Der folgende Text entstand in Reaktion auf die Verletzung eines Heidelberger Genossen durch Polizist*innen bei den Protesten gegen den G20-Gipfel 2017 in Hamburg und die damit (für ihn) verbundenen Folgen. Sein nahes politisches Umfeld teilt hier seine Reflexionen und möchte dazu anregen, gemeinsam Strukturen für einen solidarischen Umgang mit körperlichen Verletzungen aufzubauen. In diesem Artikel wird Polizeigewalt geschildert.
]]>»Seit 1095 Tagen habe ich Kopfschmerzen. Am 7. Juli 2017 war ich bei der Aktion des zivilen Ungehorsams ›Block G20‹ in Hamburg dabei. Ziel der Aktion war es, den Ablauf des G20-Gipfels zu stören. Dafür versuchten wir, in die gesperrte Zone – damals die rote Zone genannt – vorzudringen, um dort die Fahrtwege der Gipfelteilnehmer*innen zu blockieren. Der Weg in die gesperrte Zone war kein kurzer und dauerte mehrere Stunden. Es glich einem Katz-und-Maus-Spiel. Immer wieder wurde die Gruppe von schlagfreudigen Einheiten der Polizei gestoppt. Jedes Mal erwischte es ein paar Wenige, Platzwunden an Köpfen und andere Verletzungen wurden in Kauf genommen. Jedes Mal setzte die Gruppe ihren Weg nach kurzer Pause fort in Richtung gesperrte Zone. Kurz vor Erreichen des Ziels erwischte es auch mich. Nach dem dumpfen Schlag auf meinen Kopf vernahm ich ein kurzes lautes Piepsen und schon stand ich blutüberströmt da. Ich blieb bei Bewusstsein und mir wurde schnell geholfen. Demosanis, Rettungswagen, Notaufnahme. Die Verletzung tat zu Beginn nicht sehr weh und so ging ich am nächsten Tag sogar noch zur Großdemo »Grenzenlose Solidarität statt G20«. Nach ein paar Tagen stellten sich bei mir dauerhafte Kopfschmerzen ein. Als diese auch nach mehreren Wochen noch da waren, begann ich, mir langsam Sorgen zu machen. Seither war ich bei vielen Ärzt*innen und Therapeut*innen. Eine Behandlung, die mir die Schmerzen nimmt, wurde bis heute nicht gefunden. Obwohl diese Schmerzen von einer Verletzung kommen, die auf einer politischen Aktion passierte, verlagerten sich die Folgen davon gänzlich in mein Privatleben. Die emotionale und finanzielle Belastung hatten außer mir vor allem enge Bezugspersonen aus Familie und Freundeskreis zu tragen. Aus meinem politischen Umfeld und meiner Bezugsgruppe bei den G20-Protesten kamen zunächst Mitleidsbekundungen, später wurde ich auch finanziell unterstützt. Diese Unterstützung musste ich vor allem zu Beginn oft persönlich einfordern. Die Krankenkasse wollte bald wissen, was in Hamburg passiert war. Abgesehen davon, dass klar war, dass die Kasse nichts von der Aktion erfahren durfte, wusste niemand genau, wie mit der Situation zu verfahren ist. Bei der Behandlung der Folgeschäden der Aktion war ich dem Gesundheitssystem ausgeliefert. Ich ging mit der Ursache meiner Verletzung in den Behandlungen offen um und erntete damit sehr unterschiedliche Reaktionen. Verständnis hatten dabei die Wenigsten. Ich bekam zudem immer wieder zu spüren, wie das Gesundheitssystem unter Verwertungsdruck steht und weniger die Gesundheit der Menschen im Blick hat, als vielmehr abrechenbare Fallpauschalen. Seit 1095 Tage habe ich Kopfschmerzen. Eine lange Zeit, die auch von Ohnmacht, Trauer und Wut geprägt war. Ohnmacht und Trauer verspüre ich, wenn die Schmerzen mich im Griff haben und ich merke, wie stark das meinen Alltag beeinflusst. Wut kommt hoch, wenn...
Der G20-Gipfel in Buenos Aires ist vorbei. Er hat gezeigt, dass die alte multilaterale Weltordnung zerbröselt, dass aktuelle politische Konfrontationen tonangebend sind und langfristige strategische Überlegungen überlagern. Trotz einer Angst- und Gewaltkampagne der Regierung Macri fanden Proteste gegen die G20 in vielen Teilen des Landes statt. Nach einem Ausblick auf das G20-Treffen und die Proteste vor wenigen Tagen, schließt unser Berliner Genosse seine Berichterstattung vor Ort mit einem Rückblick.
Ein erster Bericht vor Beginn des Gipfels ist hier nachzulesen.
