Klassenkampf für die ökologisch-soziale Revolution

Im Februar hat in Frankfurt das Treffen des Transnational Social Strike stattgefunden. Dort wurde auch die Frage diskutiert, wie Aktivist*innen der Klimagerechtigkeitsbewegung mit Arbeiter*innen einen gemeinsamen Kampf führen können. Zur Vorbereitung wurde ein Journal verschiedener Stimmen aus Europa veröffentlicht. Den Text der IL wollen wir hier dokumentieren.

Die Herausforderungen gemeinsamer Kämpfe

Deutschland ist im Vergleich zu anderen europäischen Ländern noch stark industrialisiert. Die Produktion dieser Industrien hängt von billigen Rohstoffen und billiger Energie ab. Die Arbeitsplätze sind gut bezahlt, auch weil dort noch viele Arbeiter*innen gewerkschaftlich organisiert sind. Seit Mitte der 1970er wurden in Westdeutschland und seit den 1990ern besonders stark in Ostdeutschland Industriebetriebe abgebaut und in den Globalen Süden verlagert. Zurück blieben abgehängte Regionen mit starker endemischer Arbeitslosigkeit sowie Armut.

Besonders in den noch bestehenden Kohlerevieren gibt es den starken Konflikt zwischen den Interessen der Beschäftigten und den notwendigen Aktionen gegen die Klimakrise. Viele Arbeiter*innen haben das Schicksal des Kohleausstiegs im Ruhrgebiet oder die Verheerungen der Treuhand in Ostdeutschland vor Augen. Dort fand kein Strukturwandel, keine Transformation statt. Deshalb gehören das Ruhrgebiet und Teile Ostdeutschland zu den ärmsten Regionen Deutschlands.

Für die richtigen und notwendigen Aktionen gegen den Kohleabbau ergeben sich daher Probleme. Es gibt den Konflikt Kohleausstieg vs. Joberhalt. Die Arbeiter*innen haben verständlicherweise Angst um ihre Zukunft. Gerade in den strukturschwachen Regionen ist es selten, einen gutbezahlten Job oder überhaupt einen Job zu haben. Bei Jobverlust bleibt die Wahl zwischen Armut und Wegzug.

Es müssen sich aber auch andere Industrien auf Änderungen einstellen. Die Kapitalfraktion versucht ihre Profite und Herrschaft zu schützen. Die Alternative in den Bereichen Chemie, Automobil und Agrarwirtschaft heißt grüne Transformation. Dabei geht es aber im Wesentlichen bloß um ein Weiter-so in Grün. Für die Automobilindustrie soll nur der Antrieb gewechselt werden – eine Verkehrswende ist nicht geplant. Plastik soll nicht eingespart, sondern durch nachwachsende Rohstoffe ersetzt werden. Und das Agrarbusiness setzt weiter auf die industrialisierte Landwirtschaft mit synthetischen Düngern, Gentechnik und Bodenkonzentration. Die Ängste der Arbeiter*innen werden aber auch von rechten Parteien und Nazis genutzt. Sie stellen sich als vermeintliche Anwält*innen der »kleinen Leute« dar. Sie leugnen die menschengemachte Klimakrise. Stattdessen verbreiten sie die Lüge, dass alles so bleiben kann, wie es ist. Rechte und Nazis stellen Klimagerechtigkeit als Verschwörung gegen die »hart arbeitende Bevölkerung« dar. Gepaart mit Angriffen auf eine vermeintliche Elite und ihre globalisierte Politik sprechen sie die Ressentiments der Bevölkerung an und und schüren antisemitisch und rassistische Vorurteile. Ihr Ziel ist der bürgerliche Faschismus 2.0.

