Patriarchale Gewalt als geteilte Erfahrung?


Über die Politisierung von Femi(ni)ziden und den Aufbau feministischer Allianzen

Mit dem Ziel keinen Femi(ni)zid mehr unbeantwortet zu lassen, begann die feministische Bewegung »Claim the Space« in Wien ihre Politisierungsarbeit. Seit zwei Jahren treffen sie sich nach jedem Femi(ni)zid am ehemaligen Karlsplatz zu einer Kundgebung oder Demonstration. Für das Interview sprachen wir mit Frana von der AG Feministischer Streik.

Wie kam es dazu, dass ihr in Wien mit der Politisierung von Femi(ni)ziden begonnen habt? Gab es einen Auslöser?

In der österreichischen Linken waren Femi(ni)zide das erste Mal Anfang 2019 mehr Thema. Damals gab es eine Reihe Femi(ni)zide, die medial eine große Aufmerksamkeit bekommen haben. Zu dem Zeitpunkt war es vor allem die Identitäre Bewegung, die die Morde bei einem Gedenkmarsch in Wien aufgegriffen und rassistisch instrumentalisiert haben. Und auch konservative Politiker*innen ließen im Zuge dieser Debatte häufig verlautbaren, das Patriarchat sei importiert und Frauenmorde seien kein österreichisches Problem. Dieses Narrativ kennen wir alle, für uns war es damals aber das erste Mal seit der Kölner Silvesternacht 2015, dass sexualisierte Gewalt auf eine dermaßen rassistische Weise diskutiert wurde. Damals gab es den ersten Versuch von autonomen Feminist\innen, das Thema öffentlich aufzugreifen. Als wir 2020 erneut begannen zu Femi(ni)ziden zu arbeiten, stand am Anfang aber vielmehr der Fokus auf die Zusammenarbeit mit Ni Una Menos Austria und lateinamerikanischen Gruppen. Da ging es darum, ein globales Phänomen zu beschreiben, das wir auch hier in Österreich verstehen wollten.

In welchen Situationen geschehen Femi(ni)zide? Was sind die strukturellen Bedingungen einer solchen Form der Gewaltausübungen gegenüber FLINTA (Frauen, Lesben, intersexuelle, nonbinäre, trans sowie agender-Personen: Anm. d. Redaktion)?

Natürlich gibt es viele Gründe dafür, dass Femi(ni)zide verübt werden. Auch wenn es eine wachsende wissenschaftliche und juridische Auseinandersetzung mit dem Thema gibt, bleiben die Taten trotzdem meist recht individualisiert und die Täter*innen werden oft pathologisiert. Dass Femi(ni)zide mehr als nur Frauen betrifft, kommt nicht einmal im bürgerlichen Feuilleton an. Die strukturelle Komponente - also die Frage danach in welchen Abhängigkeiten FLINTA im Kapitalismus stecken - versuchen wir mit unseren Aktionen zu politisieren.

Ein erster Schritt ist für uns dabei überhaupt erstmal zu verstehen, wie verschiedene Femi(ni)zide zusammenhängen und welche Strukturen dabei jeweils wirken. Mit jedem Femi(ni)zid werden neue Fragen aufgeworfen. Es ist weniger so, dass wir die Kritik schon immer im Vorhinein haben und sie dann auf die Straße tragen, sondern wir müssen jedes Mal neu überlegen, was überhaupt die geschlechtsspezifische Komponente der Gewalt ist oder wie man den Fall politisieren kann und wie man möglichst viele patriarchale Gewaltformen miteinbeziehen kann, ohne dass es total losgelöst von den jeweiligen Subjektpositionen ist.

Gibt es Elemente und Motive, die ihr in den meisten Fällen wiederfindet? Und an welchen Punkten wart ihr überrascht und habt eure Analyse noch einmal verändern müssen?

Ausgangspunkt unserer Analysen ist eine feministische Kapitalismuskritik: Das bedeutet die Sphärentrennung in 'privat' und 'öffentlich' infrage zu stellen und Arbeitsbedingungen und Abhängigkeiten zu thematisieren. Ein Großteil der Gewalt an FLINTA geschieht im Privaten. Die bürgerliche Familie, die oft als rein und harmonisch imaginiert wird, stellt für sie den gefährlichsten Ort dar. In Österreich gibt es eine massive Verherrlichung der Kleinfamilie, die noch mal deutlich vehementer ist als in Deutschland.