»Gestern haben wir die Angst besiegt, die uns die Regierung aufzwingen wollte« twitterte das Protestbündnis »Confluencia Fuera G20 FMI« (Zusammanschluss G20 und IWF raus) am Tag nach dem zentralen Protestaktion in Buenos Aires am 1. Dezember. Mehr als 50.000 Menschen hatten an der Demonstration teilgenommen. Vorausgegangen war eine Kampagne der Gewalt und Angst von Seiten der Regierung. Das Bedrohungsszenario massiver Riots und terroristische Anschläge wurde ohne Unterlass heraufbeschworen. Der 30.11., ein Freitag und der Tag sowohl des Gipfelbeginns wie auch Datum der Protestaktion, wurde kurzer Hand zum Feiertag erklärt, die Einwohner dazu aufgefordert, »das lange Wochenende zu nutzen« und die Stadt zu verlassen. Protestverbotszonen wurde erlassen, der öffentliche Nahverkehr großflächig eingestellt. In der Woche zuvor wurden zwei Aktivisten der CTEP (Confederación de Trabajadores de la Economía Popular) – einer Gewerkschaft informell Beschäftigter – Rodolfo Orellana und Marcos Soria in der Provinz von Buenos Aires und in Córdoba bei direkten Aktionen von Sicherheistkräften getötet.
Riots und Anschläge blieben aus. Die linksgerichtete Tageszeitung Pagina 12 berichtete am folgenden Tag: »Keine Zwischenfälle aber einige Verhaftungen«. Insgesamt sei es zu 17 Festnahmen, der Beschlagnahmung von Flaggen und Transparenten und der Durchsuchung von Lautsprecherwagen gekommen. Dass die feministische Bewegung in Argentinien eine eindrucksvolle Stärke entwickelt hat, prägte auch die Protestaktion gegen G20 und IWF. Im Block des Protestbündnisses Confluencia dominierten die Farben dder Bewegung: grün und lila. Auf der Abschlusskundgebung vor dem Congreso Nacional (Parlament und Senat) hielt die Aktivistin und Mitbegründerin der Madres de Plaza de Mayo, Nora Cortiñas die Abschlussrede, in der sie die Angstkampagne der Regierung kritisierte. Die Madres sind eine Organisation argentinischer Frauen, deren Kinder während der Militärdiktatur 1976 - 1983 verschwanden. Sie ist mittlerweile zu einer der wichtigsten Menschenrechtsorganisationen des Landes geworden, die Madres zu unantastbaren moralischen Instanzen. Die Unterstützung durch die Madres verlieh dem Protest gegen G20 große Legitimität. Aber nicht nur in der Hauptstadt, auch in Provinzen in vielen Teilen des Landes, darunter Chacos, Corrientes, Misiones und in Rosario kam es zu Protestaktionen.
Ob es eine gemeinsame Abschlusserklärung des Gipfels geben würde, war lange Zeit unklar. Wenn der G20-Gipfel etwas deutlich gemacht hat, dann, dass es keinerlei, wenn auch noch so wackeligen und neoliberalen, Grundkonsens dieser Staatengruppe mehr gibt. Auch wenn in den Medien vom Club der »Populisten und Nationalisten« die Rede ist, die ein Verständigung unmöglich mache, ist klar, dass in der Handelspolitik, beim Klimaschutz und bei der Frage der Migration die aggressive Außenpolitik der USA den Multilateralismus aufgekündigt hat. Andere Staaten schalten als Reaktion...
]]>Kurz vor dem G20-Gipfel in Argentinien befindet sich das Land in einer tiefen politischen und sozialen Krise. Die Regierung Macri versucht mit Repression und einem Klima der Angst die Proteste gegen das Event zu demobilisieren. Parallelen zum Hamburger Gipfel 2017 drängen sich auf. Einer unserer Berliner Genoss*innen ist derzeit vor Ort und verschafft uns einen Einblick in die aktuelle Situation.
Die argentinische Wirtschaft befindet sich in der Rezession. Die Strom- und Gaspreise haben sich für die Bevölkerung im Vergleich zum vergangenen Jahr in etwa verdoppelt. Die Inflation hat im Jahr 2018 die 40%-Marke erreicht und zehrt die Kaufkraft der Bevölkerung auf. Das Risiko der Zahlungsunfähigkeit des Staates hat die Zinsen für argentinische Anleihen in die Höhe schießen lassen. Um der Zahlungsunfähigkeit zu entgehen, hat die Regierung Mauricio Macri beim Internationalen Währungsfonds (IWF) einen Kredit in Höhe von insgesamt 56 Milliarden US-Dollar aufgenommen, der in mehreren Tranchen bis ins Jahr 2021 ausgezahlt wird. Erste Zahlungen sind bereits geflossen. Im Gegenzug, wie könnte es anders sein, hat sich die Regierung zu einem Sparkurs verpflichtet, der bereits 2019 zu einem ausgeglichenen Primärhaushalt (Einnahmen minus Ausgaben exklusive Bedienung der Schulden) führen soll.
