von zu Internationalismus tags Internationalismus Bewegung Klasse Arbeit Datum Dec 2025
Die Transnational Strike Kommission der IL im Gespräch mit ∫connessioniprecarie über die politischen Streiks in Italien, Palästina-Solidarität und wie sich Arbeitskämpfe und Antikriegsbewegung in Zeiten globaler Unordnung verbinden lassen.
Die jüngsten Mobilisierungen
IL: In den letzten Wochen erfasste eine beeindruckende Protestwelle Italien, die sich auf die Solidarität mit Palästinenser*innen und der Global Sumud Flotilla konzentrierte. Diese Bewegung baut auf einer lange etablierten und kontinuierlichen palästinensischen Solidaritätsbewegung in Italien auf. Die radikal linke Basisgewerkschaft USB rief für den 22. September zu einem Generalstreik auf. Der unmittelbare Auslöser war ein Drohnenangriff auf Boote der Flotilla. Ein weiterer Generalstreik folgte am 3. Oktober, und am nächsten Tag versammelten sich über eine Million Menschen in Rom, um ein Ende des Völkermords zu fordern. Kannst du erklären, was passiert ist und einen Überblick geben?
CP: In den letzten zwei Jahren hatten wir verschiedene Demonstrationen und diverse weitere Ausdrücke des Widerstands gegen den Völkermord in Gaza. Zum Beispiel Universitätsbesetzungen und einige Camps. Ab Ende August begann jedoch eine breitere Bewegung zu entstehen, die die vorherigen Proteste zahlenmäßig weit übertraf und von der Global Sumud Flotilla katalysiert wurde. Ende August kamen Tausende von Menschen zum Hafen von Genua, um Lebensmittel zum Verladen auf die Boote zu bringen. Als die Hafenarbeiter*innen in Genua erklärten »Wenn Israel die Sumud Flotilla angreift, werden wir alles blockieren«, gaben sie einer Dringlichkeit Ausdruck, die zu diesem Zeitpunkt weit verbreitet war.
Die Beteiligung am ersten Streik am 22. September war unerwartet, sowohl hinsichtlich der Zahlen als auch weil er Arbeiter*innen aus verschiedenen Sektoren einbezog und zu massiven Demonstrationen in mindestens 80 Städten in ganz Italien führte. Der Streik ist in Italien ein individuelles Recht, man muss also kein Gewerkschaftsmitglied sein, um zu streiken. Die Proteste zeigten eine allgemeine Ablehnung dessen, was in Palästina vor sich geht – wo die Gewalt schon lange einen unerträglichen Punkt erreicht hatte. Die Invasion Gazas trieb die staatliche und kapitalistische Gewalt auf ein neues Niveau. Aber es gab auch mehr als das, denn die Ablehnung erstreckte sich auf alles, was dieser Völkermord auch jenseits dessen, was in Palästina geschieht, mit sich bringt, nämlich einen umfassenden Angriff auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen weltweit. Ich denke, die Menschen sehen diese Verbindung ziemlich klar in Bezug auf die zunehmende Ausbeutung der Arbeiter*innen und die Kürzungen der Sozialausgaben aufgrund der Kriegsausgaben; oder den rassistischen Hass gegen Migrant*innen, denen vorgeworfen wird, Antisemitismus zu importieren oder die als innerer Feind gegen die nationale Einheit in Kriegszeiten bezeichnet werden. Aber wir können es auch an der zunehmenden patriarchalen Gewalt gegen Frauen und LGBTQ-Menschen sehen, am Pinkwashing der Wehrpflicht und der auch konkreten Familienpolitik. Insgesamt war das, was wir erlebt haben, ein großes »Nein « zur Zunahme von Ausbeutung, Gewalt, Patriarchat, Rassismus und Autoritarismus – die mit dem Krieg einhergehen. Dies wiederholte sich dann am 3. Oktober in noch größerem Maßstab, gerade weil es den Arbeiter*innen gelang, sogar die größte italienische Dachgewerkschaft CGIL dazu zu bringen, gemeinsam mit anderen Basisgewerkschaften einen Generalstreik auszurufen.
