von Was tun? tags Migration AfD (Anti-)Rassismus Datum Nov 2017
zuDer Einzug der AfD in den Bundestag hat die Debatte darum, wie wir mit dem Rechtsruck umgehen wollen, neu belebt. Hobelvogel hat Teile der Debatte seiner Berliner Antira-AG in eigenen Gedanken zusammengetragen. Er plädiert gegen einen alleinigen Fokus auf die AfD und für die Verknüpfung antifaschistischer und antirassistischer Kämpfe.
Ich fände es gut, wenn wir die Diskussion über den Umgang mit dem Rechtsruck etwas breiter führen und uns dabei nicht zu stark auf die AfD einschießen. Mir ist schon klar, dass Antifa-Gruppen und auch die Bündnisse, in denen die Antifa-Strukturen der iL aktiv sind, sich für die AfD »zuständig« fühlen. Aber es gibt glaube ich noch andere Formen der Anti-Rechtsruck-Politik und ich würde es sehr begrüßen, wenn wir die gemeinsam diskutieren würden und dadurch dann auch besser kooperieren.
Wir haben glaube ich durchweg in allen Themenbereichen mit dem starken Rechtsruck zu tun und antworten ihm in sehr unterschiedlichen Arten und Weisen. In einigen Projekten entscheiden wir uns auch dafür, uns nicht so stark davon irritieren zu lassen, weil wir durch erfolgreiche Kämpfe die Perspektive auf die Veränderbarkeit der Gesellschaft aufrecht erhalten müssen, um unserer gesellschaftlichen Utopie näher zu kommen und um dem ganzen rechten Müll etwas entgegenzusetzen zu haben.
Wenn's doch nur die AfD wäre …
Eine Strategie im Kampf gegen den Rechtsruck ist, sich aktiv auf ihren dominantesten Player zu konzentrieren. Das ist momentan ganz ohne Zweifel die AfD. Sie besitzt eine zentrale Bedeutung bei den Rechten (durch ihre Wirkmächtigkeit in Diskursen und damit auch im Parlament, die damit verbundene Finanzierung der rechten Bewegung etc.) als auch bei ihren Gegner*innen, also unseren potentiellen Verbündeten (die einige von uns »dissidentes Drittel« nennen). Die AfD ist für viele das Bild einer rassistischen, sexistischen und chauvinistischen Ideologie. Ich finde es deshalb richtig, dass wir einen großen Teil unserer Arbeit konkret auf sie beziehen und versuchen, der Normalisierung der AfD dadurch entgegenzuwirken, dass wir ihre Legitimität immer wieder öffentlich in Frage stellen. Das ist klassische Antifa-Politik und die macht auch immer noch Sinn.
Selbst wenn wir damit aber die AfD klein kriegen würden (wovon ich gerade nicht so richtig ausgehe, aber alles kann sich ändern), wären wir damit aber nur einen sehr kleinen Schritt weiter, wenn bis dahin das Wahlprogramm der AfD von allen anderen Parteien abgeschrieben worden ist. Diese Dynamik ist uns ja auch allen klar. Mir scheint deshalb besonders wichtig, uns jetzt nicht nur mit den rechten Playern zu beschäftigen , sondern eine etwas radikalere Antwort zu formulieren, die an den rechten Ideologien ansetzt. Von ihnen geht letztendlich die Gefahr aus, und nicht von den Akteuren, die relativ austauschbar sind. Zu vielen Ideologien des rechten Blocks haben wir eine Gegenpraxis, eine Gegenposition und eine Forderung, die nicht nur darum bemüht ist, dass nicht alles noch schlimmer wird, sondern die eine Verbesserung der aktuellen Situation anstrebt und eine gewisse Radikalität hat. Ich denke, wir sollten diese Punkte stärker machen und auf die Inhalte, die die AfD in den öffentlichen Diskurs setzt, laut und klar antworten – aber ohne dabei die ganze Zeit nur sie anzugucken. Denn wir wollen viel mehr, als dass sie ruhig ist: Wir wollen, dass das, von dem sie ein zugespitzter Ausdruck (z.B. Rassismus in Deutschland) ist, nicht mehr Wirklichkeit ist. Das sollten wir nicht vergessen!
