von Krise der radikalen Linken tags Neoliberalismus Subjektivität Strategie Datum Dec 2022
zuDas neoliberale Akkumulationsregime des digitalen Kapitalismus hat einen neuen Subjekttypen erzeugt – das sorgt auch innerhalb der radikalen Linken für Probleme. Zehn Thesen.
Der Text ist die schriftliche Ausarbeitung eines Vortrags, der im Juli 2021 auf einer bewegungsnahen, internen „Tagung über die Krise der Interventionistischen Linken (IL) und der radikalen Linken“ gehalten wurde. Die Analyse resultiert aus Erfahrungen, wie Individuen im modernen Kapitalismus agieren, die auch in der Linken immer häufiger zu beobachten sind. Der Text erschien im März 2022 bereits in der Jungen Welt sowie in einer langen Variante in der Tagungsdokumentation mit dem Titel „Die IL läuft Gefahr, Geschichte geworden zu sein“. Eine Bestellungen dieser insgesamt 100-seitigen Broschüre ist über die Mailadresse tagung_punkt@riseup.net möglich und hier online einsehbar.
Das neoliberale Subjekt für das neue Akkumulationsregime im Digitalen Kapitalismus
Wir sind der Meinung, dass es eine tiefgreifende Krise der Linken gibt, die wir in ihrem Ausmaß noch nicht erfasst haben. Corona hat wie ein Brennglas sichtbar gemacht, wie unsere Gesellschaft von den herrschenden Eliten gestaltet wurde. Die Linke hat sich zum großen Teil während der Pandemie weggeduckt, ohne gesellschaftliche Widersprüche aufzuzeigen. Stattdessen war und ist sie im Gefolge autoritärer Zurichtung der Menschen letztlich »artiger« und folgsamer geworden. Ein Desaster. Das hat, so unsere Beobachtung, auch etwas damit zu tun, wie das neoliberale Subjekt und insbesondere das linke Subjekt im Neoliberalismus »tickt«.
Wir gehen im Folgenden davon aus, dass jede kapitalistische »Etappe« ein spezifisches Subjekt braucht, um erfolgreich die ökonomische Organisation und Reproduktion zu gewährleisten, die im Kapitalismus Profit abwerfen muss. Wir vertreten im folgenden Beitrag die These, dass die Ablösung des Fordismus durch den Postfordismus bzw. Neoliberalismus seit den 1970er Jahren eben in dieser Weise einen Wandel der ausbeutbaren Subjekte verlangte. Eine andere Produktionsweise verlangt andere Subjekte. Unter dem Begriff der Postmoderne lassen sich die Merkmale seit den 1980er Jahren beschreiben, zeigen aber jetzt erst ihre volle Entfaltung.
Die Einziehung neoliberaler Subjektivierung passiert natürlich nicht einfach so als Naturgesetz. Seit dem Jahr 2000 machten Konzepte der SPD vom »Lebenslangen Lernen« die Runde. Dann kam der sogenannte Bolognaprozess, die EU-einheitliche »Bildungsreform«, die zum Ziel hatte, Schulen und Universitäten ganz nach den Bedürfnissen des aktuellen Kapitalismus auszurichten. Der Umbau des Universitätswesens ist abgeschlossen. Von der Universität ist, von Ausnahmen abgesehen, keine Gesellschaftskritik mehr zu erwarten. Die moderne Sachbearbeiterin der Zukunft hat ein Studium in Kommunikationswissenschaften komplett inhaltsleer absolviert und lebt im Bewusstsein, am Arbeitsmarkt konkurrenzfähig zu sein. Ihr Arbeitsplatz ist beliebig, ihre Qualifikation rein formal, sie muss kompetent und professionell sein, das reicht. Das Kompetenzmodell ist in allen europäischen Staaten vorherrschend.