Die Staatsschuldenkrise Argentiniens soll also mit Milliardenkrediten und Austerität »gelöst« werden. Insofern ist das, was in Argentinien gerade passiert, in vielen Punkten vergleichbar mit der Krise der letzten Jahre in Griechenland. Das trifft auch auf die politische Krise des Systems zu. Bereits im Dezember vergangen Jahres wurde eine Renten- und Sozialkürzungsreform trotz heftigen Widerstands auf der Straße beschlossen. Es kam zu Massenentlassungen im öffentlichen Dienst. Und auch die Rückkehr des IWF nach Argentinien weckt Erinnerungen an die Zeiten des wirtschaftlichen und politischen Zusammenbruchs der Jahre 2001/2002. Für 2019 ist bereits die nächste »Rentenform« in Planung. Die Präsidentschaftswahlen sollen im Oktober 2019 stattfinden und die Ereignisse rund um den G20-Gipfel, von offizieller Seite wie auch diejenigen auf den Straßen, entwickeln sich derzeit zu einer Art Vorwahlkampf.
Die kritische Diskussion über die G20 und den IWF ist in Argentinien stark mit den Konzepten der abhängigen Entwicklung, des Neokolonialismus und Imperiums (den USA) verbunden. Auch die Diskussionen der Basisgewerkschaften, die sich über ihre Sicht auf die »Zukunft der Arbeit« (eines der Hauptthemen des kommenden Gipfels) im Vorfeld von G20 verständigen, kommen nicht ohne den ständigen Verweis auf deren neokolonialen Charakter aus. In der Gemengelage von Vorwahlkampf und ökonomischer Krise verbinden sich die antiimperalistisch geframten Proteste gegen den G20-Gipfel und die Rückkehr des IWF mit denjenigen gegen die Sparpolitik Macris.
Karte der von der »Sperrzone« betroffenen Stadtgebiete, veröffentlicht in der Clarín.
Vor Kurzem hat die Sicherheitsministerin Particia Bullrich, den Einwohner*innen der Stadt geraten, das lange Wochenende zu nutzen, um Urlaub zu machen und die Stadt zu verlassen. Das erinnert an die »Empfehlungen« von Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz und Innensenator Andy Grote, denen es vergangenes Jahr nicht zu dumm war, ähnliche Vorschläge zu machen. Allerdings fehlt den Deutschen wie so oft die Konsequenz. In Buenos Aires wurde der 30.11., der Tag des Gipfelbeginns und zugleich der geplanten...
]]>Verena hat als Besucherin am Prozess gegen den italienischen Genossen Fabio, der seit den G20-Protesten in Hamburg in Untersuchungshaft sitzt, teilgenommen. Eine eindrückliche Erfahrung, wie sie findet. Deshalb teilt sie hier ihren Erlebnisbericht mit uns.
Als ich vor dem Saal auf den Prozessbeginn warte und Fabio in Handschellen von Justizbeamten an mir vorbeigeführt wird, kommen zwei Gefühle in mir hoch. Erstens: enorme Wut. Da geht jemand gegen die Ungerechtigkeit in unserer Welt auf die Straße und dieses real bestehende Konstrukt von Staat hat die Macht, dies einfach zu unterbinden und mehr noch, dieses Verhalten als böse zu bewerten und einen Menschen völlig aus seinem Leben zu reißen. Und zweitens: Ein Gefühl von Stärke und Solidarität, weil viele Menschen zusammen gekommen sind, um Fabio zu unterstützen. Viele klatschen und rufen Fabios Namen. Es zeugt davon, dass wir nicht nur als Individuen zusammen hier stehen, sondern auch als Gemeinschaft.
Es ist einer der ersten Gerichtsprozesse, die ich mir anschaue. Ich bin überrascht, wie sehr diese Szenerie doch der SAT.1-Show »Richterin Barbara Salesch« ähnelt. Die Richterin ist jung und verunsichert. Manchmal tut sie mir sogar ein bisschen leid, aber sie ist nunmal freiwillig in den Staatsdienst gegangen. Die Staatsanwältin weiß um ihren Rückhalt durch Medien und Politik, beharrt auf ihren Forderungen, ohne jegliche Argumente zu liefern. Das Team aus zwei Verteidiger*innen überzeugt durch sicheres Auftreten und fundierte Argumentation. Aber zwecklos, wenn die von ihnen gestellten Anträge ohne Begründung zurückgewiesen werden. Ich balle meine Fäuste, das alles macht so sauer. Wo ist dieser Rechtsstaat mit seiner angeblich unabhängigen Justiz im ach so gelobten Deutschland, von dem alle reden?
Eigentlich ist es schon fast witzig, wie sich im Gerichtssaal gestritten wird, aber dann erinnere ich mich an das, was für Fabio auf dem Spiel steht. Er sieht jung aus, und zugleich stark. Er weiß, dass dies eine politische Justiz ist. Und so hält er eine kämpferische Rede, in der es um seine Motivation geht, nach Hamburg zu kommen. Wir alle klatschen, als er zu Ende geredet hat.
Die Aussagen der Zeug*innen sind teilweise widersprüchlich. Ein Polizeibeamter tritt mackerig auf, sitzt mit verschränkten Armen bei seiner Anhörung und gibt freche Antworten. Offenbar hat er ein Problem damit, dass ihm hier drei Frauen gegenüber sitzen und er mal nichts zu sagen hat. Insgesamt ist es fast zu banal, um wahr zu sein. Fabio soll noch nicht mal selbst eine Tathandlung vorgenommen haben.
