Dieser Text ist das Ergebnis vieler Diskussionen und Gespräche und vieler klugen Gedanken, die Basti mit Genoss*innen geführt und geteilt hat. Er ist motiviert von dem anhaltenden Gefühl der Orientierungslosigkeit von einem Teil der Klimagerechtigkeitsbewegung und der Versuch, in und um die IL eine Debatte zu befördern, um auf diesen Zustand zu reagieren. Dabei soll es darum gehen, zu skizzieren, warum die zunehmenden Klimafolgekrisen ein Arbeitsfeld für die IL darstellen sollten und wie eine strategische Linie darin aussehen könnte.
Long story short - ich vertrete die These, dass die IL eine Praxis entwickeln sollte, die die kommenden Klimafolgekrisen zum Ausgang nimmt. Ich bin nicht der erste, der auf diese Idee kommt, glaube aber, dass es neben der politischen Notwendigkeit eine große Schnittmenge zwischen der in diesem Feld notwendigen Strategie und Praxis und der politischen Bestimmung der IL gibt.
Über das aktuelle Stadium der Klimakrise und die damit verwobenen multiplen Krisen der Gegenwart wurde und wird viel geschrieben. Das auszuführen soll nicht Zweck des Textes sein, aber ich möchte kurz umreißen, welche Annahmen ihm zugrunde liegen.
In den aktuellen Zeiten der beschleunigten Krisen ist Destabilisierung Programm. Die zeitliche und räumliche Kostenverschiebung, auf der die kapitalistische Akkumulation basiert und ihre relative Stabilität fußt, bekommt immer mehr Risse. Die Zukunft wird Gegenwart, Andernorts ist hier. Mit den Worten einer Genossin von der IL-Strategiekonferenz 2016: Deutschland ist einmal mehr Teil der Welt geworden. Extremer Starkregen, Waldbrände, Hitze und so weiter. All das ist schon da und wird noch zunehmen, während das Leben in vielen Teilen der Welt immer unmöglicher wird. Auch der Rest des globalen Nordens bekommt die Krisen zu spüren. Grob lassen sich (v.a für den globalen Norden) länderübergreifend zwei Projekte skizzieren, die sich implizit zur Lösung der Krisen herausgebildet haben. Da wären zum einen die verschiedenen Spielarten eines »grünen Kapitalismus« – also Ausformungen einer von den Herrschenden postulierten Krisenlösungsstrategie. In den USA ist es »Bidenomics«, hier vor Ort wahrscheinlich am ehesten die Ampel. Sie zeichnen sich aus durch eine zumindest teilweise Anerkennung der Klimakrise und den Versuch, diese mittels eines neuen Akkumulationsregimes zu lösen. Eine grüne Festung soll entstehen - nach innen (zumindest für Mittel- und Oberklasse) lebenswert, nach außen militärisch abgesichert gegen die Verwerfungen und das Elend im Rest der Welt, mit massenhaft Toten an den Außengrenzen als Folge. In Abgrenzung dazu hat sich eine rechte Allianz herausgebildet, in die auch Teile der Faschist*innen eingebunden sind. Sie setzt weiterhin auf die fossile Produktion und sucht den kleiner werdenden Kuchen an Privilegien des globalen Nordens mit aller Gewalt zu verteidigen, ob nun gegen Queers oder Geflüchtete. Sie fußt ihr Zukunftsversprechen auf der vollständigen Ausblendung der Klimakrise.
Welches dieser Projekte sich wo mittelfristig durchsetzt bleibt offen. Sie konkurrieren inner- und zwischenstaatlich miteinander vor dem Hintergrund einer entstehenden multipolaren Weltordnung, in der das internationale Machtgeflecht offensiv und teils kriegerisch neu ausgehandelt wird. Dies führt dazu, dass, platt gesagt, auch mal etwas zu Ungunsten kurzfristiger Profite oder dem Willen der Bevölkerung durchgeboxt wird, um die eigene Machtposition zu stärken. Das ist also...
]]>Ein Plädoyer, die aktuellen Suchbewegungen der Klimabewegung mit Militanz zu beantworten. Militanz, die einen Zusammenhang zwischen Ziel und Form des Handelns deutlich werden lässt.
»Der reißende Strom wird gewalttätig genannt / Aber das Flussbett, das ihn einengt / Nennt keiner gewalttätig.« – Bertolt Brecht
Die Klimagerechtigkeitsbewegung im globalen Norden ist lange nicht mehr marginal. Dennoch scheint sich ein glaubwürdiger Pfad zu einer annähernden Eingrenzung der Klimakrise immer weiter zu entfernen. Irreversible Klimakipppunkte wurden erreicht und der Klimakollaps ist für viele Menschen im globalen Süden schon längst bittere Realität. In Pakistan verloren 2022 über zehn Millionen Menschen ihre Häuser durch Fluten; die WHO stellte letztes Jahr so viele Tote durch die Klimakrise fest wie nie zuvor. Um die unvorhersehbaren Konsequenzen der Krise auch nur annähernd einzudämmen, müssten Staaten im globalen Norden jegliche Infrastruktur drastisch und schnellstmöglich umbauen. Stattdessen schrieben wir in 2022 das Jahr mit den weltweit meisten klimaschädlichen Emissionen seit Beginn der Aufzeichnungen.