Die Standardisierung im pädagogischen Bereich lässt sich seit den 1990er Jahren beobachten. Im Interesse angeblich größerer Transparenz, angeglichener Qualitätsstandards, die für mehr Vergleichbarkeit und damit mehr Gerechtigkeit sorgen sollten, wurde die »Professionalisierung« vorangetrieben. Wichtiges Instrument war und ist immer noch die sogenannte Steuerungsgruppe. Das Kind wird zum Objekt einer perfekten Bildung, deren Umfeld adäquat organisiert sein muss: Das Umfeld entscheidet über eine gute Entwicklung. Dass dies ein Einfallstor ist für kommerzielle Interessen, liegt auf der Hand. Krippe, Kindergarten, Hort werden entsprechend umbenannt in Familienzentrum, Mehrgenerationenhaus, Kompetenzzentrum, Service Center usw.. Vergleichskriterien halten Einzug mit »Portfolios« usw., die schon früh das Kind auf »Kompetenzerwerb« als Konkurrenzprinzip einstellen. Die Erzieherin, vergleichbar mit der Lehrerin, wird zum Coach, zur Lernbegleiterin, die organisatorisch koordiniert und diverse Angebote parat hält. Sind alle Lebensbereiche standardisiert und kontrolliert durch ein unsichtbares Helikoptersystem von »Expertinnen« und »Experten«, dann ist gesellschaftliche Kontrolle total. Die Trennung zwischen zahlungsfähigen und nicht zahlungsfähigen Eltern, die sich dem vielseitigen Beratungs- und Organisationssystem – nach dem Motto: für mein Kind nur das Beste – bedienen, ist schnell begriffen. Hier wurde ein neues Paradigma, was kindgerechte moderne Erziehung zu leisten hat, schon längst durchgesetzt: kein Schonraum für Kinder, ihre Bezugspersonen im Dauerstress der Professionalisierung und Dokumentation der sogenannten Lernfortschritte, die Kindergärten und weiterführend die Grundschulen als neoliberale Kaderschmiede unter Ausschluss aller unproduktiven Subjekte.
Im Folgenden zehn Thesen zur Funktionsweise des neoliberalen Subjekts.
1. Das neoliberale Subjekt ist ein Individuum, das keine Gesellschaft kennt oder braucht. Maggy Thatchers Slogan »There ist no society, only family« hat sich durchgesetzt. Jahrzehntelange Erfahrung im Bildungsbereich belegen mittlerweile – in Abgrenzung zu den 1980er Jahren als Resultat der 1968er Bewegung und der sogenannten Bildungsreform –, dass Jugendliche als wichtigsten Bezugspunkt ihrer Lebensgestaltung ihre eigene Familie sehen bzw. entsprechend eine eigene Familie gründen wollen.
Dazu gehört auch, Geschichte als Erinnerung an vorangegangene Kämpfe zu entsorgen bzw. als überflüssig zu erklären. Wie Ernst Bloch sagte: Eine Gesellschaft, die keine Vergangenheit kennt, kennt auch keine Zukunft. Alles bleibt immer so, wie es war. Die dreiste Aufforderung des Postmodernismus, die unterstellte Perspektivenlosigkeit zukünftiger Geschichte und die Chancenlosigkeit aufgeklärter Vernunft einfach hinzunehmen und sich darin einzurichten, kommt hier zum Tragen. Dadurch wird man beherrschbar, weil ja nur noch die Gegenwart zählen kann. Alles, was glücklich machen kann, muss in der jeweiligen subjektiven Lebenszeit geschehen.