Die ganze Verhandlung wirkt unprofessionell. Menschen, die ein zu großes Ego haben. Eine Richterin, die sich wahrscheinlich schon längst ein eigenes Bild über Fabio gebildet hat. Die auf eine Karriere hofft.
Und hier wird Fabios Zukunft verhandelt. Kaum zu glauben.
Vergessen wir nicht, was für ihn auf dem Spiel steht. Seien wir solidarisch!
Verena begleitet zur Zeit den Prozess gegen Fabio – und war im Juli wie viele andere gegen die G20 auf der Straße.
Bild: Poster von einem Workshop zu politischen Postern an der University of California in Berkeley, ca. 1970.
]]>Die Kritik am Riot vom Freitagabend in Hamburg erstreckt sich bis weit in die (radikale) Linke hinein. Thomas Seibert nimmt den Riot und seine Kritik zum Anlass, um über die Positionen der »Mehrheitslinken« und der »Minderheitslinken« nachzudenken – sowie darüber, welche Grenzen beide haben und wie sie den Riot für eine produktive Selbstkritik nutzen könnten.
Der folgende Text ist die Dokumentation eines Vortrages von Thomas Seibert auf der Veranstaltung »Was war da los in Hamburg? Riot. Theorie und Praxis der kollektiven Aktion«, die am 14.09.2017 in Frankfurt stattgefunden hat. Neben Thomas haben dort auch Karl-Heinz Dellwo und Achim Szepanski gesprochen. Die Beiträge aller drei Vortragenden lassen sich auf dem NON-Blog nachlesen bzw. bei Soundcloud nachhören.
Der Freitagabend in Hamburg wurde nicht nur von den politischen Eliten und ihrem Medienpersonal kritisiert, sondern auch von der Mehrheitslinken, die in diesem Fall von ihren parlamentarischen Parteien bis zu den Strömungen der radikalen Linken reicht, die sich auf Mehrheitspositionen ausrichten. Das Recht der mehrheitslinken Kritik ist schon im Namen angezeigt: Sie sammelt die Mehrheit der Linken, und sie sammelt die Linken, die sich strategisch und programmatisch auf die Mehrheit der Gesellschaft beziehen. Und tatsächlich sollte die Linke möglichst groß und möglichst stark sein, auch zahlenmäßig, und sie sollte sich strategisch und programmatisch auf die Mehrheit der Gesellschaft beziehen, weil die Veränderung dieser Gesellschaft nur dann die Selbstveränderung der Gesellschaft sein wird. Wozu eine Linke fähig ist, die sich gegen die Gesellschaft stellt und sich gegen die Gesellschaft durchsetzen will, davon haben wir im 20. Jahrhundert wirklich und ein für alle Mal genug gesehen.
Dies gilt umso mehr, seit wir alle davon ausgehen, dass der gesellschaftliche Zusammenhang sich eben nicht zuerst über Zwang reproduziert, sondern über Verhältnisse der Hegemonie, die immer auch solche des sittlichen bzw. gouvernementalen Zusammenhangs von Regierung der Gesellschaft und Selbstregierung der Einzelnen sind – alles in allem also wiederum Verhältnisse, in denen die Mehrheit, deshalb heißt sie so, den Ton angibt.
Dazu gehört und dem entspricht, dass Gesellschaftskritik stets immanente Kritik sein sollte, Kritik, die von innen ansetzt, die im Trend der gesellschaftlichen Entwicklung liegt – dort ansetzt, wo dieser Trend, wie gebrochen auch immer, von sich aus schon nach links weist. Andernfalls ist und bleibt Kritik »abstrakt«, und »abstrakt« ist das Schimpfwort, vor dem jeder und jede panisch auf der Flucht ist, das niemand auf sich sitzen lassen will: sei doch endlich mal »ganz konkret«, entwickele Deine Kritik immanent. All‘ das ist gegen die Freitagnacht und gegen den riot ins Feld geführt worden, und das zu Recht. Punkt.
Und trotzdem. So richtig sie ist: auch die mehrheitslinke Position hat wie jede Position ihren blinden Fleck. Sie sieht eben nicht, was sie nicht sieht und sie sieht nicht, dass sie überhaupt etwas nicht sieht. Will man das Nichtgesehene der mehrheitslinken (und damit natürlich auch der mehrheitsgesellschaftlichen) Kritik sichtbar zu machen, muss man drastisch werden – auch das bringen Mehrheitsverhältnisse so mit sich. Ich zitiere deshalb, im dialektischen Gegenzug, den berüchtigsten Satz André Bretons, niedergeschrieben...
]]>Seit dem Ende des Protestgeschehens sind in unserer G20-Debatte vor allem die Riots des Freitagabend kontrovers erörtert worden. Unser Aschaffenburger Genosse Tacko fragt sich, warum nicht die eigenen IL-Aktionen im Zentrum der Debatte stehen, und stellt zur Diskussion, wie die Mittel des massenhaften zivilen Ungehorsams wieder in eine klare politische Strategie eingebunden werden können.
