Zehn Stunden lang wurde die einzige Zufahrt für Züge dicht gemacht. Einige Arbeiter*innen vor Ort wollten gar nicht mit den Aktivist*innen reden, es sei alles gut solange nichts kaputt gehe und brav sitzen geblieben werde. Und dieses Desinteresse war sinnbildlich für die gesamte Blockade. Orte wie Ölraffinerien oder Gaskraftwerke produzieren zwar den Treibstoff für den fossilen Kapitalismus, sind gleichzeitig aber auch nur das Ergebnis von Entscheidungen, die in diesem Wirtschaftssystem getroffen werden. Und diese Entscheidungen passieren genau an Orten wie der Europäischen Gaskonferenz.

Wenn wir parallel zu einer Weltklimakonferenz Kohlebagger stoppen, erzeugt das so starke Bilder, dass auch damit die Legitimität der Herrschenden angegriffen wird, ohne direkt vor Ort zu sein. Wenn es diese Kulisse nicht von selbst gibt, müssen wir aber deutlich mehr Aufwand betreiben, um trotzdem dieselbe Wirksamkeit zu erlangen. Wir fragen uns also: Müssen wir es nicht entweder ernster nehmen Konferenzen wie die EGC zu stören, und hätten wir uns darauf konzentrieren sollen das Marriot Hotel zu stürmen? Oder hätten wir an der Ölraffinerie mehr ausrichten müssen, das Gelände stürmen und die Frage auf dem Banner des Orangenen Fingers gleich selbst mit »Die OMV brennt jetzt!« beantworten sollen?

Was davon ist strategisch sinnvoll - gerade im Anblick der wachsenden Repressionen? Denn was wir beobachtet haben (in der Gefahr uns selbst zu überschätzen) ist, dass wir eine gewisse Angst schüren, eine Drohkulisse aufbauen konnten. Die Repression steigt, je näher wir an sensible Orte kommen; diesmal war es die Konferenz als Ort politischer Entscheidungen. Ob aus Angst vor Krawall und Sachbeschädigung oder vor Delegitimierung in der Presse, allein wenn wir Bereitschaft zur Eskalation zeigen, wächst auf der Gegenseite die Verteidigungshaltung - sichtbar an einem riesigen Polizeiaufgebot und zwei der ganzen drei Wasserwerfer in Österreich.

act local - think global!

Am gleichen Wochenende gab es bei Sainte-Soline im Südwesten Frankreichs eine riesige Aktion gegen geplante Wasserspeicher für die industrielle Landwirtschaft. Rund 30.000 Menschen protestierten dagegen, dass in Zeiten von Wasserknappheit und Dürre Wasser als öffentliches Gut privatisiert wird. Einer der ersten Kämpfe im Globalen Norden um so etwas Elementares wie die Wasserversorgung - und diese Kämpfe werden in Zukunft immer dringender werden. In Frankreich ist zum Beispiel jetzt schon abzusehen, dass auch 2023 ein besonders trockenes Jahr werden wird. Wie auch bei den Protesten gegen die Rentenreform entstanden bei der Aktion starke Bilder durch militantes Vorgehen der Aktivist*innen, ebenso flogen aber die Tränengasgranaten der Bullen; nach extremer Polizeigewalt sind hunderte Leute verletzt, zwei liegen im Koma. Nicht nur in Deutschland verschärfen sich Repressionen gegen die Klimabewegung, sichtbar sowohl am Klima-RAF-Diskurs um die Letzte Generation als auch an der Verurteilung zu 9 Monaten Knast gegen eine*n Aktivist*in, der*die 2021 an einer Blockade des Kohlekraftwerks Neurath beteiligt war. In Wien wurden unter dem Vorwand »schwerer gemeinschaftlicher Gewalt« über 140 Menschen festgenommen. Und in Frankreich wird nun darüber nachgedacht, die Bewegung zu verbieten, die zu den Protesten in Sainte Soline aufgerufen hat sowie eine neue Anti-ZAD-Polizeieinheit zu gründen.

Die ganz grundlegenden Versorgungskämpfe in Europa haben gerade erst begonnen, und der Staat schlägt zwar schon stark, aber noch nicht einmal mit voller Härte zu. Angesichts dessen ist es an der Zeit, nicht nur über unsere Aktionsziele und darüber, wie wir sie möglicherweise militant durchsetzen, nachzudenken, sondern auch darüber, wie wir uns darauf vorbereiten, mit noch stärkerer Repression konfrontiert zu werden. Der Protest Anfang des Jahres in Lützerath hat gezeigt: Bei allem Pessimismus ist die Klimabewegung noch immer eine große Bewegung. Selten hat die Gleichzeitigkeit von Militanz und bürgerlichem Protest so gut funktioniert. Lasst uns also genau daran anknüpfen und auf unserem Weg zu einer militanten Massenbewegung noch die ein oder andere Champagner-Party mehr crashen. Und bis es soweit ist, auch von ein paar brennenden Konzernen träumen.

Autor*innen: Sam und Ellie sind aktiv in der Klima-AG und Teil der iL Nürnberg und iL Hamburg.

Bild: von privat