Wie positioniert sich die Klimagerechtigkeitsbewegung gegenüber dieser immer unübersehbareren Radikalisierung der Verhältnisse? In Deutschland verleihen viele Klimaaktivist*innen ihrer Hoffnung auf die Transformationsfähigkeit staatlicher Strukturen Ausdruck. Ob Baggerbesetzungen in RWEs Kohlegruben, eine Demonstration vor dem Reichstag, konsequenzenlose Gespräche mit Parlamentarier*innen oder die hundertste Petition für Klimaschutz auf Campact – was als buntes Sammelsurium wohlbekannter Aktionsformen der Klimagerechtigkeitsbewegung scheint, teilt eine entscheidende Gemeinsamkeit: die, wenn auch auf verschiedene Weise erfolgende, Bezugnahme auf den Staat. Dieser bisherige Fokus auf den Staat ist insoweit verständlich, als dass unter den existierenden nationalstaatlichen Bedingungen letztlich nur mithilfe der bestehenden staatlichen Strukturen die so dringenden ökologischen Sofortmaßnahmen getroffen werden können. Gleichzeitig ist dieser Fokus jedoch äußerst paradox, da kapitalistisch organisierte Staaten ihrer Struktur nach unfähig sind, klimagerechte Auswege aus der Krise zu schaffen.
Der Staat, in dem wir leben, ist in Abhängigkeit und als Konsequenz aus der kapitalistischen Produktionsweise entstanden. Staat und Kapital gehen seit der Entstehung moderner Nationalstaaten Hand in Hand. Daraus folgt, dass staatliche Strukturen – wenn auch sie mitunter sozialdemokratische Zugeständnisse machen mögen – Kapitalinteressen über soziale Interessen wie den Schutz unserer Lebensgrundlagen priorisieren. Diese staatliche Interessensgewichtung muss im Kampf gegen die Klimakrise zentral sein, denn sie sichert das für die Klimakrise ursächliche System: das System von ausbeuterisch hergestelltem Reichtum für Wenige zum Leid der Vielen. Dies sieht man heutzutage lupenartig am Vergleich der Emissionen von Imperialmächten und kolonisierten Ländern. Beispielsweise emittierte Deutschland 2021 über 762 Millionen Tonnen Treibhausgase, während Äthiopien 19 Millionen Tonnen emittierte, obwohl dort 40 Millionen mehr Menschen als in Deutschland leben. Allein die neue EACO-Pipeline in Nordostafrika ermöglicht zwanzig Mal so hohen Emissionausstoß pro Jahr wie die Staaten Tansania und Uganda zusammen. Profitieren werden davon Akteure aus dem globalen Norden. Auch der Vergleich von Emissionen auf individueller Ebene wirft Licht auf die Verstrickung von Krise und Eigentum: Laut einer Studie von Oxfam wird das reichste Prozent der Weltbevölkerung bis 2030 für 16 Prozent der globalen Gesamtemissionen verantwortlich sein. Ganz alltäglich erleben wir den Zusammenhang von Krise und Eigentum, wo Grundbedürfnisse wie Strom und Wohnen immer unbezahlbarer werden und die klimagerechte Umstrukturierung dieser keine Option scheint.
Nicht nur...
]]>Das Antikapitalistische Klimatreffen München will die Parole »Klimakampf heißt Klassenkampf« wahr werden lassen. Sie berichten von ihrem Schulterschluss mit den Beschäftigten des öffentlichen Nahverkerhs in München im Zuge der Tarifauseinandersetzungen Anfang des Jahres. Eins wird deutlich: Beziehungspflege, Verlässlichkeit und Mut sind hierbei notwendig gewesen.
Anfang dieses Jahres haben sich die Klimabewegung und Beschäftigte des öffentlichen Nahverkehrs in ganz Deutschland zusammengetan, um Seite an Seite für Klimaschutz und bessere Löhne zu kämpfen. Die Highlights in München waren einerseits unsere Blockade von Streikbrecher*innen zur Unterstützung des Arbeitskampfes während der Tarifverhandlungen im Nahverkehr. Und auf der anderen Seite ist die sehr hohe Beteiligung von Beschäftigten beim globalen Klimastreik am 3. März. Wir vom Offenen Antikapitalistischen Klimatreffen München wollen erklären, warum der Zusammenschluss von Klimaschutz und Klassenkampf eine so entscheidende Rolle spielt, und von unseren Erfahrungen bei der konkreten Arbeit dazu berichten.
In den letzten Jahren ist ein Slogan immer wieder auf Klimademos und Veranstaltungen aufgetaucht: »Klimakampf ist Klassenkampf« Denn wenige Superreiche tragen die Hauptverantwortung an der sich verschlimmernden Klimakrise und profitieren von dieser, während der Rest der Bevölkerung (in unterschiedlichem Ausmaß) unter den jetzigen und zukünftigen Folgen leidet. Der Staat unterstützt dieses Gefälle sogar: so ist es im Kapitalismus völlig normal, für Autokonzerne Autobahnen durch Wälder zu bauen, während die Beschäftigten im ÖPNV schlechte Arbeitsbedingungen und Löhne dulden sollen. Der ÖPNV ist im Gegensatz zum Individualverkehr wesentlich klimafreundlicher, doch als »bloße« Daseinsvorsorge ermöglicht er eben nicht die hohen Profite und das Wachstum, das Autokonzerne durch Ausbeutung von Mensch und Umwelt erzielen. Wir wollen dieses System, das einigen wenigen die Macht über die Produktion und damit die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen gibt, überwinden. Wir wollen ein Klassenbewusstsein schaffen und gemeinsam mit Beschäftigten eine Gegenmacht zur Ausbeutung und Klimazerstörung aufbauen.