Zwei Dinge haben mich an der bisherigen Auswertung von #NoG20 besonders überrascht. Zum einen die Empörung über das angeblich noch nie dagewesene Ausmaß von Gewalt, die weit bis ins linke Spektrum hinein zu vernehmen war, und zum anderen die innerlinke Debatte über die »Riots« und dass offenbar entfachte Interesse am Insurrektionalismus. Beides kann ich mir nur mit den meist handzahmen Protesten der vergangenen Jahre, gepaart mit einer allgemeinen Geschichtsvergessenheit erklären. Denn weder waren die Ausschreitungen in Hamburg einmalig, noch ist der Insurrektionalismus neu. Auch der mediale Shitstorm und die Hetze gegen alles Linke wurden nicht erst in Hamburg geboren. Sich dies selbst und anderen immer wieder bewusst zu machen, halte ich für ein Gebot der Stunde. Das lässt auch einen wesentlich entspannteren Umgang in der Bewertung der Ereignisse zu. In diesem Zusammenhang erscheint mir die These, dass unsere Verankerung im Alltag oder in Bündnissen beschädigt sei, etwas voreilig getroffen worden zu sein.
Wie weitreichend die Nachwehen, im Positiven wie im Negativen, sein werden, ist in Gänze noch nicht absehbar. Doch unbestreitbar ist, dass die gesamte Linke einiges zu verlieren hat. Unabhängig von etwaigen kommenden repressiven Maßnahmen sehe ich für uns selbst die Gefahr, an Profil zu verlieren. Dass sich unsere öffentliche Nachbereitungsdebatte, aber auch Gespräche und Online-Kommentare zum Großteil mit den Ausschreitungen beschäftigen, statt mehr die von uns direkt zu verantwortende Praxis in den Mittelpunkt zu stellen, ist vielleicht ein Hinweis darauf, dass wir unzufrieden mit dem Verlauf der eigenen Aktionen sind – beziehungsweise an deren zukünftigen Erfolgsaussichten zweifeln.
Zugegeben, die von uns mitgetragenen Aktionen des massenhaften zivilen Ungehorsams (MZU) haben in den letzten Jahren nicht immer ihr Maximalziel erreicht. Der Preis war oft hoch und in Sachen Beteiligung ist eine Stagnation festzustellen. Denn wirkliche Massen bekommen wir bei unseren Aktionen nicht auf die Straßen. Stattdessen findet sich immer wieder ein Sammelsurium von einigen wenigen tausend Aktivist*innen zusammen. Vor diesem Hintergrund finde ich die Frage, welche Lehren wir aus den Erfahrungen von Hamburg ziehen, aktuell drängender, als die Ausschreitungen nach soziologischen Kriterien und politischen Motivationen einzuordnen oder über insurrektionalistische Konzepte zu diskutieren.
Welchen Stellenwert haben Aktionen des massenhaften zivilen Ungehorsams für die IL?
Im Zwischenstandspapier haben wir formuliert: »Die Praxis der IL wird hauptsächlich mit Blockaden und anderen ungehorsamen Massenaktionen identifiziert. Aus unserer Sicht gibt es in der gegenwärtigen politischen Situation tatsächlich gute Gründe, häufig auf diese Aktionsformen zu setzen.«
Hat sich nach Hamburg an dieser Einschätzung etwas geändert?
Wenn Genoss*innen jetzt von »den möglicherweise kommenden Aufständen in den Banlieues von Hamburg, Frankfurt etc.« schreiben oder die Frage in den Raum werfen, dass es vielleicht »angesichts der gesellschaftlichen Situation eigentlich eine wesentlich militantere Praxis bräuchte, als sie vermittelbar erscheint«, kann ich das...
]]>Über den Protest gegen den G20-Gipfel in Hamburg wird derzeit überall viel geschrieben. Als allgemeine Stellungnahme zu den Ereignissen, verweisen wir auf die erste Stellungnahme der Interventionistischen Linken (http://interventionistische-linke.org/beitrag/die-rebellische-hoffnung-von-hamburg), in der wir organisiert sind. Wir wollen in diesem kurzen Beitrag eine Perspektive beleuchten, die sowohl in den bürgerlichen Medien, als auch in linken Diskussionsbeiträgen wenig Beachtung findet.
Die Unsichtbarkeit von Frauen
In vielen linken Kommentaren ist zutreffend die rauschartige Hetze kritisiert worden, der sich weite Teile der Medien- und Politiklandschaft derzeit hingeben. Die Spitze dieser mehr als kruden Kampagne stellen Wortmeldungen dar, die in reinstem Geschichtsrevisionismus 2017 zu 1933 und damit Supermärkte zu Synagogen erklären. Vor diesem Hintergrund geraten subtilere Formen der Meinungs- und Stimmungsmache leicht aus dem Blick. Wir wollen vor allem auf das Unsichtbarmachen von Frauen im Widerstand gegen den Gipfel hinweisen. Die Sprachregelung, es handele sich bei den »Chaoten« vor allem um junge Männer, findet sich fast überall. Wie die Fokussierung auf die Ereignisse des Freitagabends den Angriff auf »Welcome to Hell« am Donnerstag und den Mobilisierungserfolg der Großdemonstration am Samstag überdecken soll, soll auch der Anteil all der widerständigen Personen überdeckt werden, die nicht ins Bild der bürgerlichen Presse passen. Das nicht-Sichtbarwerden gilt in ähnlicher Weise für Transpersonen. Wir maßen uns nicht an, die Erfahrungen und Perspektiven von Transpersonen authentisch wiederzugeben. Deshalb und aufgrund unserer tatsächlichen Erfahrungen in Hamburg, sprechen wir im Weiteren von Frauen und freuen uns über Ergänzungen dieser Perspektive.
