You don‘t need no weatherman to know which way the wind blows

Ein Plädoyer, die aktuellen Suchbewegungen der Klimabewegung mit Militanz zu beantworten. Militanz, die einen Zusammenhang zwischen Ziel und Form des Handelns deutlich werden lässt.

»Der reißende Strom wird gewalttätig genannt / Aber das Flussbett, das ihn einengt / Nennt keiner gewalttätig.« – Bertolt Brecht

Die Klimagerechtigkeitsbewegung im globalen Norden ist lange nicht mehr marginal. Dennoch scheint sich ein glaubwürdiger Pfad zu einer annähernden Eingrenzung der Klimakrise immer weiter zu entfernen. Irreversible Klimakipppunkte wurden erreicht und der Klimakollaps ist für viele Menschen im globalen Süden schon längst bittere Realität. In Pakistan verloren 2022 über zehn Millionen Menschen ihre Häuser durch Fluten; die WHO stellte letztes Jahr so viele Tote durch die Klimakrise fest wie nie zuvor. Um die unvorhersehbaren Konsequenzen der Krise auch nur annähernd einzudämmen, müssten Staaten im globalen Norden jegliche Infrastruktur drastisch und schnellstmöglich umbauen. Stattdessen schrieben wir in 2022 das Jahr mit den weltweit meisten klimaschädlichen Emissionen seit Beginn der Aufzeichnungen.

Wie positioniert sich die Klimagerechtigkeitsbewegung gegenüber dieser immer unübersehbareren Radikalisierung der Verhältnisse? In Deutschland verleihen viele Klimaaktivist*innen ihrer Hoffnung auf die Transformationsfähigkeit staatlicher Strukturen Ausdruck. Ob Baggerbesetzungen in RWEs Kohlegruben, eine Demonstration vor dem Reichstag, konsequenzenlose Gespräche mit Parlamentarier*innen oder die hundertste Petition für Klimaschutz auf Campact – was als buntes Sammelsurium wohlbekannter Aktionsformen der Klimagerechtigkeitsbewegung scheint, teilt eine entscheidende Gemeinsamkeit: die, wenn auch auf verschiedene Weise erfolgende, Bezugnahme auf den Staat. Dieser bisherige Fokus auf den Staat ist insoweit verständlich, als dass unter den existierenden nationalstaatlichen Bedingungen letztlich nur mithilfe der bestehenden staatlichen Strukturen die so dringenden ökologischen Sofortmaßnahmen getroffen werden können. Gleichzeitig ist dieser Fokus jedoch äußerst paradox, da kapitalistisch organisierte Staaten ihrer Struktur nach unfähig sind, klimagerechte Auswege aus der Krise zu schaffen.

Der Staat, in dem wir leben, ist in Abhängigkeit und als Konsequenz aus der kapitalistischen Produktionsweise entstanden. Staat und Kapital gehen seit der Entstehung moderner Nationalstaaten Hand in Hand. Daraus folgt, dass staatliche Strukturen – wenn auch sie mitunter sozialdemokratische Zugeständnisse machen mögen – Kapitalinteressen über soziale Interessen wie den Schutz unserer Lebensgrundlagen priorisieren. Diese staatliche Interessensgewichtung muss im Kampf gegen die Klimakrise zentral sein, denn sie sichert das für die Klimakrise ursächliche System: das System von ausbeuterisch hergestelltem Reichtum für Wenige zum Leid der Vielen. Dies sieht man heutzutage lupenartig am Vergleich der Emissionen von Imperialmächten und kolonisierten Ländern. Beispielsweise emittierte Deutschland 2021 über 762 Millionen Tonnen Treibhausgase, während Äthiopien 19 Millionen Tonnen emittierte, obwohl dort 40 Millionen mehr Menschen als in Deutschland leben. Allein die neue EACO-Pipeline in Nordostafrika ermöglicht zwanzig Mal so hohen Emissionausstoß pro Jahr wie die Staaten Tansania und Uganda zusammen. Profitieren werden davon Akteure aus dem globalen Norden. Auch der Vergleich von Emissionen auf individueller Ebene wirft Licht auf die Verstrickung von Krise und Eigentum: Laut einer Studie von Oxfam wird das reichste Prozent der Weltbevölkerung bis 2030 für 16 Prozent der globalen Gesamtemissionen verantwortlich sein. Ganz alltäglich erleben wir den Zusammenhang von Krise und Eigentum, wo Grundbedürfnisse wie Strom und Wohnen immer unbezahlbarer werden und die klimagerechte Umstrukturierung dieser keine Option scheint.