Diese Idealisierung gab es aber schon immer, oder? Nur wird sie unter konservativer Führung verstärkt betrieben.

Femi(ni)zide gab es auch schon immer. Ich glaube es wäre eine fehlgeleitete Analyse zu denken, ein Femi(ni)zid wäre schlichtweg eine Reaktion auf Emanzipation einzelner Frauen oder feministischer Bewegungen. Es ist gefährlich nur davon auszugehen, Femi(ni)zide seien strategischer Antifeminismus. Wir müssen begreifen, inwiefern es dieser Gewalt bedarf und was ihre Funktion ist.

Wenn wir uns die konkreten Fälle anschauen, werfen wir diese Analyse nicht über Board, denn die meisten Femi(ni)zide passieren tatsächlich im häuslichen Bereich und die Täter sind oft Partner oder Ex-Partner. Doch oft ist es nicht so schematisch und Ambivalenzen und Gleichzeitigkeiten werden deutlich: Vor einiger Zeit gab es beispielsweise einen doppelten Femi(ni)zid an zwei somalischen Frauen, von denen eine Aktivistin war und die andere darin unterstützt hat, sich von ihrem Typen zu trennen. Dieser ermordete daraufhin beide Frauen. Hier sehen wir natürlich eine ganz andere Dynamik: Die antifeministische Haltung war vermutlich ausschlaggebend für den Femi(ni)zid, eine Kränkung darüber, dass das Gegenüber sich aus einer Gewaltbeziehung lösen wollte. Wenn Sexarbeiter*innen und Transpersonen ermordet werden, passieren diese Morde fast immer auf der Straße und nicht im Zuhause. Aktuell haben wir es mit einem Fall zu tun, bei dem wir noch nicht sicher sind, ob wir ihn als Femi(ni)zid politisieren. Folgendes ist passiert: Eine Frau hat eine andere Frau ermordet, weil sie um einen Mann konkurriert haben. Die Täterin ist hier eine Frau, doch dem Mord liegt eine patriarchale Logik zugrunde, denn es geht um Konkurrenz und um Abhängigkeit. Ich glaube das Potenzial von dem Begriff liegt darin, sich diese Dynamiken und Logiken genauer anzuschauen und sich dabei zu fragen, was das vielleicht auch mit einem selbst zu tun hat. Was heißt das für unser Nachdenken über Gewalt, aber auch über die Gesellschaft? Formell-politisch wird der Begriff Femi(ni)zid häufig identitär-kategorisch und wie eine Schablone benutzt – das ist zu einfach und kann auch Gewaltverhältnisse reproduzieren.

Wir schätzen den Femi(ni)zidbegriff dennoch, weil es mit ihm gelingt, unterschiedliche Erfahrungen sichtbar zu machen, anstatt sie zu homogenisieren. Wir alle erleben nicht die gleiche Gewalt, und doch ist es möglich, Verbindungen zu knüpfen und zu verstehen, was ich mit deiner Erfahrung zu tun habe. Einzelne Begriffe, wie Intimizid oder Transfemi(ni)zid machen nochmal die unterschiedlichen Erfahrungen greifbar, aber für den Femi(ni)zid als Kampfbegriff ist es total wichtig, auch ein verbindender Begriff zu sein.

Welchen Herausforderungen begegnet ihr in eurer Arbeit?

Eine Schwierigkeit ist, dass wir zwar Erfahrungen verbinden, aber nicht betroffenenzentriert arbeiten können, weil wir die Betroffenen nicht kennen. Wir lesen von ihnen in den Medien - einer Institution, die total patriarchal und maskulinistisch funktioniert. Manchmal denke ich: Vielleicht haben wir jetzt einen Femi(ni)zid politisiert von einer Person, die das womöglich nicht wollte!? Das ist ein Spannungsfeld, wenn wir als Bewegung offen sein wollen, aber dabei auf Institutionen wie die Polizei angewiesen sind. Das ist herausfordernd, aber schafft auch die Möglichkeit, sich von den konkreten Taten wieder zu entfernen und über das Gedenken hinausgehen. Nämlich, indem wir Strukturen thematisieren, die mit dem Fall nicht direkt etwas zu tun haben.