In Bezug auf linke Politik führt Geschichtslosigkeit zu Aktionismus im schlechten Sinne und zu einer Verwechselung von Politik mit Moral. Wo findet sich dieses Bewusstsein bei Teilen der Linken wieder? Oberflächlich gesehen pflegen linksorientierte Menschen ein kritisches Verhältnis zur Gesellschaft, die es zu analysieren und zu verändern gilt. Was aber immer weniger aufscheint, ist ein utopischer Horizont als radikale Kritik am Bestehenden. Es geht zwar um gesellschaftliche Veränderung, aber in einem eingehegten Rahmen, der unmöglich die kapitalistische Produktionsweise überwinden kann. Realpolitisch findet sich dieses Denken als Sozialdemokratisierung wieder, was ja schon seit Rosa Luxemburg vor gut 100 Jahren auf den Begriff gebracht wurde. Was soll daran neu sein? Neu daran ist die Tiefendimension. Träume und Wünsche, das Begehren nach einem anderen Leben entbehren jeglicher Realität im neoliberalen Subjekt. Man könnte jetzt fragen, ob das je anders war. Wir behaupten, die aktuelle Subjektivität lässt bedeutend weniger Spielräume als früher. Der Befreiungstheologe Kuno Füssel nennt drei zentrale Strategien postmodernen Denkens in Bezug auf Geschichtsvergessenheit, die er bei Jean-François Lyotard, einem der theoretischen Begründer der Postmoderne, ausmacht: Die erste Strategie fällt zusammen mit der Art, wie Lyotard die Postmoderne definiert: Die Ideen der Moderne könne man vergessen. Alles sei nur Oberfläche. Auch die gute alte Materie sei nur eine Zwiebel, das heißt, sie besteht nur aus übereinanderliegenden Häuten und Schalen. Das Erscheinende sei ohne Wesen. Die zweite Strategie des Vergessenmachens ist es, alles infrage zu stellen. Das macht das Fragen nicht wertfrei, sondern wertlos. Beliebigkeit stellt sich vor die neuen Perspektiven. Gleiche Gültigkeit von allem und jedem bewahrt vorhandene Ruhe und Ordnung, denn sie ist weder schlechter noch besser gegenüber anderen Möglichkeiten der Zukunft: und darum besser als die Zukunft. Die dritte Strategie des Vergessenmachens besteht darin, dass alles, was zwischen In-Put und Out-Put, also innerhalb bzw. während des Produktionsprozesses unter gesellschaftlichen Austauschverhältnissen geschieht, als uninteressant erklärt wird. Was zählt, ist nur das in möglichst vielen Strukturen möglichst allseitig verwendbare Resultat. Vergessen wird, wie und von wem gesteuert wird, aber auch, was das Dazwischen an ungenutzten produktiven Möglichkeiten enthält.
2. Die Reduktion auf individuelle Existenz hat zur Folge, dass das Individuum zu jeder Tages- und Nachtzeit für sich selbst verantwortlich ist. Die ehemals fortschrittliche Pädagogik der 1970er und 1980er Jahre, zum Beispiel »sei dein eigener Chairman«, gedacht als Ermächtigung zu selbstbewusstem Handeln, wird hinterrücks zu einem Unterdrückungsmoment unentrinnbarer Verantwortungsübernahme. Ein radikales Zurückgeworfensein auf sich selbst, in unendlicher Einsamkeit, ist die Folge. Für linksorientierte Subjekte steckt darin eine ungeheure Herausforderung, sich für alles und jedes dann tatsächlich verantwortlich zu fühlen, bis diese Bürde womöglich nicht mehr tragbar wird. Burnout, Depressionen, Suchterkrankungen oder der komplette »Ausstieg« aus linker Politik sind die Folgen.
3. Auf diese Weise wird ganz gemein durch die Hintertür die Moral wieder eingeführt. Du bist selbst schuld! Scheitern oder Erfolg werden individualisiert und ganz in die Verantwortung des Einzelnen gelegt. Ein Beispiel aus der Schulpraxis, um aufzuzeigen, wie früh dieses Verhalten antrainiert wird, sind die sogenannten Schulverträge, in denen Schüler gewisse Verhaltensregeln und -maximen zustimmen. Neoliberal ist daran, dass das Versagen oder die Schuld dem Subjekt nicht äußerlich bleibt, gegenüber steht, sondern seinem Gewissen eingeschrieben wird.