Rassismus und Antirassismus
Einer der zentralen Inhalte und eine der größten Bedrohungen des rechten Lagers ist Rassismus, den ich aufteilen würde in Rassismus gegen Geflüchtete, antimuslimischen Rassismus und alle weiteren Rassismen (auch wenn es da natürlich Überschneidungen gibt). Ich werde mich jetzt nur auf Rassismus beziehen, auch wenn klar ist, dass es natürlich noch viele andere wichtige Themen gibt (z.B. Geschlechterverhältnisse und Heterosexismus sowie Antisemitismus), die genauso inhaltlich aufgegriffen werden müssen.
Zu Rassismus gegen Geflüchtete, wohl dem prominentesten Moment von rechter Ideologie aktuell, haben wir Positionen und eine Praxis in vielen Ortsgruppen in »Antira-AGs«, die diesen Titel eigentlich nicht verdienen, weil sie sich nur mit einem bestimmten Rassismus beschäftigen, nämlich dem von materiellen Grenzen und der Entrechtung von Geflüchteten. Das hat sowohl mit den Erfolgen der Kämpfe der Geflüchteten in der Zeit bis zur Räumung des Protestcamps am Oranienplatz zu tun, alsnatürlich auch mit der Dominanz des Diskurses eben darum, wie sie seit dem »Sommer der Migration« (wieder) erkennbar ist.
Mit We’ll come united haben wir neben einer großen Demo im Sommer nun auch einen weiterhin bestehenden überregionalen Zusammenhang, mit dem wir in diesem Feld an Sprechfähigkeit gewinnen können. Der erhoffte Erfolg der Kämpfe gegen Abschiebungen nach Afghanistan, wie sie in vielen Städten geführt worden sind, bleibt jetzt wahrscheinlich aus. Wie es mit diesem Praxisfeld weitergeht ist unklar. Darüber hinaus arbeiten wir an vielen Orten an Solidarity Citys, ein langfristiges Projekt mit dem Ziel, soziale Rechte für Illegalisierte und Geflüchtete zu erkämpfen.
All diese Kämpfe sind nun wichtiger denn je, denn in ihnen steckt viel mehr Überzeugungskraft, als im aktuell sehr präsenten »Die da dürfen nicht rassistisch sein, weil man so nicht sein darf«, das nicht viel mehr als eine (vor allem im deutschen Faschismus begründete) Haltung ohne aktualisierte Inhalte ist. Es sind die Kämpfe der Betroffenen, der Migrant*innen, der Menschen, die aktuell ein ganz sichtbares und existentielles Problem mit dem Rechtsruck haben. Unsere Antwort auf das »Mehr Abschiebungen« des rechten Blocks sollte nicht nur »Das ist rechte Hetze!« sein, sondern immer auch »Fähren statt Frontex!«.
Gerade das Antifa-Spektrum bleibt leider bei unseren antirassistischen Aktionen (wie zuletzt bei We’ll come united) meistens aus. Ich glaube das liegt zu einem großen Teil auch daran, dass der Sprung von »ich bin gegen Nazis« zu »ich bin gegen Abschiebungen« bei vielen (Weißen) Leuten nicht funktioniert. Eine Aufgabe der Antifa könnte es sein, diese Lücke etwas zu schließen, durch inhaltlicheren Ausdruck.