Dann hatten wir die nationale Demonstration mit einer Million Menschen am Tag darauf in Rom. Etwas in dem Ausmaß haben wir seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen. Und es war auch das erste Mal, dass die Meloni-Regierung und ihre Politik massiv angefochten wurden, nicht nur wegen ihrer Allianz mit Netanyahu. Ein bedeutender Akt war der Widerstand gegen das neue Sicherheitsdekret, das Migrant*innen angreift und gleichzeitig Blockaden von Verkehr, Bahnhöfen und Logistikzentren kriminalisiert. Tausende von Menschen widersetzten sich dieser neuen autoritären Maßnahme, indem sie Autobahnen und Bahnhöfe blockierten, während Hafenarbeiter*innen mehrere Häfen blockierten und verhinderten, dass Boote mit Waffen nach Israel ausliefen. Dieses Mobilisierungsniveau war bis vor Kurzem unvorhersehbar. Nun besteht die zentrale Herausforderung darin, wie wir dieser Bewegung gegen den Genozid und den Krieg in all seinen dramatischen Auswirkungen Kontinuität verleihen können.
Der Streik als politisches Werkzeug
IL: Es ist nicht nur die Größe der Proteste, die bemerkenswert ist. Ich möchte auch ihre praktische Form – den Sozialen Streik - genauer diskutieren. Wie kam der Streik zustande, und warum ist dieses Mittel notwendig, insbesondere im Hinblick auf die aktuellen globalen Kriegsdynamiken?
CP: Bis vor einigen Monaten war die Idee eines Streiks gegen den Krieg etwas, das die meisten Gewerkschaften, besonders die größeren wie CGIL, nicht in Betracht gezogen hätten. Die Mehrheit der Gewerkschaften betrachtet Streiks als Werkzeuge für sektorale Forderungen, die mit spezifischen Arbeitsbedingungen verbunden sind. Aber diese Streikbewegung hat gezeigt, dass der Streik politisiert werden kann, um nicht nur Forderungen auszudrücken, die mit einer bestimmten Industrie verbunden sind. Er ist auch im Stande eine breitere Ablehnung der politischen Bedingungen von Produktion und sozialer Reproduktion zu artikulieren.
Dieses Mal waren Arbeiter*innen aus den unterschiedlichsten Sektoren an den Mobilisierungen beteiligt. Es gab eine hohe Beteiligung von Grund- und Sekundarschullehrer*innen. In Krankenhäusern organisierten Ärzt*innen und Krankenpfleger*innen in der Nacht vor dem 3. Oktober Sitzstreiks und nahmen auch am Generalstreik teil. In einigen Metallfabriken lag die Beteiligung am Streik zwischen 80% und 100%. Es war die Initiative der Arbeiter*innen, die alle daran erinnerte, dass der Streik materiell verschiedene Arbeitsbedingungen und Industriesektoren verbinden kann, jenseits von Gewerkschaftszugehörigkeiten.
»Es ist wichtig zu verstehen, dass der Streik auch ein Weg war zu sagen, dass wir die allgemeinen politischen Bedingungen, die die Produktion und Lieferung von Waffen ermöglichen, und ihre materiellen Konsequenzen nicht länger akzeptieren. «
Es ist wichtig zu verstehen, welche Art von Dringlichkeit während der Demonstrationen und Streiks zum Ausdruck gebracht wurde. Zum Beispiel haben wir in einigen Berichten gelesen, dass die Weigerung der Hafenarbeiter*innen, persönlich zum Bau oder zur Lieferung von Waffen beizutragen, der Grund für ihre Entscheidung zum Streik war. Dies ist eine Fehlinterpretation dessen, was geschah, weil sie eine lineare Verbindung zwischen Streik und Krieg sucht. Es ist wichtig zu verstehen, dass der Streik auch ein Weg war zu sagen, dass wir die allgemeinen politischen Bedingungen, die die Produktion und Lieferung von Waffen ermöglichen, und ihre materiellen Konsequenzen nicht länger akzeptieren: Kürzungen der Sozialausgaben oder Gehaltskürzungen oder Entlassungen. Wenn Staaten und die Europäische Union »Opfer« fordern, um sich auf den Krieg vorzubereiten, sind dies konkrete und materielle Opfer im Leben und Wohlergehen der Menschen. Die Opposition gegen den Krieg ist auch Opposition gegen all das. Der Streik stellt immer noch die Möglichkeit dar, die Arbeiter *innen haben, um das Kapital in Fabriken, im Gesundheitssektor usw. zu treffen - indem sie diese Bedingungen nicht akzeptieren. Wir als soziale Bewegungen müssen in der Lage sein, diese Verbindungen zu unterstreichen, zum Beispiel zwischen Gehältern und dem Dritten Weltkrieg. Wir müssen dem Streik die Kraft als Sozialstreik geben.