Nicht nur überlässt der Staat diese Grundressourcen zur Kapitalakkumulation der privaten Hand, sondern er schützt private Profite darüber hinaus mit allen Mitteln. Anstatt die Krise einzudämmen und die jetzigen Eigentumsverhältnisse grundlegend zu verschieben, übernimmt der Staat die Rolle des Sicherheitsgaranten für genau jene Eigentumsverhältnisse. Dies ist aus staatlicher Perspektive auch durchaus logisch, da der Großteil seiner Handlungsmacht auf den ökonomischen Gewinnen, die diese Art der Ressourcenverwaltung erzeugt, basiert. Dieser Eigentumsschutz wird allem voran an Kulminationspunkten wie der Räumung des Dannenröder Forsts oder der Verteidigung von RWE-Eigentum bei Aktionen zivilen Ungehorsams offensichtlich, wenn die Exekutive in Form der Polizei ihrer Gewalt freien Lauf lässt und die Judikate in Form von Gerichten auf verschiedenster Ebene systematisch Aktivist*innen, und nur in sehr seltenen Einzelfällen Polizist*innen, verurteilt.

Abgesehen von der blanken Gewalt gegen widerständige Kräfte zeichnet sich der Staat dadurch aus, dass er ebendiese häufig allzu gut in seine Ideologie des »demokratischen Meinungspluralismus« und der parlamentarischen Aushandlungsprozesse integriert. Dadurch wird widerständigen Bewegungen die radikale Spitze genommen, sodass sie den Grundfesten der kapitalistischen Ordnung nicht länger antagonistisch gegenüberstehen, sondern in diese integrierbar werden. Dass sich staatliche Strukturen gegen Eigentumsverschiebungen, wie der Vergesellschaftung von Konzernen stellen werden und stellten, sehen wir nicht zuletzt in Berlin, wo die Regierung entgegen ihrer demokratischen Verpflichtung einem Volksentscheid für die Vergesellschaftung großer Wohnungskonzerne nicht nachkommt. Zwar können wir nicht ausschließen, dass Nationalstaaten im globalen Norden in Zukunft durch Abschottung, Autoritarismus, Ausbeutung und die Ausweitung von Klimaschutzmaßnahmen es für wenige Menschen ermöglichen werden, ein würdiges Leben zwischen 2 und 4 Grad Erderwärmung zu führen. Dies kann jedoch niemals die Welt sein, für die eine Bewegung mit antikolonial-feministischem Anspruch kämpft.

How dare you!

Im Angesicht der Dynamik zwischen dem bestehenden Krisengefälle und der Reaktion auf diese Krisen sind wir überzeugt, dass es der Klimagerechtigkeitsbewegung im globalen Norden an Staatskritik mangelt. Die Klimagerechtigkeitsbewegung im globalen Norden konfrontiert gerade weder die herrschende Klasse, die uns durch ihren Konsum und Profit durch Emissionen mit Vollgas weiter in die Krise fährt, noch den Staat, der diese Verhältnisse ermöglicht und sichert, mit nennenswerten oppositionellen Kräften. Im Gegenteil, das Verhältnis der Klimagerechtigkeitsbewegung zum Staat ist diffus: Einerseits wird benannt, wie sehr der Staat in der Krise seine Limitierung als Krisenlöser beweist, andererseits ist er Partner in der Krise, an den sich gewendet wird, um Klimaschutz voranzubringen. In dieser Diffusität werden immer wieder Begriffe wie Sabotage und Militanz als Auswege aus der labyrinthischen Verstrickung von staatlicher Integration der Bewegung und deren kritischem Emanzipationsanspruch genannt. In diesem Sinne soll dieser Text einen solidarischen Debattenanstoß darstellen, einen Versuch, Perspektiven auf Militanz und klimagerechte Handarbeit jenseits kapitalistischer Staaten zu eröffnen.