Verschiedene Rassismen
Ein ganz wesentlicher Teil des aktuell diskursstarken Rassismus ist der Rassismus gegen Menschen, die als muslimisch gelesen werden. In Berlin haben wir als einzige Arbeitsgruppe, die sich irgendwie mit antimuslimischem Rassismus inhaltlich auseinandersetzt, die NSU-AG. Überregional fallen mir kaum andere Arbeitsgruppen ein, die in diesem Feld unterwegs sind. Hier ist eine große Lücke, die es für uns zu füllen gilt. Zumindest in Berlin gibt es viele (Migrant*innen)-Organisationen, Künstler*innen und Wissenschaftler*innen, die sich damit beschäftigen. Eine Aufgabe sowohl für unsere Antifa- als auch für Antirastrukturen wäre es meiner Ansicht nach, stärker mit solchen Organisationen zu kooperieren, mit ihnen zusammen Veranstaltungen organisieren, Demos, etc. Wir müssen zu diesem Thema sprechfähiger werden, müssen uns mehr Inhalte dazu erarbeiten und diese dann in unserer Pressearbeit besser unterbringen.
Den Alltagsrassismus, dem nicht-weiße Menschen in Deutschland täglich begegnen, auf der Straße und in den Institutionen, behandeln wir inhaltlich kaum. In diesem Bereich fände ich es sehr sinnvoll, mehr zu tun, wie z.B. Kampagnen gegen Racial Profiling oder Rassismus in Schulen und Unis und wir müssen dabei Bündnisse mit PoC-Selbstorganisationen (»Initiative Schwarze Menschen in Deutschland«, etc., s. auch hier) und anderen Akteuren eingehen. Wir haben in Berlin viele geflüchtete Genoss*innen, allerdings erschreckend wenig Menschen, die in Deutschland aufgewachsen, aber von Rassismus betroffen sind. Das liegt meiner Ansicht nach u.a. auch daran, dass wir zu wenig inhaltlich an Rassismen jenseits von Flucht und Grenzen arbeiten. Das muss sich ändern. Hier müssen wir aber auch unsere internen Strukturen näher unter die Lupe nehmen, müssen unseren Genoss*innen of Colour besser zuhören und Rassismus auch als innerlinkes Problem betrachten.
Wie kann Zusammenarbeit aussehen?
Wir müssen eine Erzählung vermitteln, die aufeinander Bezug nimmt. Sowohl in antirassistischen Kämpfen müssen wir uns auf die AfD als einen treibenden Motor von rassistischer Innenpolitik beziehen, als auch in den Protesten gegen die AfD immer wieder aufmerksam machen auf die Kämpfe von Migrant*innen. Wir müssen gemeinsam mit Migrant*innen zu Demos gegen die AfD mobilisieren, migrantischen Aktivist*innen dort Redebeiträge ermöglichen und müssen die Aktionsbegeisterung von Antifa-Aktivist*innen (Blockaden, etc.) dazu nutzen, Antira-Aktionen mehr Sichtbarkeit zu erschaffen - wie genau, müssten wir gemeinsam diskutieren. Mehr Kommunikation, mehr gemeinsame Debatte, gemeinsame Planung von Aktionen zwischen den beiden AG-Feldern sollte uns helfen.
Also nochmal ein bisschen zusammengefasst: die AfD als Akteur anzugreifen macht Sinn, sollte aber nicht den Großteil unserer Kapazitäten verbrauchen, da wir sonst die beschissenen Inhalte, für die sie einsteht nur verschieben auf andere Akteure! Wichtig ist es, genau diese Ideen anzugehen und zwar durch konkrete Arbeit dort, wo es sichtbar wird und die Stimme der Menschen zu verstärken, die besonders viel dazu sagen können, u.a. dadurch, dass sie davon betroffen sind. Das schwächt dann auch die AfD. Antira- und Antifa-AG sollten ihre Zusammenarbeit intensivieren bzw. überhaupt erst mal herstellen.
In diesem Sinne: Für einen lebendigen Antirassismus!
Der Autor Hobelvogel ist aktiv in der AG Antirassistische Kämpfe der iL Berlin.
Bild: »Deport Dublin, not Refugees«-Motivwagen auf der We'll come united-Parade am 16.9.2017 in Berlin.