Im ÖPNV zeigt sich derzeit, wie das Scheitern der Verkehrswende nicht nur mit der einseitigen Unterstützung der Autokonzerne, sondern auch mit der Ausbeutung von Beschäftigten zusammenhängt: Seit 1998 müssen 18% weniger Beschäftigte 24% mehr Fahrgäste transportieren. Der wachsende Druck führt immer häufiger zu Erkrankungen und Personalausfällen. Durch die schlechten Löhne kommen kaum neue Fachkräfte, sodass es bereits jetzt schwierig ist, die mangelhafte Personalanzahl im ÖPNV zu halten. Von einem Ausbau kann gar nicht die Rede sein. Und so ist es nicht nur für die Beschäftigten selbst, sondern auch für die Klimagerechtigkeit von großer Bedeutung, dass die Beschäftigten sich gute Arbeitsbedingungen und Löhne mithilfe von Streiks erkämpfen. Als Klimaaktivist*innen können wir diese Kämpfe unterstützen und politisieren.
Um zu den laufenden Tarifverhandlungen im Nahverkehr mit den Beschäftigten in Kontakt zu kommen, sind wir deshalb mehrmals wöchentlich zu Busbahnhöfen, Brotzeithäuschen und Haltestellen gegangen. Wir sind mit den Fahrer*innen ins Gespräch gekommen und haben sie mit Flyern zu einem gemeinsamen Brunch und einer Podiumsdiskussion eingeladen. Mit Flyern, die sich an die Fahrgäste richteten, haben wir diese zur Solidarität mit potenziellen Streiks aufgerufen und mit Plakaten im öffentlichen Raum die Verbindung von Arbeitskampf und Klimaschutz sichtbar gemacht. Tatsächlich wurden entdeckte Plakate von Beschäftigten in internen WhatsApp-Gruppen immer wieder geteilt. Gleichzeitig...
]]>Vor Kurzem hat in Wien die European Gas Conference stattgefunden - und mit ihr kamen die Proteste in die Stadt. Dieser Artikel gibt einen Überblick über gelungene Aktionstage und fragt zugleich nach ihrer Wirksamkeit.
»Let's crash the fossil Champagne Party« hieß es in der Mobilisierung zu den Aktionstagen in Wien. Und um es vorwegzunehmen: Das hat funktioniert. Die OMV (Österreichische Mineralölverwaltung), ein Konzern der im letzten Jahr 5,1 Milliarden Euro Gewinn mit Klimazerstörung, Krieg und Teuerungen gemacht hat, lud dieses Jahr vom 27.-29. März zur European Gas Conference (EGC) nach Wien. Das Lobbytreffen fand im Mariott Hotel mit wichtigen Vertreter*innen aus der Öl und Gasbranche wie Shell, BP oder RWE statt. Während es um »Europas zukünftige Energieversorgung« ging - also: den Ausbau von Gasinfrastruktur oder Förderung von fossilem Gas auf der ganzen Welt, vor allem aber im globalen Süden -, waren Journalist*innen und die Öffentlichkeit von der Konferenz ausgeschlossen. Klimazerstörungspolitik im Hinterzimmer.
Massen an Menschen kamen aus ganz Europa nach Wien, um der EGC keine ruhige Minute zu lassen und in vielfältigen Aktionen gegen den Normalzustand von Energiepolitik, Versorgungsungerechtigkeit und (neo-)kolonialer, ausbeuterischer Energieproduktion zu protestieren. Der dreitägige Gegenkongress »Power to the People« beschäftigte sich unter anderem mit systemischen Krisen wie Klima-, Energie- und Krieg und damit, wie solidarische Energiesysteme der Zukunft aussehen können. Er war Ausgangspunkt für verschiedene Protestaktionen. Am Sonntag starteten die Aktionen zivilen Ungehorsams des »Block Gas«–Bündnisses mit einer Blockade des Privatjetterminals am Flughafen Wien. Montag machten zwei Aktionsfinger der Konferenz Stress, indem sie die Zufahrtstraßen zum Hotel dichtmachten. Am Dienstag blockierten zwei Finger erfolgreich die Ölraffinerie der OMV in Schwechat am Rande von Wien. Für knapp 10 Stunden war dort die Straße des Haupteingangs zu und die Güterzufahrt besetzt. Danach zogen über 7.000 Menschen mit einer Großdemonstration durch Wien, vorbei am Mariott Hotel. Es gab einen Bannerdrop am Rathaus Wien und am Abend störten eingeschleuste Aktivist*innen das Galadinner der EGC. In Deutschland gab es im Bezug auf die Proteste Besetzungen von Gaskraftwerken in Berlin, Jena und Erlangen.