Offenbar passt es den Herrschenden und ihren Schergen noch immer nicht in ihr altbackenes Geschlechterbild, dass Frauen einen unersetzlichen Teil des Protestes darstellten und bei allen Aktions- und Widerstandsformen eine zentrale Rolle gespielt haben. Nur so sind Kommentare von Polizisten zu erklären, die erstaunt über viele festgenommene Frauen behaupteten: »Die Männer haben ihre (!) Frauen im Stich gelassen«.
Sexismus auf beiden Seiten der Barrikade?
In mehreren Texten zu den G20-Protesten gab es bereits eine Sexismus-Kritik. Bemerkenswert ist allerdings, dass sich diese Kritik vornehmlich am Sexismus der »unpolitischen« Männer am Freitagabend in der Schanze festmacht. Auch hier werden Frauen, die sich aktiv an militanten Auseinandersetzungen beteiligt haben, unsichtbar gemacht. Eine sich reflexhaft abschottende antisexistische Position gegenüber den Mackern von Freitagnacht reicht außerdem nicht aus. Eine Linke, die die Verhältnisse wirklich verändern will, kann nicht dabei stehen bleiben, den erlebten Sexismus zu kritisieren und sofort festzustellen, dass es mit diesen Personengruppen keine Zusammenarbeit geben kann. Wir müssen uns vielmehr fragen: Warum finden wir keine Wege mit Menschen zu sprechen, die unsere Wut auf die Verhältnisse und die Polizei teilen? Wer darauf wartet, dass Menschen unter den aktuellen Bedingungen von selbst links und antisexistisch werden, hat die Aufgaben politischer Organisation nicht verstanden. Politische Ausschlusskriterien aufzustellen reicht nicht. Wir müssen darüber reden, wie wir linke Werte und Ziele vermitteln und durchsetzen. Wenn wir kulturelle und politische Hegemonie nur in kleinbürgerlich-akademischen Milieus herstellen (wollen), sind wir Teil des Problems.
Das empörte Naserümpfen über den vermeintlichen Pöbel führt auf gefährliche Pfade. Es lässt vor allem eine Selbstkritik vermissen, die auch die radikale Linke stets üben muss. Auch wir sind in...
]]>Nach Hamburg wird viel über die Konsequenzen diskutiert – über kommende Proteste im urbanen Raum, über Repression, die Aufarbeitung der Gewalt und Rechtsbrüche gegen uns, über den Verbleib unserer Genoss*innen, die im Knast sitzen, aber auch über die Frage, wie weit Gipfelproteste tragen, wie sie eine Dynamik entfalten können, die weiter trägt und sich verstetigt. Dabei wird auch über mögliche negative Folgen gestritten, über die Frage von Bündnissen, der Vermittelbarkeit und Attraktivität solcher Momente der Unterbrechung. Immer wieder begegnet uns dabei der Begriff der Alltagskämpfe, so wie auch im Artikel »Es braucht mehr als ein Nein«. Doch was für ein Begriff von Alltag ist das? Ein kritischer Kommentar, der dafür wirbt, sich weiterhin ins Handgemenge zu stürzen, keine Angst vor einer Minderheitenposition zu haben, nach neuen Verbündeten Ausschau zu halten und sich auf die Seite derer zu schlagen, die die kommenden Aufstände tragen werden.
Welches Verständnis von Alltagskämpfen?
Die vermeintlich negativen Auswirkungen von Hamburg, die Selbstisolation der radikalen Linken, die Beschädigung der Alltagsverankerung, die Inhaltsleere, der Verlust von Bündnisfähigkeit, ja sogar die Stärkung der Rechten als Partei der Ordnung durch unsere Aktionen werden im Beitrag »Es braucht mehr als ein Nein« beklagt. Als Kontrastfolie werden sogenannte Alltagskämpfe herangezogen. Doch was für ein, ja fast heiliger Begriff von Alltag ist das? Das darin liegende postautonome Ideal der Beschreibung einer radikalen Linken, die gesellschaftlich nicht marginalisiert und bündnisfähig ist, die im Alltag verankert ist, die dem historisch in der BRD zutiefst verankerten Antikommunismus durch ihre Aktionsformen etwas entgegenzusetzen hätte, macht uns in seiner unhistorischen Setzung und letztlichen Abstraktheit zutiefst nachdenklich (lesenswert dazu auch der Blogartikel: »Zurück in die Zukunft«). Die Grundannahmen, die für die Autor*innen des genannten Artikels eine »Katerstimmung« begründen, halten wir aus verschiedenen Gründen für problematisch.