Wir stellen fest, dass Femi(ni)zide eine immer größere gesellschaftliche Aufmerksamkeit erfahren. Spürt ihr das auch in euren Mobilisierungen?

Die Vernetzungs- und Politisierungsarbeit funktioniert ziemlich gut. Es entstehen neue Beziehungen und Allianzen, z.B. auch mit den lateinamerikanischen Genoss*innen. Am Anfang waren wir super vorsichtig, weil wir ja nicht einfach irgendwelche Praxen, etwa von Ni Una Menos, übernehmen wollen. Jetzt hat sich Vertrauen aufgebaut, nicht zuletzt über solidarische Streitgespräche. Claim the Space hat sich durch die Kundgebungen und offenen Treffen zu einer Art Forum entwickelt, wo sich Feminist*innen politisieren können und wo neue Protestformen entwickelt werden. Es geht nun nicht mehr nur um die Politisierung von Femi(ni)ziden, sondern auch die Themen Sorgearbeit und Abtreibung geraten mehr in den Blick. Vieles kommt nun am Karlsplatz zusammen. Am vergangenen 8. März gab es sowohl betriebliche Streikaktionen, als auch 24-Stundenbetreuung. Damit wurden Verbindungen zur Frage der Gewalt in Sorgebeziehungen hergestellt.

Und auf einer gesellschaftlichen Ebene hat es auch funktioniert, politischen Druck aufzubauen. Wir waren an die 50 Mal auf der Straße und wir bekommen oft gespiegelt, dass Institutionen aus dem Gewaltschutz, wie z.B. die Frauenhäuser, merken, dass es Druck von der Straße gibt. Sie haben dadurch eine andere Verhandlungspositionen. Leider gibt es sehr wenig Berichterstattung über unsere Bewegung. Und das ist insofern irritierend, da es beim Thema Femi(ni)zide definitiv eine gesteigerte Aufmerksamkeit gibt. Ich persönlich finde das nicht so schlimm. Für mich steht die Vernetzung und der Aufbau von Beziehungen im Vordergrund. Claim the Space ist aber auch vielstimmig, so sind auch diese institutionelleren Kämpfe für einige wichtig.

Natürlich sind die Abschaffung patriarchaler Gewalt und kapitalistischer Ausbeutung der Horizont. Stellt ihr jenseits dessen konkrete Forderungen oder richtet ihr euch in keinem Fall an den Staat? Und was wären deiner Meinung nach Dinge, die sich ganz konkret erstmal ändern müssen, um Femi(ni)zide zu verhindern?

Es gibt bei Claim the Space Gruppen mit sehr unterschiedlichen Zugängen, auch wenn wir alle autonome Feminist*innen sind. Einige haben aber auch Forderungen, wie zB das bedingungslose Grundeinkommen oder einen von Aufenthaltstiteln unabhängigen Gewaltschutz. Als Bündnis sind wir uns einig, dass wir nicht an den Staat appellieren, auch wenn uns bewusst ist, dass der Staat beim Thema Gewaltschutz eine ambivalente Rolle spielt und eine Nichtwahrnehmung seiner Zuständigkeit dazu führt, dass die Gewalt noch weiter ins Private zu verlagert wird. Wir versuchen immer fallbezogen darauf hinzuweisen, dass der Staat als Akteur Institutionen umfasst, die rassistisch segregieren und patriarchale Gewalt hervorbringen und auch definiert, was Gewalt ist. Wenn es um konkrete Schritte geht, würde ich vor allem aber die Netzwerk- und Beziehungsarbeit in den Vordergrund stellen. Gerade die Auseinandersetzung damit, wie Femi(ni)zide überhaupt geschehen, was sie mit mir zu tun haben, ist zentral: Die Gewalt, die ich erlebt habe, ist keine Erfahrung, die ich alleine erlebe. Für diesen Prozess ist es wichtig, Räume zu schaffen, um sich darüber auszutauschen und zu verstehen, dass wir einerseits ähnliche und verbindende Erfahrungen machen, andererseits aber beispielsweise migrantisierte Frauen Hürden zu bewältigen haben, die für mich gar keine Rolle spielen. Sich auf diese Weise in Beziehung zu setzen, ist für uns eine Art Zwischenziel.