So kraftvoll unsere Aktionen auch waren, stellt sich doch wie immer die Frage nach der Wirksamkeit. Ist die Konferenz strategisch wirklich das beste Angriffsziel? Ist sie nicht ein Ort, an dem wir politisch wenig ausrichten können? Sollten wir nicht an Orte der Zerstörung gehen, an denen wir tatsächlichen Schaden anrichten können? Dann stellt sich die Frage: Was heißt es denn, tatsächlich zu schaden? Schaden wir einem Konzern schon, wenn der Betriebsablauf für einen Tag gestört wird, oder erst wenn tatsächliche Veränderung - und auf die muss natürlich auch diskursiv hingearbeitet werden - passiert?
Diese Fragen lassen sich nicht pauschal beantworten. Veranstaltungen wie die EGC sind darauf ausgelegt, ungestört tagen zu können und ihre Ergebnisse weitgehend unwidersprochen präsentieren zu können. Sie sind das Symbol dafür, wie unsere Gesellschaft funktioniert: wenige Konzernbosse und Politiker*innen entscheiden in Hinterzimmern über gesamtgesellschaftliche Belange, die Millionen von Menschen angehen und weitreichende Konsequenzen für uns alle haben. Wie in diesem Fall über die zukünftige Energieversorgung in Europa. Zehn Stunden lang saß ein Finger...
]]>Wie sieht die Zukunft von Ende Gelände aus? Welche Aktionsformen können probiert und welche Allianzen für eine klimagerechte Welt geschaffen werden? Die Aktions AG innerhalb des Bündinisses Ende Gelände gibt einen Überblick wie es die nächsten Jahre weitergeht.
Ende Gelände hat als Bündnis nach über acht Jahren und zehn großen Massenaktionen entschieden, in 2023 keine bundesweite Massenaktion zu organisieren, um sich stattdessen auf die Suche nach Hebeln zu begeben, die unseren politischen Zielen treu bleiben. Wir wollen neue und vielfältigere Aktionsformen ausprobieren, uns dabei mit Verbündeten zusammentun und die Möglichkeiten für eine radikale Veränderung der Gesellschaft hin zu einer klimagerechten Welt erweitern. Mit diesem Text wollen wir unsere langfristige Vision und die politischen Argumente dafür teilen, um uns und unseren Freund* innen Mut zu machen, entschlossen und gemeinsam für einen radikalen Bruch mit dem kapitalistischen Normalzustand und den existenziellen Krisen zu kämpfen, die dieser Normalzustand verursacht. Dies ist der Versuch einer Skizze welche Wünsche und Visionen wir als Bewegung für die nächsten zwei Jahre haben, um dann im zweiten Teil die politische Notwendigkeit einer neuen antikapitalistischen Allianz darzulegen.
Die Klimakrise spitzt sich immer weiter zu, und mit ihr haben sich auch weitere geopolitische Krisen verstärkt. Global ringen Nationalstaaten immer stärker und aggressiver um Macht und den Zugang zu immer knapper werdenden Ressourcen. Rechte Kräfte haben noch mehr Aufwind bekommen, militärische Aufrüstung und Abschottung ist das bestimmende Thema in Europa. Konservative Kräfte versuchen, auch noch das Letzte aus dem ausbeuterischen System herauszupressen, aber ihre breite Unterstützung fängt mehr und mehr an zu bröckeln.
Aber auch die Klimabewegung ist so stark wie schon lange nicht mehr und hat sich in den letzten Jahren noch offensichtlicher geteilt: in einen reformistischen Teil mit NGOs, Grüner Jugend und Teilen von FFF auf der einen und einen radikalen, emanzipatorischen Teil auf der anderen Seite. Während punktuell und strategisch Zusammenarbeit stattfindet, sind sie in der öffentlichen Sicht klar getrennt. Der radikale Teil hat sich 2023 angefangen, zu einer antikapitalistischen Allianz zusammen zu schließen, und hat so Strahlkraft und Vernetzung auch in andere linksradikale Kämpfe geschaffen.
Bezogen auf den Kapitalismus ist der radikalen Klimagerechtigkeitsbewegung eine starke Diskursverschiebung gelungen. Für die gesamte Gesellschaft ist Kapitalismus nicht mehr zu trennen von Ausbeutung an Menschen und Umwelt, und auch die Reformierbarkeit des Systems wird offen in Frage gestellt. Für alle ist klar, dass eine klimagerechte Welt nur jenseits vom Kapitalismus umsetzbar ist. Die Gesellschaft weiß, dass sie sich zwischen der rechten Erzählung von menschenverachtender Ausbeutung und Abschottung und dem guten Leben für alle entscheiden muss.
Der kapitalistische Alltagsverstand, dass alles schon irgendwie weitergehen kann, ist zerstört, und die antikapitalistische Klimagerechtigkeitsbewegung wird nicht müde, genau an diesen Punkten zu intervenieren. Das passiert durch immer neue und größere Aktionen. Durch das Zusammenspiel der vielfältigen Aktionen und Aktionsformen einer antikapitalistischen Allianz und der inhaltlichen Verbindung zwischen den einzelnen Aktionen, ist es gelungen, die Systemfrage immer stärker in den Mittelpunkt gesellschaftlicher Diskurse zu stellen. Auch in Arbeitskämpfen und in Streiks hat die Systemfrage eine zentrale Rolle eingenommen. Dadurch werden radikale Transformationsmöglichkeiten, mit...