IL: Wie siehst du diese neue Streikwelle im Vergleich zu vergangenen Erfahrungen? Und warum denkst du, ist der Sozialstreik ein wichtiges Werkzeug der Bewegung im Allgemeinen?
CP: Als Teil der Transnational Social Strike Plattform (TSS) haben wir sehr darauf bestanden, dass der Sozialstreik ein politisches Werkzeug ist. Wir sind der Auffassung, dass der Streik in den letzten Jahrzehnten die Kraft hatte, eine Ablehnung verschiedener gesellschaftlicher Verhältnisse auszudrücken. Streik ist der Name einer Möglichkeit* von den Migrantenstreiks über die prekären und sozialen Streiks bis hin zu den feministischen und Klimastreiks. In der Teilnahme an diesen Erfahrungen sprachen wir über den Streik als Bewegung oder als Prozess, was bedeutet, dass der Streik nicht einfach ein eintägiges Ereignis ist, sondern ein breiterer Prozess der Politisierung, um unerwartete organisatorische Fähigkeiten zu aktivieren, gemeinsame Ziele zu entwickeln und eine gemeinsame Perspektive zu bilden.
Nehmen wir zum Beispiel die globale Bewegung des feministischen Streiks, die in Argentinien von Ni Una Menos losgetreten wurde. Seit zehn Jahren gehen am 8. März Hunderttausende Frauen und LGBTQ-Menschen in den Streik und auf die Straße, um männliche Gewalt abzulehnen und sichtbar zu machen, wie sie die Gesellschaft als Ganzes beeinflusst. Die feministische Bewegung zeigte die Verbindung zwischen patriarchaler Gewalt, institutionellem Rassismus und Ausbeutung am Arbeitsplatz oder im Privaten - wo sowohl Arbeit als auch Gewalt unsichtbar sind. In diesem Sinne können wir von einem Sozialstreik sprechen, aufgrund der Art und Weise, wie die feministische Bewegung die gesellschaftlichen Verhältnisse angegriffen hat, indem sie sie benannt und ihre Verbindungen aufgezeigt hat.
Während der Streiks und Mobilisierungen der letzten Wochen war der feministische und antirassistische Diskurs weniger deutlich als zuvor. Die Herausforderung besteht nun darin, all diese Diskurse - zum Beispiel den Frauenstreik gegen patriarchale Gewalt und den Streik migrantischer Arbeiter*innen gegen das rassistische Asylregime - in den Streik gegen den Krieg und den Genozid an den Palästinenser*innen zu bringen. Diese Artikulation und Verbindung ist etwas, das wir erreichen müssen.
» Wir erkannten, dass wir nur an Stärke gewinnen können, wenn wir in der Lage sind, die Auswirkungen des Krieges auf die materiellen Verhältnisse und die bestehenden sozialen Kämpfe anzuerkennen. «
Verbindung von Gewerkschaften und sozialen Bewegungen
IL: Du sagtest, in diesen Wochen hat sich der Versuch realisiert, stärkere Verbindungen zwischen Gewerkschaften und sozialen Bewegungen aufzubauen. In Deutschland ist es derzeit etwas anders - wir haben zwar Diskussionen über die Notwendigkeit der Verbindung dieser Kämpfe. Doch sind die konkreten Versuche noch lange nicht so fortgeschritten. Was denkst du, warum waren gerade jetzt diese Verbindungen so ausgeprägt?