In Deutschland stellen wir immer wieder fest, dass es in Hinblick auf Femi(ni)zide eine starke Kritik an medialen Diskursen (Stichwort »Eifersuchtsdrama« und »Ehrenmorde«) und eine ausgeprägte Debatte um den Umgang mit Femi(ni)ziden auf rechtlicher Ebene gibt. Beides - medialer Diskurs und Recht - sind wichtig, aber spielen nach dem begangenen Femi(ni)zid erst eine Rolle. Darüber, wie wir die Gesellschaft so verändern können, dass Femi(ni)zide nicht mehr oder weniger geschehen, ist kaum Thema. Wie siehst du das? Was wären Ansatzpunkte davor, diese Gewalt zu verhindern?

In feministischen Diskursen ging es zuerst viel um rassistische Instrumentalisierung. Und diese rassistische Instrumentalisierung, die auch von vielen gesellschaftlichen Akteur*innen (mit)getragen wird, ist definitiv ein Thema. Wir stellen uns in der Diskussion unserer Forderung die Frage, wie wir nicht gewisse Rassismen reproduzieren. Das nimmt viel Stellenwert ein. Konkret braucht es aber definitiv ein anderes Bildungssystem, andere Institutionen, in denen Kinder und Jugendliche aber auch wir alle anders über Sexualität und Geschlecht lernen. Die Frage, wie Femi(ni)zide dokumentiert werden, ist auch wichtig. So haben Feminist*innen erst damit angefangen, das Geschlecht der ermordeten Person niederzuschreiben. Die Anerkennung der vergeschlechtlichten Dimension des Mordes musste also erstmal erkämpft werden. Und oft wird so getan, als hätten diese Morde nichts mit den materiellen Verhältnissen zu tun. Das ist ein riesiges Problem! Wir müssen ökonomische Abhängigkeiten reduzieren, damit FLINTA sich aus gewaltvollen Beziehungen schneller lösen können. Das wäre aber auch schon eine halbe Revolution, wenn FLINTAs keine unbezahlte Sorgearbeit leisten müssten oder nur genau so viel wie Männer. Und in Lateinamerika beispielsweise werden aktuell stärker juristische Debatten geführt.

Auch in Deutschland wird nun offener von Femi(ni)ziden gesprochen.

Das ist ein Erfolg! Wir müssen aber auch aufpassen, dabei nicht identitären Vereinfachungen zu verfallen.

Wie meinst du das?

Dem Sprechen über Femi(ni)zide ist immanent, dass externalisiert wird. Opfer oder Täter sind immer die Anderen. Oft greift dabei die Logik von Rassismus oder Klassismus. Aber auch wenn Freund*innen oder Feminist*innen sagen, ihnen passiere das nicht, weil sie in stabilen Beziehungen oder Feminist*innen sind, zeugt das von einer solchen Logik. Diese Externalisierung hilft zum einen, sich vor der Fülle an Gewalt zu schützen. Zum anderen sorgt sie dafür, dass Männer sich nicht mit ihren Taten oder Machtansprüchen auseinandersetzen. Bei vielen FLINTA führt es dazu, dass es schwerer fällt und schamvoller ist, sich über eigenen Erlebnisse auszutauschen. Diese Logik wirkt also auch in uns. Auch in uns als Linke. Eigentlich steckt wirklich viel hinter dem Konzept Femi(ni)zid. Doch in der Presse wird ein Femi(ni)zid bloß als der Mord eines Mannes an einer Frau aufgrund ihres Frau-Seins bezeichnet.

Wenn überhaupt...

Da bleibt oft bloß wenig vom Feminizidbegriff übrig. Keine Spur mehr von der Frage, was Frau-Sein und Mann-Sein eigentlich bedeutet. Oder von der Frage, wen dies noch betreffen könnte. Daher müssen wir diesen identitären Vereinfachungen begegnen.

Wir spüren die Herausforderung, Femi(ni)zide und eigene patriarchale Gewalterfahrungen im richtigen Verhältnis zu adressieren, ohne solch unterschiedlichen Erfahrungen gleichzusetzen. Dasselbe merken wir auch im Vergleich von unserem europäischen Kontext mit dem lateinamerikanischen. Da stehen wir an völlig anderen Punkten - sowohl was das Ausmaß der Gewalt, als auch die feministischen Bewegungen anbetrifft.