]]>Die Schlinge um die Arbeiter*innen des ex-Gkn-Werks in Campi Bisenzio zieht sich zu: Seit dem 8. November 2022 hat der neue Werksinhaber Francesco Borgomeo die Zahlung des Transformationskurzarbeitergeldes ausgesetzt. Wie steht es nun um den Kampf für eine Konversion des seit über einem Jahr besetzten Autozulieferer-Betriebes in der Toskana?
Dieser Artikel ist eine Fortsetzung des Beitrags #Insorgiamo - Fabrikbesetzung für's Klima. Auch hier danken wir der Zeitschrift Luxemburg für die Ermöglichung der Zweitveröffentlichung.
»Eccolo qua il Made in Italy« (»Das hier bedeutet Made in Italy«) heißt es auf einem Banner, das an einem Wagen voller verrosteter Achswellen für Nutzfahrzeuge befestigt ist. Damit wird humorvoll auf das italienische Wirtschaftsministerium verwiesen, dem die frisch gewählte Staatschefin Giorgia Meloni ein national-protektionistisches Antlitz verliehen und welches sie zum »Ministerium für das Made in Italy« umbenannt hat. Die dem strömenden Regen überlassenen Achswellen ähneln einem wertlosen rostigen Stahlhaufen, waren einst aber das Spitzenprodukt des britischen Automobilzulieferers GKN-Driveline. Die hochwertigen, vollautomatisierten und teils noch unbenutzten Maschinen zur Herstellung der Achswellen, die diesen GKN-Standort auszeichneten, stehen bis heute in der besetzten Fabrik. Vor dem berüchtigten 9. Juli 2021, der Tag an dem der Eigentümer von GKN, der Investmentsfonds Melrose Industries, das Werk schloss, waren hier 500 Arbeiter*innen beschäftigt, davon 422 festangestellt. 330 von ihnen sind heute noch an QF, das Unternehmen des neuen Eigentümers Francesco Borgomeo, gebunden und blicken tagtäglich auf den Stahlhaufen vor »ihrem Zuhause«, wie sie die Fabrik nennen. Einer von ihnen ist Giovanni. Er hat hier 15 Jahre lang als Abteilungsleiter gearbeitet und ist einer der wenigen leitenden Angestellten, die bis heute Teil der Besetzung geblieben sind:
»Die anderen Abteilungsleiter*innen und die Facharbeiter*innen haben sehr schnell eine neue Beschäftigung gefunden. So lange ich es mir leisten kann, will ich aber hier bleiben. Für mich ist es ein moralisches Prinzip geworden.«
Für ihn steht der beunruhigende Stillstand hier in Campi Bisenzio sinnbildlich für das Versagen der gesamten italienischen Industrie:
»Es kann nicht sein, dass ein Werk mit den technologisch hochwertigsten Maschinen, das Gewinne macht, die eigene Produktion im Handumdrehen ins Ausland verlagert und der Staat und die Institutionen dies ermöglichen, ohne einen Mucks von sich zu geben. Das heißt, dass dieses Finanzsystem, Kapitalismus, wie auch immer man es nennen will, nicht für die Gemeinschaft, sondern für private Interessen funktioniert.«
Gegen diese beängstigende Situation führt das Fabrikkollektiv GKN einen seit 17 Monaten andauernden betrieblichen Abwehrkampf, woraus sich eine außergewöhnliche sozial-ökologische Mobilisierung in der Toskana und darüber hinaus entwickelt hat. Klimaaktivist*innen, Anwohner*innen, Bäuer*innen kämpfen gemeinsam mit den Arbeiter*innen für eine ökologische Umstellung der Produktion. Bis zum November 2022 konnte die Besetzung und der gesellschaftliche Kampf, den das Fabrikkollektiv anführte, auf Grundlage eines Transformationskurzarbeitergeldes geführt werden. Dies wird ihnen durch die neue Unternehmensleitung von QF nun nicht mehr ausgezahlt.
Am 23. Dezember 2021 kaufte der Unternehmer Francesco Borgomeo die Gesamtheit der GKN-Aktien dem Investmentfonds Melrose Industries ab. Er stammt aus einer reichen norditalienischen Familie, die im Laufe des 20. Jahrhunderts im Bereich der Metallverarbeitung ein Vermögen aufbaute. Francesco Borgomeo trat in...
]]>Das Collettivo di Fabbrica GKN kämpft gegen die Schließung einer Zulieferfabrik der Automobilindustrie nahe Florenz. Gefordert wird ein radikaler ökologischer Umbau der Produktion. Aus dem Abwehrkampf einer einzelnen Belegschaft ist ein breites Bündnis aus Beschäftigten, Klima-Aktivistinnen und Wissenschaftlerinnen geworden. Wie konnte das gelingen?
Dieser Artikel erschien bereits im Oktober 2022 in der Zeitschrift Luxemburg, deren Redaktion uns freundlicherweise genehmigt hat, ihn hier zweitzuveröffentlichen.