Die Stimmungsmache hat bereits dazu geführt, dass Aktionen von Ende Gelände in Ostdeutschland eine antifaschistische Schutzstruktur benötigen. Auch Aktionen gegen Straßenausbau werden angegriffen. In den westdeutschen Braunkohlerevieren kommt es auch vermehrt zu Angriffen und Aktionen von Rechten. Aber auch Gewerkschaften und ihre Mitglieder haben schon gegen Orte der Klimagerechtigkeit demonstriert und Aktivist*innen bedroht. In dieser Gemengelage ist es schwer, die Frage zu beantworten, wie wir Belegschaften und die Bewegung zusammenbringen, um gemeinsam für eine sozial und ökologisch gerechte Zukunft zu streiten. Trotzdem ist es wichtig hier auf diejenigen zuzugehen, welche die Dringlichkeit des Handelns erkannt haben. Auch unter der Belegschaft der Bullshit-Industrie gibt es Arbeiter*innen die Klimagerechtigkeit verlangen. Selbst, wenn das ein Aus oder vielmehr eine radikale Transformation ihrer bisherigen Arbeit bedeutet. In der Automobilindustrie gibt es Stimmen für eine Verkehrswende. Unter Arbeiter*innen in der Rüstungsindustrie gibt es Stimmungen, statt Panzern sinnvolle Produkte herzustellen.

Bildet Banden!

Zusätzlich zu diesen bislang eher vereinzelten Stimmen, gibt es bereits Zusammenarbeit von Klimagerechtigkeitsbewegung und Belegschaften. Während des Arbeitskampfs im ÖPNV 2020 wurden die Streikenden von Gruppen aus der Klimagerechtigkeitsbewegung unterstützt. Auch in München wurde die Belegschaft eines Chemiebetriebs von Aktivist*innen in ihrer Forderung nach besserer und zukunftsträchtiger Arbeit unterstützt. Damit Klimagerechtigkeitsbewegung und Belegschaften zusammenarbeiten, braucht es glaubhafte, umsetzbare und konkrete Alternativen zu den herrschenden Erzählungen. Es ist an uns, diese Alternativen wieder mehr in den Blick zu nehmen. Angesichts der fortschreitenden Klimakrise müssen wir einen massiven Umbau unserer Konsumgewohnheiten und damit der Grundlage der kapitalistischen Gesellschaft beginnen.

Eine vielversprechende Möglichkeit ist die Diskussion um Vergesellschaftung als Grundlage für die Umsetzung eines »guten Lebens für alle«. Anstatt der bürgerlichen Ideologie der Vermehrung des privaten Reichtums setzen wir den gesellschaftlichen Reichtum. Die öffentliche Infrastruktur – Gesundheit, Bildung, Mobilität, Wohnen und Energie – muss in die Hand der Nutzer*innen gelegt werden. Damit kann ermöglicht werden, dass alle mehr haben, auch wenn Einzelne (scheinbar) weniger haben. Auch der notwendige Abbau und die Transformation der »Bullshit-Industrie« kann nur gelingen, wenn die Belegschaften unter Ausschluss der Kapitalfraktion zusammen mit Konsument*innen, Betroffenen und Expert*innen ihre Zukunft wirklich gestalten können.

Die Gefahr, die wir aus vergangenen Kämpfen kennen, ist dabei: Wir machen uns selbst zu den Modernisierer*innen des Kapitalismus. Der Weg der Grünen von einem Zusammenschluss von Bewegungsaktiven zum parlamentarischen Arm der Bewegungen und schließlich zur grünen Fraktion des Kapitalismus innerhalb von knapp 20 Jahren steht uns noch gut vor Augen. Wir müssen daher klar unseren Antikapitalismus betonen und gemeinsam mit den Belegschaften die antikapitalistischen Wurzeln der Gewerkschaften wiederentdecken. So kann ein Klassenkampf für eine ökologisch-soziale Revolution entstehen.

Informationen zum Transnational Social Strike-Kongress in Frankfurt gibt es unter anderem hier. Das Journal kann in Englischer Sprache heruntergeladen werden.

Autor: Michael ist seit 20 Jahren in der Klimagerechtigkeitsbewegung aktiv.

Bild: Ein abgelegter Schutzhelm, von Herrn Olsen.