von G20 Gipfel tags Bewegung Gipfelproteste (Anti-)Repression Datum Nov 2017
zuVerena hat als Besucherin am Prozess gegen den italienischen Genossen Fabio, der seit den G20-Protesten in Hamburg in Untersuchungshaft sitzt, teilgenommen. Eine eindrückliche Erfahrung, wie sie findet. Deshalb teilt sie hier ihren Erlebnisbericht mit uns.
Als ich vor dem Saal auf den Prozessbeginn warte und Fabio in Handschellen von Justizbeamten an mir vorbeigeführt wird, kommen zwei Gefühle in mir hoch. Erstens: enorme Wut. Da geht jemand gegen die Ungerechtigkeit in unserer Welt auf die Straße und dieses real bestehende Konstrukt von Staat hat die Macht, dies einfach zu unterbinden und mehr noch, dieses Verhalten als böse zu bewerten und einen Menschen völlig aus seinem Leben zu reißen. Und zweitens: Ein Gefühl von Stärke und Solidarität, weil viele Menschen zusammen gekommen sind, um Fabio zu unterstützen. Viele klatschen und rufen Fabios Namen. Es zeugt davon, dass wir nicht nur als Individuen zusammen hier stehen, sondern auch als Gemeinschaft.
Es ist einer der ersten Gerichtsprozesse, die ich mir anschaue. Ich bin überrascht, wie sehr diese Szenerie doch der SAT.1-Show »Richterin Barbara Salesch« ähnelt. Die Richterin ist jung und verunsichert. Manchmal tut sie mir sogar ein bisschen leid, aber sie ist nunmal freiwillig in den Staatsdienst gegangen. Die Staatsanwältin weiß um ihren Rückhalt durch Medien und Politik, beharrt auf ihren Forderungen, ohne jegliche Argumente zu liefern. Das Team aus zwei Verteidiger*innen überzeugt durch sicheres Auftreten und fundierte Argumentation. Aber zwecklos, wenn die von ihnen gestellten Anträge ohne Begründung zurückgewiesen werden. Ich balle meine Fäuste, das alles macht so sauer. Wo ist dieser Rechtsstaat mit seiner angeblich unabhängigen Justiz im ach so gelobten Deutschland, von dem alle reden?
Eigentlich ist es schon fast witzig, wie sich im Gerichtssaal gestritten wird, aber dann erinnere ich mich an das, was für Fabio auf dem Spiel steht. Er sieht jung aus, und zugleich stark. Er weiß, dass dies eine politische Justiz ist. Und so hält er eine kämpferische Rede, in der es um seine Motivation geht, nach Hamburg zu kommen. Wir alle klatschen, als er zu Ende geredet hat.
Die Aussagen der Zeug*innen sind teilweise widersprüchlich. Ein Polizeibeamter tritt mackerig auf, sitzt mit verschränkten Armen bei seiner Anhörung und gibt freche Antworten. Offenbar hat er ein Problem damit, dass ihm hier drei Frauen gegenüber sitzen und er mal nichts zu sagen hat. Insgesamt ist es fast zu banal, um wahr zu sein. Fabio soll noch nicht mal selbst eine Tathandlung vorgenommen haben.
Die ganze Verhandlung wirkt unprofessionell. Menschen, die ein zu großes Ego haben. Eine Richterin, die sich wahrscheinlich schon längst ein eigenes Bild über Fabio gebildet hat. Die auf eine Karriere hofft.
Und hier wird Fabios Zukunft verhandelt. Kaum zu glauben.
Vergessen wir nicht, was für ihn auf dem Spiel steht. Seien wir solidarisch!
Verena begleitet zur Zeit den Prozess gegen Fabio – und war im Juli wie viele andere gegen die G20 auf der Straße.
Bild: Poster von einem Workshop zu politischen Postern an der University of California in Berkeley, ca. 1970.