Nehmen wir zum Beispiel die Formulierung von der »Selbstisolation der radikalen Linken«. Zunächst einmal waren revolutionäre Bewegungen historisch gesehen von Spartacus über die Militanten der Bauernkriege, die Commune bis hin zu den Bolschewiki immer Minderheitenbewegungen – die zu einem bestimmten historischen Punkt, in dem einen oder anderen, aber nicht in jedem, sogar eher im selteneren Fall, eine »Revolution« in Gang setzten, gegebenenfalls anführen konnten. Und in der Geschichte der radikalen Linken, insbesondere in ihrem letzten »Ereignis« von 1968 gab es wohl Diskussionen, aber keinen ehernen Widerspruch zwischen nicht-mehrheitsfähigen Aktionsformen und der Hoffnung auf gesamtgesellschaftliche, emanzipative Resonanzen darauf.
Für einige von uns scheint der Alltag aus Kommunikation und Auseinandersetzung mit Eltern, Nachbarn und Medien zu bestehen oder dem (oft hoch mythologisierten) Einsatz in KITA-Kämpfen etc. Wenn das aber der »Alltag« ist, was ist dann die Arbeit in der politischen Gruppe, das Engagement auf der VV, die Vorbereitung von Demos, Aktionen etc., die doch immer auch andere einladen sollen, sich zu organisieren, Veränderung zu gestalten ...? Das »revolutionäre« Subjekt, das einer derartig konstruierten Dichotomie entspricht, ist eines, dem die eigene Subjektivität geradezu antagonistisch und unversöhnlich gegenübersteht: Hier die fast als bedeutungslos markierte Arbeit in der Politgruppe, dort die Intervention in den Alltag – der anderen?
Geisterbeschwörung
Ja, es sind immer (auch) die anderen, die...
]]>Mit »Es braucht mehr als ein Nein« haben Genoss*innen aus Berlin die Diskussion um die strategischen Schlussfolgerungen für postautonome Politik nach G20 eröffnet. David Doell tritt noch einmal einen Schritt zurück und versucht die Ereignisse von Hamburg anders zu deuten, dabei den Aufstand in seinem Kontext zu erschließen und die heterogenen Akteur*innen in den Blick zu bekommen. Seine These lautet, dass sich in Hamburg ein Antagonsismus von unten gezeigt hat, der aber vielleicht nicht nur und auch nicht wesentlich von traditionellen linken Akteur*innen getragen wurde.
Wake-Up-Call
Für den 20. Juli, zwei Wochen nach der W2Hell-Demonstration, hatte die Rote Flora zu einer außerordentlichen Stadtteilversammlung in St. Pauli eingeladen. Nach dem medialem »Ausnahmezustand«, hysterischer Gewalterzählungen und antilinken Ressentiments schien die Situation ungewiss – auch für Teile der radikalen Linke, bei denen sich ein Gefühl des Aufbruchs der Protesttage mit der Katerstimmung der Berichterstattung und der drohenden Repression verbindet.
Es kommen dann mehr als 1.000 Menschen. Die von außen herbeigeredete Spaltungslinie blieb relativ wirkungslos, die Flora wird in keiner Form in Frage gestellt, die Vielfältigkeit der Proteste trotz teilweise deutlicher Kritik am Freitagabend positiv hervorgehoben. Eine Anwohnerin spricht von einem Feuer direkt vor ihrem Haus, von der Angst, die sie und ihre Nachbar*innen gespürt haben und dem stillen Wunsch, ein Wasserwerfer möge das Feuer löschen. Um dann mit dem fragenden Vorschlag zu schließen, ob sich darauf geeinigt werden kann, Barrikaden in engeren Straßen direkt an Wohnhäusern nicht anzuzünden?!
Für mich ist dieser Vorschlag als Zeichen der solidarischen Kritik beispielhaft ein Ausdruck davon, dass sich in Hamburg etwas bewegt (hat). In der solidarischen Kritik (wo Wut auf die radikale Linke verständlich und eine Distanzierung wahrscheinlich wäre) zeigt sich an, dass »Hamburg« über ein Protest-Event hinaus neue Praxen, neue Verbindungen und neue Arten des Sprechens hervorbringen kann. Seit Hamburg stelle ich mir die Frage, warum Partytourist*innen Läden plündern, Jugendliche sich massenhaft Straßenschlachten mit der Polizei liefern und Anwohner*innen dennoch mit den Protesten sympathisieren? Diese Fragen mögen an sich leicht zu beantworten sein, aber eine Situation, in der die Rote Flora Angst vor den Reaktionen der Menschen hat und Menschen, die selbst Angst vor den Straßenschlachten hatten, zu einer Klarheit über den Einsatz von Barrikaden kommen, ist vielleicht doch anders als gedacht.
