In der Zukunft vereint

Ist die deutschsprachige Linke tatsächlich so schlecht dran? Ist sie nur noch eine Spielfigur des Widerstands? Unser Genosse Torben aus Hannover sieht in den aktuellen Kämpfen durchaus Potential und ist dagegen, im Findungsprozess einer »neuen Linken« vor allem Ausschlüsse zu produzieren. Lieber sollten wir uns auf zentrale Forderungen einigen, in denen sich alte, neue und »neue alte« Linke wiederfinden können. Sein Angebot: Frieden. Gleichheit. Solidarität!

Ich begrüße den #OurFuture-Beitrag und kann ihm in vielen Punkten zustimmen. Zum Beispiel darin, dass wir mittel- und langfristig nicht nur Abwehrkämpfe führen können und uns für eine neue Offensive aufstellen sollten. Auch, dass wir eine sozialistische Linke sein sollten, die diese sozialistische Perspektive in ihren unterschiedlichen Lebens- bzw. Politikbereichen mit Leben füllen sollte. Eine Stoßrichtung, in die der Beitrag geht, möchte ich aber hinterfragen: Nämlich die, welche Kriterien eine »Neue Linke« alle erfüllen sollte.

In eurem Beitrag, liebe Genoss*innen, kritisiert ihr (ich verkürze und vereinfache das jetzt hier) den Flügel, der sich um Wagenknecht formiert, nennen wir sie »traditionelle Linke«. Ich würde teilen, dass hier die Notwendigkeit globaler Ansätze unterschätzt und die Rückgewinnbarkeit von AfD-Anhänger*innen vielleicht überschätzt werden. Ich finde es aber falsch, ihnen dafür das Linkssein abzusprechen und sie jetzt zu unseren neuen Feinden zu erklären. Eine »neue Linke« muss meiner Meinung nach in eine andere Richtung gehen, dazu aber später mehr.

Von Anti-AfD zum Sozialismus

In den letzten Monaten und Jahren politisieren sich viele vor allem, aber nicht nur junge Menschen anhand des Widerstands gegen AfD, gegen den globalen Rechtsruck und in der Solidarität mit Migrant*innen und Refugees. Wir sind in der Lage, Teile dieser Masse anhand von punktuellen Ereignissen auf die Straße zu bringen. Eine Herausforderung ist es, von diesen punktuellen Ereignissen zu einer langfristigen Bewegung zu kommen und unsere Basis auf noch breitere Fundamente stellen zu können als dieses »Anti-Rechtsruck-Potenzial«. Denn wie ihr sagt: Wir können uns mit Abwehrkämpfen nicht zufrieden geben.

Die spannende Frage lautet, wie man die verschiedenen Leute zusammenbringen und langfristig für eine gemeinsame linke Bewegung gewinnen. Denn wir sind uns wohl darüber einig, dass an unterschiedlichsten Baustellen Menschen aktiv sind, von denen sich einige, aber nicht alle als Linke verstehen: Mobilisierungen gegen AfD-Veranstaltungen wie im Mai in Berlin; gewerkschaftliche Aktionen, zum Beispiel der Schwarze Freitag für real,-; die Seebrücke-Demos und das We´ll come United Bündnis; die etlichen Initiativen gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn. Diese Liste ließe sich noch lange fortführen. Und das ist gut so. All diese unterschiedlichen Menschen und Gruppierungen sind unsere potentielle oder tatsächliche Basis. Die Frage lautet: Wie vereinen wir sie alle hinter einem Banner? Wie bündeln wie ihre Vielfalt mittelfristig zur Stärke einer gemeinsamen Bewegung? Eine Antwort darauf könnte eine von euch beschriebene »Neue Linke« sein.

Eine neue alte Linke

Eine »Neue Linke« sollte vor allem eins sein: Vereinend. Je enger man die inhaltlich-politischen Maßstäbe für die Ausrichtung dieser setzt, desto mehr gewinnt sie aber einen ausschließenden Charakter. Überspitzt formuliert: Bist du nicht queerfeministisch? Dann kannst du nicht Teil unserer Bewegung sein. Lehnst du den Begriff Heimat nicht ab? Dann kannst du nicht Teil unserer Bewegung sein. Wie gesagt: Überspitzt.

Der Clou an einer »Neuen Linken« könnte meiner Meinung nach unter anderem sein, gar nicht so neu zu sein. Ich glaube nämlich, dass gerade in diesen unsicheren Zeiten ein Hochhalten altbekannter linker Grundwerte durchaus eine vorwärtsweisende Orientierung geben kann. Und ich glaube, dass sich viele Menschen, mit solchen Werten identifizieren und darunter vereinen lassen. Und zwar sowohl »traditionelle Linke« als auch neu gewonnene Mitstreiter*innen, die in der iL-Mitteilung »Der Sommer der Solidarität hat begonnen« beschriebenen »Empörten« mit den »Betroffenen«, Liberale und kirchlich Engagierte mit Autonomen.

Ein Dreiklang könnte die zentralen Werte bzw. Forderungen einer längerfristigen Bewegung auf den Punkt bringen: Frieden. Gleichheit. Solidarität. Im Zusammenhang mit den globalen Fluchtbewegungen, der internationalen Solidarität bspw. mit unseren kurdischen Genoss*innen, mit islamistischem und rechtem Terror, aber auch mit der staatlichen Aufrüstung nach innen (Polizeigesetze) ist die Forderung nach Frieden in vielerlei Hinsicht zentral. Mit der simplen und zugleich radikalen Forderung nach Gleichheit, begegnen wir sowohl der auseinanderklaffenden Schere von arm und reich, national wie global, als auch den rechten Lügen von Ungleichheit definiert entlang von Herkunft, Geschlecht, Sexualität usw. Und in der Solidarität liegt laut Bertold Brecht ja unsere größte Stärke. Sie ist so vielfältig wie notwendig, ob international, als Lohnabhängige oder mit Betroffenen von Ausgrenzung.

Dieser Dreiklang ist keine revolutionäre Innovation und kann doch zukunftsweisend sein. Dass Forderungen, die schon unsere Genoss*innen vor über hundert Jahren erhoben haben, heute immer noch so aktuell sind wie nie zuvor, zeigt doch wie notwendig und möglich eine starke Linke heute ist. Holen wir uns also unsere Zukunft zurück: Sozialistisch, international und vereint!

Autor: Torben ist in der IL Hannover organisiert und hat seinen Schwerpunkt im Bereich Antifaschismus. Er ist ein Freund von praxisorientierter Politik, die für breite Teile der Bevölkerung verständlich und offen ist.

Bild: Unity von Vinoth Chandar.