Sprechen wir von Militanz, nehmen wir einen jener schillernden Begriffe in den Mund, deren innere Spannung schon in ihrer Konstitution in, zwischen und gegen Bewegungen angelegt ist. Von Riot und Revolte über die Erfahrungen des bewaffneten Kampfes, die autonome Praxis mit ihren Anschlägen und Alltagsverweigerungen, die großen Bilder des Ungehorsams bis hin zur repressiv-integrativen Forschungspraxis von Organen wie der „Bundesfachstelle linke Militanz“ spannt die Rede von der Militanz ein Netz auf, in dem sich die wieder aufflammenden Militanzdebatten nur allzu gerne verfangen. Im Folgenden wollen wir uns weniger an einer Definition dessen versuchen, was Militanz ist oder zu sein hat, sondern viel eher ein Bild jener Fäden – Erfahrungen, Traditionen, Mutmaßungen – des Militanzbegriffs zeichnen, die uns strategisch-praktische Möglichkeiten gegenüber dieser brennenden Welt eröffnen mögen.

Mit Blick auf die Klimagerechtigkeitsbewegung im globalen Norden scheinen sich uns drei relevante Stränge zu zeigen, entlang derer Praxis begründet wird: Ein Teil der Bewegung – vor allem bestimmt von deren nicht explizit antikapitalistischen Fraktionen – folgt dem Muster der NGO-Politik und führt Aktionen vor allem durch, um an ein vermeintliches moralisches Gewissen der herrschenden Charaktermasken zu appellieren. Ein zweiter Teil, der ungefähr vom linken Flügel von Fridays for Future bis zu Ende Gelände reicht, fokussiert sich auf Aktionen, die »Druck ausüben« wollen, also im Grunde den Politiker*innen zeigen, dass ein relevanter Teil der demokratischen Gesellschaft nicht hinter ihnen steht. Dieser Teil ist zur Durchsetzung der eigenen Forderungen bereit, Regeln zu überschreiten. Untergründig beinhaltet dieser Aktionstypus stets die Drohung, dass aus dem konsentierten Ungehorsam einmal entfesselte Gewalt werden könnte. So wenig dies den Ausübenden selbst bewusst sein mag, so sehr ist es das den Herrschenden, die im »friedlichen Widerstand« der Letzten Generation wider deren Beteuerungen schon den Terror erkennen, den sie sich eigentlich verdient hätten. Gemein ist diesen ersten beiden Typen klimabewegten Aktivismus – bei all ihren Unterschieden – jedoch, dass sie zum einen maßgeblich auf dem Moment medialer Vermittlung beruhen und sich zum anderen im Kern über ihr Verhältnis zum Staat definieren. Während der erste Typ noch daran glaubt, durch seine vehementen Bitten an den Souverän Handlungen hervorrufen zu können, begreift der zweite Typ in vermeintlicher Abgeklärtheit den Staat als vermittelnde Instanz, deren Agenda mithilfe einer ausreichend großen Mobilisierung seiner Bürger zu deren Gunsten verschoben werden kann.