4. Gewalt im Sinne von Kontrolle, Herrschaft oder Zurichtung wird unsichtbar gemacht, indem der Rahmen, in dem gelernt oder gearbeitet wird, niemals Gegenstand der Kritik wird. Das System ist quasi alternativlos. Wir reden hier von Schule, aber diese Beispiele lassen sich auf Betriebe, NGOs usw. übertragen. Scheinbare Offenheit, Durchlässigkeit und Pluralität verhindern die Sicht auf Undurchlässigkeit und Begrenzungen. Daher sind Verbote überflüssig, weil das Subjekt sich selbst geißelt. Michel Foucault hat dazu wertvolle Studien vorgelegt, wie die Zensur des Königs in die Köpfe der Menschen hinein verlegt wurde. Es bleibt undurchschaubar, wer den Prozess steuert. Nachzuprüfen ist dies übrigens anhand der sogenannten Richtlinien der 1980er Jahre im Vergleich zu den heutigen sogenannten Kernlernplänen. Gab es in den Richtlinien noch mehrere Seiten Vorwort mit einer Zielformulierung auf problemorientierten Unterricht bzw. Erziehung junger Menschen zur Mündigkeit und zu gesellschaftlicher Verantwortung, egal wie wenig ernst dies schon damals gemeint war, erscheint im nun auf eine halbe Seite geschrumpften Vorwort der Bildungsministerin das Wort »Gesellschaft« gar nicht mehr.
5. Die Leistung des Subjekts besteht darin, sich im Rahmen des Systems bewegen zu können, die Regeln zu kennen und sich darin zu behelfen. In linken Kreisen zeigt sich dieses Denken als Bedürfnis, sich Regeln zu geben, um nicht die Orientierung zu verlieren. Für jede womöglich schwierige Situation eines Konflikts werden Leitlinien, Leitfäden erstellt usw., um dahinter liegende Konflikte moderat und abgesichert zu bearbeiten. Das »Regelwerk« soll Sicherheit geben, das »Richtige« zu tun und moralisch einwandfrei dazustehen. Antagonismen gilt es zu vermeiden, indem man keine Standpunkte mehr als Wahrheit, um die gerungen werden muss, vertritt, sondern alles ist nebeneinander zu stellen. Es kommt dann nur noch darauf an, zwischen verschiedenen Positionen zu vermitteln. Ein »Falsch« wird als unerträglich gefunden.
6. Darauf beruht die sogenannte Kompetenzorientierung, mit der es nicht mehr um Vermittlung von Inhalten geht, sondern um Fähigkeiten, innerhalb des Systems handlungsfähig zu sein. Ein Unterrichtsgegenstand darf nicht zweckfrei sein, sondern dient ausschließlich der Nützlichkeit und Verwertbarkeit zur Bewältigung des Lebens, das ist dann Handlungskompetenz. Beispiel: War es als Ergebnis der Bildungsreform der 1970er und 1980er Jahre in der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern Voraussetzung, eine sogenannte Sachanalyse anzufertigen, auf deren Grundlage dann didaktische Entscheidungen für den Unterricht getroffen wurden, ist dieses Konzept völlig aus der Ausbildung verschwunden. Im Vordergrund steht Methodenkenntnis und Vermittlungswissen. Aus dieser Quelle stammt der Moderationshype, der in linken Organisationen Einzug gehalten hat, der in gewisser Weise – nichts gegen gute Moderation und Methoden – Inhalte ersetzt zu haben scheint. Wie schon oben angemerkt: Es geht nicht mehr um Wahrheit, sondern um »richtiges« Verhalten.
7. Organisation und Organisierung lernt das neoliberale Subjekt nur scheinbar, da diesem Prozess ja eine Entscheidung vorausgegangen sein muss, was man will und dass man vielleicht etwas will, das im System nicht vorgesehen ist. Behauptet wird zwar die Bedeutung von Eigenverantwortlichkeit und Selbstorganisation, allerdings nur im vorgeschriebenen Rahmen. Das Unvorhergesehene zu organisieren steht nicht auf der Tagesordnung.