Auch wenn es auf der medialen Makro-Ebene am Freitagabend einen Bruch gab und die Berichterstattung über »Gewalt« und »Linksextreme« alles andere zu überlagern schien, zirkuliert untergründig doch eine andere Wahrheit der Geschehnisse. Ich kann im Folgenden keine objektive Analyse dieser gegenhegemonialen Wahrheit anbieten, sondern nur von Schlaglichtern ausgehend einige spekulative Thesen aufstellen. Zunächst werde ich kurz auf den herrschenden Diskurs eingehen, der bis ins Lager der (Partei-)Linken eine homogene Riot-Akteur*in konstruiert und depolitisierend diffamiert. Demgegenüber gilt es, die heterogenen Akteur*innen und Aktionsformen des Riots im engeren Sinn herausstellen und darüber hinaus den Riot als nur eine Form der Artikulation des aufständigen Hamburgs zu deuten. Die Auseinandersetzung mit dem Post-Insurrektionalismus des Unsichtbaren Komitees kann dabei helfen, die Qualität des Aufstands nicht in der Anzahl der eingeschmissenen Fensterscheiben zu bemessen, sondern in den materiellen und diskursiven...
]]>Die ganz große Aufregung hat sich gelegt, doch die Debatte über die Ereignisse der G20-Proteste in Hamburg geht weiter – auch in der Interventionistischen Linken. Wie viel wurde durch die Proteste erreicht? Wie ist die politische Debatte im Nachhinein zu bewerten? Welche Effekte hat Hamburg auf andere linke Projekte? Der folgende Beitrag einiger IL-Aktivist*innen zieht hier eine negative Bilanz: Die gesellschaftliche Position der radikalen Linken habe sich durch die Proteste nicht verbessert, sondern verschlechtert, so die These – und zwar nicht nur durch die vieldiskutierten Ausschreitungen.
Die G20-Proteste und die Selbstisolation der radikalen Linken
Linksextremistendatei, Schließung autonomer Zentren, Fußfesseln: Nach den Krawallen in Hamburg überbieten sich „Sicherheitspolitiker“ aller Parteien mit Forderungen gegen die radikale Linke. Nun lässt sich darüber streiten, ob diese Debatte wirklich bedrohlicher scheint als Sicherheitsdiskurse nach vergangenen Ausschreitungen – einige erfahrene Genoss*innen tendieren hier durchaus zu einem „Ja“. Auch wenn diese Frage im Moment noch nicht beantwortet werden kann, ist eines schon jetzt klar: Die gesellschaftliche Position der radikalen Linken hat sich mit Hamburg nicht verbessert, sondern verschlechtert – und das hat nicht nur etwas mit den Krawallen zu tun.
Vorab: Wir denken nicht, dass in den Protesten zu G20 keine Chance gelegen hätte, aber wir sind überzeugt, dass diese Chance nicht genutzt wurde. Und wir glauben, dass der G20-Beitrag der IL seinen Anteil daran hatte: sowohl an den verpassten Chancen als auch der Unfähigkeit, die Situation nach den Ausschreitungen zugunsten der radikalen Linken zu wenden. Diese Feststellung soll nicht die Arbeit der vielen Genoss*innen aus der IL und anderen Organisationen entwerten, die Herzblut und Energie in den Gipfelprotest gesteckt haben. Von dieser Arbeit lebt die radikale Linke und es ist uns wichtig, dass unsere Energie nicht verpufft, sondern die Welt verändert. Unsere Kritik will linke Organisierungsarbeit ernst nehmen. Sie ist daher ein Statement gegen einen Zweckoptimismus, bei dem im Interesse kurzfristiger Erfolgsmeldungen unsere Projekte nicht ausgewertet und eigene Fehler zu wenig reflektiert werden. Vor dem G20-Gipfel ist es in der IL nicht gut genug gelungen, eine tatsächliche politische Verständigung über dieses Projekt und die dahinter stehenden Fragen zu organisieren. Versuchen wir es wenigstens jetzt.
Sieben Gründe für Katerstimmung – und für eine ernsthafte, selbstkritische Diskussion
1) Wo waren die Inhalte?
Schon vor über einem Jahr war klar: Die Mobilisierung zu G20 ist gesetzt. Dass »Hamburg groß wird« war in aller Munde – ebenso, dass die IL dort nicht fehlen darf. Trotzdem kamen sie, die guten Hinweise: Wir brauchen einen inhaltlichen Aufhänger, der verständlich ist, wir müssen uns auseinandersetzen mit dem, was konkret bei diesem Gipfel passieren soll, mit der weltpolitischen Gemengelage und der Art, wie sie rund um G20 verhandelt werden wird. Dazu gab es in der IL auch immer wieder Versuche und Beiträge, die wir nicht klein reden wollen, so etwa die Veranstaltung in Berlin zur G20-Afrikakonferenz. Nach außen waren diese Inhalte jedoch wenig sichtbar, vor allem ergaben sie kein großes Ganzes, das für eine Kampagne getaugt hätte.
Bei Blockupy 2015 war das noch anders. Hier gab es ebenfalls Ausschreitungen, dennoch war die Austeritäts- und...
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