Aus einer Kritik dieses Zustandes speist sich zuletzt der dritte von uns ausgemachte Strang der Klimagerechtigkeitsbewegung. Dieser ist tendenziell anarchistisch orientiert und formiert sich teils in Ende Gelände, rund um Zucker im Tank und in den verschiedenen Klimabesetzungen. Vor allem aus einer generellen Ablehnung von Autorität verneint er den appellativen Politikstil der ersten beiden Stränge. Stattdessen wird entweder auf militante Kleingruppenaktionen oder auf die Schaffung sogenannter Freiräume gesetzt, wobei diesen beiden Aktionsformen hauptsächlich eine Vorstellung von Selbstermächtigung zu Grunde liegt, in der das Subjekt sein Leben, ob nun im Plenum der Waldbesetzung oder im militanten Handeln, selbst in die Hand nimmt. Die Kritik des Staates bleibt darin zumeist bei seiner moralischen Charakterisierung als autoritär, gewalttätig und kontrollierend stehen – und spiegelt so letztlich seine Charakterisierung als handlungsweisende, strukturell moralisch gute Instanz, die für den ersten Strang bezeichnend ist, ins Negative.

We want to get in trouble, we want to start a fight...

In diesem Spannungsfeld bewegt sich auch die aktuell in der Klimagerechtigkeitsbewegung geführte Debatte um die militante Erweiterung von Aktionsformen. Für die militante Fortführung der zweiten Form von Aktionen steht paradigmatisch das Werk von Andreas Malm, der in seinem Buch »Wie man eine Pipeline in die Luft jagt« zwei Projekte verfolgt: Zum einem eine ethische Rechtfertigung extralegaler Aktionsformen, zum anderen eine strategische Begründung derer. Letztere beruht dabei vor allem auf einer Theorie des Erfolgs sozialer Bewegungen, demzufolge ein militanter Flügel einen sogenannten diskursiven Raum für die Durchsetzung moderater Forderungen schafft. Malms Ansatz ist so im Grunde eine rein aktionistische Zuspitzung, die weiterhin auf den Staat als Mittler der politischen Ziele sozialer Bewegung setzt. In der Popularität dieses Entwurfs zeigt sich auch eine psychologische Dynamik der Klimagerechtigkeitsbewegung: Aus dem offensichtlichen Scheitern in der Durchsetzung jahrelang formulierter Forderungen folgt das Bedürfnis, aktionistische Selbstwirksamkeit zu erfahren. Der malmsche Ansatz bietet hier eine Möglichkeit, aktivistisch zu eskalieren, ohne die Grundkonstante der durch Druck gestützten Forderungen als solche aufzugeben. Dabei korrumpiert die fehlende staatskritische Grundierung von militanten Aktionen jedoch nicht unbedingt ihre potenzielle disruptive Wirkung.

Militanz scheint momentan oft gefangen zwischen dieser sehr konkreten Vorstellung militanter Sachzwangpolitik auf der einen und einer allzu schemenhafter Diffusität auf der anderen Seite. Eine emanzipatorische Konzeption von Militanz, wie wir sie skizzieren wollen, muss gleichsam vom Kopf wie von den Füßen her gedacht werden: Weder können oder wollen wir Militanz von unserem Begehren, der brennenden Wirklichkeit flammende Hoffnung entgegen zu stellen, abstrahieren, noch lässt sich dieses Begehren verwirklichen, ohne dass wir beginnen, die Grundfesten der von uns angegriffenen Ziele zu verstehen. Zentral für gelingende Militanz ist für uns in diesem Sinne, einen sichtbaren Zusammenhang zwischen Ziel und Form des Handelns herzustellen: Wenn französische Militante mit Äxten die Elektronik eines Betonwerks zerhacken, ist dies ein ungleich klareres Bild deren Feindschaft zur fossilen Zerstörung, als wenn etwas Tomatensuppe auf ein Monetwerk geschleudert wird. Wir setzen dabei in Anknüpfung an Malm auch darauf, dass innerhalb der sich multiplizierenden Krisen unserer Zeit, in der die Zerstörung immer allgegenwärtiger in die Leben der Subjekte eindringt, die Zerstörung des Zerstörenden zunehmend an heimlicher Bewunderung gewinnen wird – dass die Idee einer »Propaganda der Tat« ein Stück ihrer Legitimität zurückerlangt.