8. Der neoliberale Typus versucht einer doppelten Botschaft gerecht zu werden: Genieße und sei diszipliniert. Das geht aber nur, wenn er inhaltslos, standpunktlos und rahmenlos ist. Ziel ist es »Unternehmerin ihrer selbst« und nicht mehr »Arbeitnehmerin« zu sein. Die Autorinnen des Buches »Plattformkapitalismus und die Krise der sozialen Reproduktion« (Münster 2021) haben empirisch sehr genau nachweisen können, welche Qualifikationen im neuen Akkumulationsregime notwendig sind und schon längst in unseren Alltag eingezogen sind. In Teilen der Linken zeigt sich dieser Typus dergestalt, dass die politische Organisierung zu einem Teil des Lebensvollzugs wird, den man diszipliniert ins persönliche Portfolio einreiht. In Coronazeiten wurde nur zu deutlich, wohin das führt, nämlich dazu, die politische Gruppe Gruppe sein zu lassen. Sie war eben nicht notwendig, weil die Rahmenbedingungen nicht mehr mit dem ursprünglichen Konzept übereinstimmten. Die Gruppe als ein Projekt unter mehreren, das während Corona keine Präferenz hatte. Aber was hatte Präferenz? Nichts.
9. Die Subjektivierung, von der wir hier sprechen, setzt schon im Kindergartenalter ein und läuft dort unter dem Konzept des situativen Ansatzes. Progressiv daher kommt die Idee des selbstbestimmtes Kindes, dem man nichts vorschreiben möchte und zu seiner freien Entwicklung so wenig Vorgaben machen möchte wie möglich. Perfide und schwer zu durchschauen sind allerdings die Rahmensetzung und die ideologischen Vorgaben einer solchen Erziehung. Prämissen werden verschwiegen. Schon Herbert Marcuse hatte mit dem Begriff der repressiven Toleranz auf dieses Phänomen aufmerksam gemacht. Das Kind hat zum Beispiel die Möglichkeit zu wählen, in welcher Gruppe es spielen möchte; nein, es muss wählen. Einmal die Wahl getroffen, liegt es dann in seiner Verantwortung, in dieser Gruppe zu bleiben. Eine direktive Erzieherin, die ihm sagt, wo es lang geht, wird man lange suchen, zumindest vom Konzept her. Das Kind hat sich an die ihm bekannten Regeln, denen es zustimmen musste, zu halten. Das Kind trifft die Entscheidung und nicht eine Erzieherin. Wirklich? Hier ist Eigenverantwortlichkeit gefragt, wohl gemerkt, im Kindergartenalter. In Teilen der Linken finden wir dies durchaus gut gemeint wieder als Zwang zur Pluralisierung und sogenannten Wahlmöglichkeiten. Es scheint wichtig zu sein, dass es keine Vorgaben gibt, keine Inputs, Vorträge, sondern je mehr Möglichkeiten der Wahl und selbstbestimmten Gestaltung, desto »hochwertiger« das Angebot.
10. Das neoliberale Subjekt lernt auf diese Weise, dass Formate, Methoden und äußere Gestaltung eine hohe Qualifikation darstellen. In linken Kreisen zeigt sich dies durch schnelle Ermüdung durch inhaltliche Beiträge, denen, wenn sie nicht eingebettet sind in moderative Formen, kein Wert zugebilligt wird. Die Reduktion in Schule und Universität auf »Schmalspurinhalte« führt dazu, dass Theorielosigkeit oder Theoriefeindlichkeit Überhand gewinnen. Nach dem Motto »Unterm Strich zähl ich«, soll es genügen, aus sich selbst heraus zu schöpfen und angeblich »prozessorientiert« zu arbeiten. Mag dies jetzt hier auch übertrieben dargestellt sein, so geht es doch um eine grundsätzliche Kritik am Narzissmus und dem Bedürfnis der Selbstbespiegelung in Teilen der Linken, die sich selbst zu genügen glauben, die aber nicht zufällig daherkommt. Wenn nur noch gedacht werden darf, was einen Zweck verfolgt, kann es kein systemüberschreitendes Denken mehr geben, denn allein zweckfreies Denken eröffnet andere Horizonte als die vorgegebenen. Diese Art der Teleologie führt uns in einen Kreis, der keinen Ausweg kennt: in teleologischen Nihilismus. Das Schweigen in Teilen der Linken insgesamt zu Corona legt davon beredtes Zeugnis ab.
Autor*in: Barbara lebt in Münster und ist dort in der Gruppe EXIL aktiv. Sie hat eine Tagung zur Krise der radikalen Linken und der IL mitorganisiert.
Bild: Flickr