Man stelle sich einen Klimastreik vor, bei dem 40.000 Fabrikarbeiter*innen, Klimaaktivist*innen, Friedensbewegte und politisch Unorganisierte zusammentreffen. In ihren Reden skandalisieren sie die Schließung eines Autozulieferer-Betriebes. Alle sind sich einig, dass man eine Konversion des Betriebes statt Entlassungen braucht. Im vordersten Block laufen die Arbeiter*innen der betroffenen Fabrik, hinter ihnen Massen von kämpferischen Klimaaktivist*innen und spontanen Demobesucher*innen. Die Beschäftigten des Werkes schließen sich mit Wissenschaftler*innen zusammen, um einen Konversionsplan zu entwickeln. Abgeleitet aus ihren Fähigkeiten und den neuesten umweltwissenschaftlichen Erkenntnissen entsteht die Vision, von nun an Bestandteile für wasserstoffbetriebene Busse herzustellen. Immer mehr Menschen sind sich einig: Eine Produktion für die Menschen, nicht für die Profite muss her!
Diese Vision, die am Ende eines ökosozialistischen Manifestes stehen könnte, ist im letzten Jahr in der Toskana Realität geworden. Nachdem die 422 Festangestellten und ca. 80 Leiharbeiter*innen des Automobilzulieferers GKN Driveline am 9. Juli 2021 per E-Mail mitgeteilt bekamen, dass sie am kommenden Montag nicht mehr zur Arbeit erscheinen sollten, besetzten sie ihr Werk in Campi Bisenzio, einem Vorort von Florenz. Strategisches Zentrum der Besetzung und der um sie herum entstandenen Mobilisierungswelle ist das Fabrikkollektiv Collettivo di Fabbrica GKN, das autonom, aber eng verbunden mit den offiziellen Gewerkschaftsstrukturen agiert. Die Mehrheit der gut 500 Arbeiter*innen inklusive der in der CGIL-FIOM organisierten Betriebsräte verstehen sich als Teil des Kollektivs, das sich außerhalb der Arbeitszeiten trifft. Die FIOM (Federazione Impiegati Operai Metallurgici) ist die Gewerkschaft der Arbeiter*innen in metallverarbeitenden Betrieben, die dem Allgemeinen Italienischen Gewerkschaftsbund (CGIL) angehört.
GKN ist ein Automobilzulieferer mit mehr als 50 Produktionsstätten auf der ganzen Welt. Bis zum Produktionsstopp im Sommer 2021 wurden im Werk in Campi Bisenzio hauptsächlich Achswellen für Fiat (Ducato), Maserati und Ferrari hergestellt. Die Inhaber des Werkes haben in den vergangenen Jahrzehnten stetig gewechselt. Einst im Besitz von Fiat, wurde das Werk im Jahr 1994 von dem Unternehmen GKN erworben, das wiederum 2018 vom britischen Investmentfonds Melrose Industries für 8 Mrd. aufgekauft wurde. Nur drei Jahre später verkündete die Geschäftsführung nun die Schließung des Werks in Campi Bisenzio und die Entlassung der gesamten Belegschaft, wurde drei Tage zuvor das Entlassungsverbot aufgehoben, das die italienische Regierung im Rahmen der Corona-Pandemie beschlossen hatte. Der Grund ist keineswegs eine Krise des Unternehmens. Unmittelbar vor der Schließung wurde noch in hochwertige Roboter investiert, die bis heute eingeschweißt im besetzten Werk stehen (vgl. Cini u. a. 2022, 5). Es handelt sich bei der Schließung vielmehr um einen »Teil des Prozesses der Finanzialisierung von Unternehmen und der spekulativen Prinzipien des Shareholder-Kapitalismus«: Das einzelne Werk wird einer profitorientierten Re-Strukturierung der Wertschöpfungskette geopfert und die Produktion ins Ausland verlagert. Das Motto von Melrose Industries »Buy, Improve,...
]]>Im Februar hat in Frankfurt das Treffen des Transnational Social Strike stattgefunden. Dort wurde auch die Frage diskutiert, wie Aktivist*innen der Klimagerechtigkeitsbewegung mit Arbeiter*innen einen gemeinsamen Kampf führen können. Zur Vorbereitung wurde ein Journal verschiedener Stimmen aus Europa veröffentlicht. Den Text der IL wollen wir hier dokumentieren.
Deutschland ist im Vergleich zu anderen europäischen Ländern noch stark industrialisiert. Die Produktion dieser Industrien hängt von billigen Rohstoffen und billiger Energie ab. Die Arbeitsplätze sind gut bezahlt, auch weil dort noch viele Arbeiter*innen gewerkschaftlich organisiert sind. Seit Mitte der 1970er wurden in Westdeutschland und seit den 1990ern besonders stark in Ostdeutschland Industriebetriebe abgebaut und in den Globalen Süden verlagert. Zurück blieben abgehängte Regionen mit starker endemischer Arbeitslosigkeit sowie Armut.
Besonders in den noch bestehenden Kohlerevieren gibt es den starken Konflikt zwischen den Interessen der Beschäftigten und den notwendigen Aktionen gegen die Klimakrise. Viele Arbeiter*innen haben das Schicksal des Kohleausstiegs im Ruhrgebiet oder die Verheerungen der Treuhand in Ostdeutschland vor Augen. Dort fand kein Strukturwandel, keine Transformation statt. Deshalb gehören das Ruhrgebiet und Teile Ostdeutschland zu den ärmsten Regionen Deutschlands.
Für die richtigen und notwendigen Aktionen gegen den Kohleabbau ergeben sich daher Probleme. Es gibt den Konflikt Kohleausstieg vs. Joberhalt. Die Arbeiter*innen haben verständlicherweise Angst um ihre Zukunft. Gerade in den strukturschwachen Regionen ist es selten, einen gutbezahlten Job oder überhaupt einen Job zu haben. Bei Jobverlust bleibt die Wahl zwischen Armut und Wegzug.