Militanter Politik im besten Sinne mag es so gelingen, der vorherrschenden Lethargie wenigstens ein paar Kratzer zuzufügen. In einem System, das von seinen Bürger*innen zunehmend mehr hingenommen denn konsentiert wird, wird der Moment des grundsätzlichen Widerspruchs wieder produktiv. So lobenswert die stark diskutierten Ansätze breiter Organisierung entlang von Alltagsfragen wie dem allgegenwärtigen Mietwahnsinn sind, so sehr stoßen sie an ihre Grenze, wo den Betroffenen das Bestehende allzu unantastbar scheint. Vor dieser scheinbaren Sackgasse erstreben wir eine Militanz, deren Widerschein auch auf die akribischen »Plans To Win« der Organizer*innen fällt, die also in ihrer Verbindung zu den alltäglichen Kämpfen in der Lage ist, deren antagonistischen Charakter herauszustellen. Wie wir zu zeigen versucht haben, muss militantes Handeln inhaltlich keinen Bruch mit der staatlichen Ordnung darstellen, insofern es gewaltsamer Appell bleibt. Ihrer Form jedoch wohnt für sich schon ein Element inne, das dem integrativen Herrschaftsmodus des globalen Nordens widerstrebt.

Historisch war die Rolle militanten Vorgehens innerhalb emanzipatorischer Bewegungen dabei oft weitaus klarer bestimmt als sie das heute ist. Immer wieder aufgeworfene Fragen waren dabei die vom Verhältnis zwischen Massenbasis und Militanten sowie die nach der Einbindung und Ermöglichung von Militanz innerhalb revolutionärer Organisationen – Fragen, die wir uns heute zu selten und mit zu kurzem Blick in die Geschichte stellen. Die große Frage der Militanz – die nach ihrer Verbindung zu gesellschaftlicher Bewegung – wollen wir versuchen, zu beiden Seiten hin aufzulösen: Ohne gesellschaftliche Bewegung bleibt Militanz individualistisches Abenteurertum, aber zu manchen Zeiten braucht auch eine noch nicht vollkommen entwickelte Bewegung Abenteurer*innen, die ihr vorweg gehen.

Solche Verbindungen können nicht innerhalb der sich in einem Territorium abspielenden Bewegung stehen bleiben. Entsprechend der globalen Verflechtung von Herrschaft und Zerstörung müssen auch sie sich mit den global gegen diese gerichteten Kämpfe verflechten. Wie eine solche transnationale Militanz aussehen kann, bleibt vorerst schattenhaft – ein Schatten, der sich nur im Licht konkreter Aktion deutlicher abzuzeichnen vermag. Zu beachten wird bei den entsprechenden Versuchen sein, inwiefern unser militantes Handeln sich im Machtkern eines imperialistischen Weltsystems verortet. Zum Glück können wir hier auf historische Erfahrungen blicken: So gelang es den militanten Feministinnen der Roten Zora, mittels gezielter Angriffe auf die Filialen des Bekleidungskonzerns Adler in den 1980er-Jahren, maßgeblich zum Erfolg eines Streiks in Bangladesch beizutragen. Auf diese Art überwindet Militanz Grenzen und ist in der Lage, Perspektiven eines verbindenden Kampfes aufzuzeigen – zum einen im Angriff auf die Täter im eigenen Land, zum anderen in der symbolischen Offenlegung, dass die bekämpfte Unterdrückung und Verwüstung dort wie hier, wenn auch in radikal unterschiedlicher Qualität, fundamental die gleiche ist. Inspirieren kann uns dabei auch das Handeln der »Weather Underground Organisation«, die in den 1970er-Jahren in den Vereinigten Staaten aktiv war: In ihrem Widerstand gegen den Vietnam-Krieg attackierten sie dessen Täter im Hinterland jedes Mal, wenn sie am Schauplatz des Krieges ein weiters Massaker angerichtet hatten. Diese Logik schreit geradezu danach, auf die Klimakrise übertragen zu werden: Greifen wir die Täterstrukturen im globalen Norden an, wenn wieder einmal im globalen Süden – oder mittlerweile auch im eigenen Land – eine weitere Umweltkatastrophe auftritt!