Ja, sicher eine gefährliche Relativierung. Viel aus Lateinamerika und der Femi(ni)zid-Politisierung dort erfahren wir hier von Feminist*innen in der Diaspora, mit denen wir gemeinsam kämpfen. Viele Spaltungen und Kämpfe der hiesigen Linken findet man dort aber auch vor, erzählen sie. Feminismus und der Kampf gegen Femi(ni)zide ist mehr als der Appell für juridische oder staatliche Anerkennung. Diesem Appell sollten wir nicht einfach folgen. Gleichzeitig sind das natürlich zentrale Forderungen beispielsweise für Frauenhäuser. Was wir versuchen, ist, den Frauenhäusern und Einrichtungen keine Absage zu erteilen oder Vorwürfe gegen ihre Praxis zu richten. Anders als vor ein paar Jahren, wo radikale Linke den Gewaltschutzeinrichtungen auch mal vorgeworfen haben, dass sie nur an den Staat appellieren oder sogar noch das System stützen. Man kennt das ja auch aus Rassismusdebatten. Was für eine überhebliche Position! Sie geht an der konkreten Realität vorbei, an der konkreten Gewalt – es braucht besseren, auch staatlichen Gewaltschutz, jetzt! Zumal Einzelpersonen aus den Gewaltschutzinstitutionen auch immer wieder zu unseren Kundgebungen kommen oder auch dazu aufrufen. Wir wissen natürlich auch, dass sie sich als staatlich finanzierte Einrichtungen nicht an einem autonomen Bündnis wie unserem offen und als Institution beteiligen können ohne Probleme zu kriegen.

Es ist insgesamt sehr spannend, was du berichtest. Einiges ähnelt sich, einiges unterscheidet sich aber auch von unseren Erfahrungen in Deutschland. Die Politisierung scheint euch gut zu gelingen, dadurch dass ihr kontinuierlich zu Femi(ni)ziden arbeitet, Kundgebungen organisiert und so auch ansprechbar seid. Eure Kundgebungen sind also auch eine politische Aussage: Geschieht ein Femi(ni)zid, gehen wir in Wien auf die Straße! Das ist bemerkenswert.

Ja. Wir müssen Femi(ni)zide fortlaufend begleiten und auf sie aufmerksam machen. Wir schaffen damit ein Gegennarrativ zur öffentlichen Berichterstattung unter dem Kriterium der Aufmerksamkeitsökonomie: Jeder Femi(ni)zid ist gleich schlimm. Es schafft manchmal auch eine starke Atmosphäre, wenn wir abends - gerade im Winter und im Dunkeln - mit unseren Körper auf der Straße sind und zum Ende jeder Kundgebung laut schreien: »Man tötet nicht aus Liebe, stoppt Femizide!« Unsere Kundgebungen waren vor allem auch während des Lockdowns auch ein Ort für die Menschen, um zusammenzukommen. Auch wenn der Anlass dieser Zusammenkünfte kein freudiger war. Eine Compañera hat mir berichtet, wie gut es sich für sie anfühlte, dass man sich maskiert und quasi anonym begegnete. Dennoch waren wir aber miteinander vor Ort und kämpften für die gleiche Sache. Und schrien miteinander.

Ist das auch eine Möglichkeit, einen Umgang mit solch schlimmen Taten zu finden?

Ja, total. Es ist aber auch sehr unterschiedlich. Mal ist es sehr schwer, mal fühlt es sich an wie Alltag. Mal bist du aber auch so in der Rolle der Organisation, dass die Trauer nicht hochkommt. Oft ist es aber auch eine wichtige Strategie, mit der Alltäglichkeit dieser Gewalt umzugehen!

Danke für deine Zeit.

Frana ist Teil der AG Feministischer Streik, einer linksradikalen feministischen Gruppe in Wien, und in der Bewegung Claim the Space aktiv, die zur Politisierung von Femi(ni)ziden arbeitet. Hier geht es zur Website von Claim the Space.

Bild: Performance am 8. März 2020 am Karlsplatz in Wien, AG Feministischer Streik