Es müssen sich aber auch andere Industrien auf Änderungen einstellen. Die Kapitalfraktion versucht ihre Profite und Herrschaft zu schützen. Die Alternative in den Bereichen Chemie, Automobil und Agrarwirtschaft heißt grüne Transformation. Dabei geht es aber im Wesentlichen bloß um ein Weiter-so in Grün. Für die Automobilindustrie soll nur der Antrieb gewechselt werden – eine Verkehrswende ist nicht geplant. Plastik soll nicht eingespart, sondern durch nachwachsende Rohstoffe ersetzt werden. Und das Agrarbusiness setzt weiter auf die industrialisierte Landwirtschaft mit synthetischen Düngern, Gentechnik und Bodenkonzentration. Die Ängste der Arbeiter*innen werden aber auch von rechten Parteien und Nazis genutzt. Sie stellen sich als vermeintliche Anwält*innen der »kleinen Leute« dar. Sie leugnen die menschengemachte Klimakrise. Stattdessen verbreiten sie die Lüge, dass alles so bleiben kann, wie es ist. Rechte und Nazis stellen Klimagerechtigkeit als Verschwörung gegen die »hart arbeitende Bevölkerung« dar. Gepaart mit Angriffen auf eine vermeintliche Elite und ihre globalisierte Politik sprechen sie die Ressentiments der Bevölkerung an und und schüren antisemitisch und rassistische Vorurteile. Ihr Ziel ist der bürgerliche Faschismus 2.0.
Die Stimmungsmache hat bereits dazu geführt, dass Aktionen von Ende Gelände in Ostdeutschland eine antifaschistische Schutzstruktur benötigen. Auch Aktionen gegen Straßenausbau werden angegriffen. In den westdeutschen Braunkohlerevieren kommt es auch vermehrt zu Angriffen und Aktionen von Rechten. Aber auch Gewerkschaften und ihre Mitglieder haben schon gegen Orte der Klimagerechtigkeit demonstriert und Aktivist*innen bedroht. In dieser Gemengelage ist es schwer, die Frage zu beantworten, wie wir Belegschaften und die Bewegung zusammenbringen, um gemeinsam für eine sozial und ökologisch gerechte Zukunft zu streiten. Trotzdem ist es wichtig hier auf diejenigen zuzugehen, welche die Dringlichkeit des Handelns erkannt haben....
]]>Die Überbetonung der Polizeigewalt in unserer eigenen Öffentlichkeitsarbeit im Nachhinein zu Lützerath war ein Fehler. Als radikale Linke sollten wir viel eher betonen, dass der Staat in die Defensive gekommen ist und wir gemeinsam mit Vielen Militanz erprobt haben, argumentiert die IL Frankfurt.
Alle, die in Lützerath waren, und alle, die die Schlammschlacht nur aus der Ferne verfolgten, wissen: Es war letztlich die staatliche Gewalt in Form der Polizei, in Übereinstimmung mit den privatwirtschaftlichen Interessen von RWE, die uns daran hinderte, den Genoss*innen in Lützerath zu Hilfe zu kommen. Wir selbst haben dafür in unserer Pressearbeit im Nachhinein gesorgt, dass an den Bildern der vorwärtsstürmenden Bullen niemand vorbeikam. Damit haben wir einen Fehler begangen, eine Chance verpasst und uns selbst in den Tagen danach einem schalen Gefühl der Niedergeschlagenheit ausgesetzt.
Lützerath - eine Niederlage?
Ja, objektiv betrachtet war der Samstag in Lützerath eine Niederlage. Es ist uns nicht gelungen, den Zaun zu überwinden, die angegriffene Besetzung im Dorf auszuweiten und damit den faulen Kohlekompromiss materiell infrage zu stellen. Subjektiv gesehen jedoch − ausgehend von denen, die kämpfen − hat sich an diesem Tag und darüber hinaus etwas verschoben. Man lässt sich schlichtweg nicht mehr alles gefallen und ist bereit, Militanz tatsächlich zu erproben. Wir alle wissen daher noch etwas Weiteres: Den größten Teil des Tages lief der Staat rückwärts, er zog sich immer weiter an den Zaun zurück und konnte uns nichts als seine eruptiven Gewaltausbrüche entgegensetzen. Nur die militärisch abgesicherte Einfriedung des Dorfes hat uns daran gehindert, die Bullen und RWE aus Lützerath zu vertreiben. Angesichts der Entschlossenheit der Menschenmengen und dem Regen an Schlamm, Steinen und Pyro, blieb ihnen nichts als der Rückzug zum Zaun und die offensiven Prügelattacken, mit denen sie sich kurzzeitig zehn Meter Spielraum verschafften.