Neben dem Moment verbindender Solidarität wohnt solchen Aktionen auch weiterhin die Stärke inne, von der schon Aktionen wie die von Ende Gelände oder den verschiedenen Klima-Besetzungen lebt: Dasjenige des Selber-Tuns. Denn in der schon weiter oben beschriebenen Krise der Repräsentation in unserer kapitalistischen Demokratie kann Militanz zum demokratischen Mittel von unten werden: Der Staat hinterlässt ein Vakuum, da er großen Teilen des politischen Willens keinen Ausdruck verleihen kann – dieses gilt es durch emanzipatorische Politik zu füllen. Sie reißt Lücken in die ständige Legitimation der herrschenden Verhältnisse und lässt deren Angreifbarkeit offensichtlich werden.

Zeit heilt keine Wunden

Wenn emanzipatorische Politik dem Staat dabei auf ihrem Weg Reformen abringt, finden wir das nicht schlecht – die Klimakrise ist von solcher Dringlichkeit, dass letztlich jedes Zehntelgrad ganz praktisch über Leben entscheidet. Solche Reformen sind für uns aber nicht das Ziel des Handelns, sondern bestenfalls Beieffekte. Es gilt stetig zu reflektieren, inwieweit sie die Gefahr mit sich bringen, unsere Kämpfe versanden zu lassen, indem sie in die kapitalistische Ordnung integriert werden. Reformen können uns veranschaulichen, wie weit wir tatsächliche Macht aufgebaut haben – sie sollten Ansporn sein nachzusetzen. Ganz praktisch bedeutet der Aufbau militanter Gegenmacht auch einen Prozess der Rekonstruktion. Viele praktische Fähigkeiten, die zur Hochzeit des bewaffneten Kampfes in emanzipatorischen Bewegungen vorhanden waren, sind im deutschsprachigen Raum mittlerweile weitestgehend verschüttet. Wie auch Genoss*innen in verschiedensten Teilen der Welt bewiesen Studierende in Hongkong 2019, dass Militanz zur Selbstverteidigung kein Kapitel der Vergangenheit ist, beispielsweise indem sie das Schwimmbecken ihrer Universität umbauten, um das zielgenaue Werfen von Molotowcocktails zu trainieren. Solche kollektiven Erfahrungen wieder nutzbar zu machen, ohne ihr Scheitern zu wiederholen, ist unsere Aufgabe. Neben technischen und planerischen Fähigkeiten können wir von ihnen auch eine militante Haltung gegenüber unseren eigenen Leben erlernen, eine revolutionäre Ernsthaftigkeit, die weit über die hegemoniale aktivistische Lebensphasenpolitik hinausreicht.

Die Zukunft scheint uns zugleich so klar und unklar wie selten: Wir wissen von den Verheerungen, die uns erwarten, und dennoch leben wir recht bequem in den Zentren des Imperialismus. Wir sehen deutlich, dass eine Zeit radikaler Brüche auf uns zukommt, doch können dieses Faktum in unserem Alltagsverstand nicht wirklich erfassen. Eine Aufgabe unseres Kampfes ist es auch, diese Lücke zu schließen, begreifbar zu machen, wie die kommende Katastrophe nicht mehr zu erwarten, sondern in unserer Normalität schon verwirklicht ist. Spätestens wenn die Klimakrise uns mit ihrer ganzen Wucht trifft, bleibt uns allen sowieso nichts mehr anderes übrig als zu kämpfen. In diesem Sinne plädieren wir für eine Militanz, die in der Lage ist, das Hauptquartier der Zerstörung zu erschüttern, die organisiert und neue Brände anfacht, die Lücken reißt in die Unanzweifelbarkeit des kapitalistischen Staates, die sich auch in unserer Bewegung allzu weit fortpflanzt. Lasst uns also militant werden, bevor wir militant werden müssen!

Autor*innen: Zwei Genoss*innen von Akut+C und der iL Rhein Neckar

Bildinformation: Peter Paul Rubens, Nächtlicher Brand in einer Stadt