Über den ganzen Tag hinweg gab es immer wieder Momente, in denen es keine hohle Phrase mehr war, dass die Angst die Seite gewechselt hat. Allein zahlenmäßig waren wir den Bullen so überlegen, dass sie uns weder vom Zaun um das Dorf herum fernhalten konnten, noch Anstalten machten, Einzelne in großer Zahl herauszuziehen und zu verhaften. Es ergab sich eine Situation, in der es möglich war, dass die einen, unorganisierte Menschen aller Altersgruppen, spontan von der NGO-Demonstration in Richtung Lützerath liefen und dabei - ohne organisierte Fingerstrukturen - teilweise sogar Polizeiketten durchbrachen. Die anderen warfen mit Matsch auf die Bullen und schlugen bei den Prügelattacken zurück, wieder andere ließen Steine und Pyro fliegen. Auch wenn nicht alle dasselbe gemacht haben und sicher auch nicht alle Menschen jedes Mittel gleich gut fanden, zeigte sich eine breite Entschlossenheit auf den Äckern, an den Zaun zu kommen. Dieses Moment der Ermächtigung im Ereignis ist nicht das letzte Ziel linksradikaler Politik, darf aber auch nicht unterschätzt, geschweige denn in der eigenen Nachbereitung verschwiegen werden. Den Augenblick, in dem viele um uns herum die Angst verloren und alles Verfügbare in die Hand nahmen, um in die Offensive zu gehen und die Bullen zurückzudrängen, werden wir und viele andere nicht vergessen. Darüber sollten wir nicht schweigen....
]]>Wie weiter in der Klimagerechtigkeitsbewegung, wenn die bisherigen Aktionsformen an offensichtliche Grenzen stoßen? Während in der Presse vor einer »grünen RAF« schwadroniert wird, diskutiert die Bewegung selbst sehr viel konkreter und zielorientierter – zum Beispiel im Folgenden Beitrag einiger anonymer Militanter.
Liebe Genoss*innen, Freund*innen und Gefährt*innen der Klimagerechtigkeitsbewegung (KGB) und darüber hinaus, wir* sind ein loser Zusammenhang von Aktivist*innen, der sich seit Mitte letzten Jahres mit der Frage auseinandersetzt, ob und wie es an der Zeit ist für mehr Militanz in der radikalen Linken und speziell in der KGB. Diese Debatte um Militanz, friedliche Sabotage oder ZU+ ist seitdem schon voll im Gange – nice! Wir wollen an der Stelle gerne unsere* Gedanken dazu mit euch teilen und die ein oder andere unschlüssige Person davon überzeugen, dass wir als KGB weiter gehen sollten. Um mit unseren Aktionen den sich zuspitzenden Verhältnissen durch die (Klima-)Krise gerecht zu werden, sehen wir* es als einen von mehreren relevanten Punkten, die Aktionsformen zu verändern. Wir brauchen mehr Militanz, um in einen gesellschaftlichen Klima-Diskurs mit einer radikalen Perspektive intervenieren zu können, um zum Investitionsrisiko der Konzerne zu werden, um ein revolutionäres Bewusstsein zu stärken, um den Slogan »Den Wandel selbst in die Hand nehmen« zur tatsächlichen Praxis zu machen und letztendlich, um die kapitalistische Gesellschaftsordnung zu überwinden. Hierbei konzentrieren wir* uns, aufgrund unserer eigenen politischen Arbeit, vor allem auf den Teil der KGB, der in zivilem Ungehorsam (ZU) ihre dominante Handlungsform gefunden hat.
ZU in Form von Bagger- und Schienenbesetzungen hatte u*Mn vor einigen Jahren durchaus einen antagonistischen Charakter, den wir* als einen wesentlichen Bestandteil einer militanten Handlung sehen. Allerdings haben die Aktionen des zivilen Ungehorsams rund um die Braunkohlegebiete diesen Charakter verloren. U*Mn stellen sie, in ihrer gegenwärtigen Form, mehr ein eingehegtes, von allen Seiten berechenbares Schauspiel dar, anstatt einer Systemlogik entgegen zu stehen. Dennoch sehen wir* in der Gruppe an Menschen, die sich dem politischen Kampf für Klimagerechtigkeit verschrieben haben, das Potential einen Schritt weiter in Richtung Militanz zu gehen.
Einerseits, um für uns* selber eine bessere Vorstellung davon zu haben, was wir eigentlich unter Militanz und militanten Handlungen verstehen, aber natürlich auch, um dieses Verständnis in die Bewegung zu tragen, haben wir eine Militanz-Definition aufgestellt.
1. Motivation hinter militanten Handlungen
Unserem* Verständnis nach ist Militanz ein Mittel, welches nur im Kampf für eine radikal emanzipatorische Gesellschaft Anwendung finden sollte. Eine politische Handlung ist für uns* immer dann militant, wenn sie sich antagonistisch zur bestehenden Ordnung verhält. Militante Aktionen versuchen die herrschende Logik aufzubrechen und lassen sich von dieser nicht einhegen. Bei all dem ist es notwendig, die Bedingungen für militantes Handeln als dynamisch zu verstehen. Eine ständige Reflexion der bestehenden Verhältnisse und eine hierauf aufbauende Anpassung der Aktionsform ist notwendig. Die Militanz ist demnach ein Mittel zur Erreichung eines radikal emanzipatorischen Lebens.
2. Aktionistische Ebene von militanten Handlungen
Auf der aktionistischen Ebene bedeutet militantes Handeln die Erzeugung eines nachhaltigen Schadens – also eines Schadens, der über die physische Anwesenheit der Aktivist*innen hinaus bestehen bleibt. Dieser Schaden kann finanziell sein, aber beispielsweise auch...
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