CP: Zunächst einmal ist der Aufbau dieser Verbindungen immer noch eine Herausforderung für uns. Gewerkschaften wurden gewissermaßen gezwungen, aufgrund des Drucks von unten zu handeln. Dies garantiert nicht, dass sie offen für stärkere Verbindungen mit Sozialen Bewegungen bleiben werden. Nach dieser Streikwelle lautet die Frage nun, wie bauen wir etwas auf, das Bestand hat. Wir können nicht jede Woche einen Streik und enorme Demonstrationen wiederholen. Die Dinge ändern sich schnell, wenn wir zum Beispiel an das fragile Waffenstillstandsabkommen denken, das von Trump gefördert wurde. Die Arbeiter*innenschaft, die am Streik teilgenommen hat, ist sehr heterogen und geht über traditionell politisierte Arbeiter*innen hinaus. Die Aufgabe besteht darin, die Verbindung zwischen der Anti-Kriegs-/Anti-Genozid-Bewegung und Kämpfen am Arbeitsplatz für bessere Gehälter und Bedingungen herzustellen. Nun steht es an neue Worte und Perspektiven zu finden.
Am 11. Oktober organisierten wir in Bologna eine nationale Versammlung des RESET Against the War Netzwerks, das mehrere italienische Kollektive, Gewerkschaften und politische Gruppen zusammenbrachte. Das Netzwerk wurde letztes Jahr zu einer Zeit gegründet, als soziale Bewegungen in der Kriegsfrage tief gespalten waren und die enorme Mobilisierung der letzten Wochen unmöglich schien. Wir erkannten, dass wir nur an Stärke gewinnen können, wenn wir in der Lage sind, die Auswirkungen des Krieges auf die materiellen Verhältnisse und die bestehenden sozialen Kämpfe anzuerkennen. Und wenn wir in der Lage sind, die Spaltungen und Polarisierung innerhalb und zwischen unseren Gruppen anzugehen. Deshalb machten wir den Widerstand gegen den Krieg zu einer gemeinsamen Priorität und arbeiteten auf einen gemeinsamen Diskurs und eine gemeinsame Mobilisierung hin. Nach der Mobilisierungswoche hatten wir nun die Gelegenheit zu einer kollektiven Reflexion über die Möglichkeiten, die Herausforderungen und Bedeutungen der Streikbewegung zu sprechen. Dabei erkannten wir, dass die beeindruckende Teilnahme an der Mobilisierung allein nicht ausreicht, um die Kontinuität und Stärke der Bewegung zu gewährleisten.
Deshalb luden wir Schul- und Universitätsarbeiter*innen, Student*innen, Fabrikarbeiter*innen, Delegierte und Mitglieder von Basis- und Dachgewerkschaften sowie migrantische-, feministische, antirassistische und LGBTQ+-Aktivist*innen ein, die an den Mobilisierungen beteiligt waren. Die Diskussion hob die verschiedenen Situationen hervor, die in verschiedenen Arbeitsplätzen erlebt wurden. Außerdem konzentrierten wir uns sowohl auf die große Neuheit dieses Streiks als auch auf die dringende Notwendigkeit, Räume für politische Diskussion und Reflexion als wesentlichen Teil unserer politischen Arbeit zu schaffen. Die Industrie- und Wirtschaftspolitik im Zusammenhang mit der Wiederaufrüstung, nationale- und europäische Bildungspolitik, die feministische und migrantische Perspektive, all das sind Dinge, die Teil unseres politischen Diskurses und unserer Aktionen sein müssen, wenn wir die Politisierung der letzten Wochen ausweiten und konsolidieren wollen.
» Der Krieg ist zum verallgemeinerten Werkzeug geworden, um den politischen Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit in seinen unvorhersehbaren Bewegungen zu verwalten. «
Transnationale Bewegungen
IL: Die Ereignisse überschlagen sich, und ein Abkommen zwischen Israel und Hamas hat zumindest zu einem vorübergehenden Waffenstillstand geführt. Dies wird jedoch sicherlich keinen wahren Frieden und das Recht auf Selbstbestimmung bringen. Wie schätzt du die aktuelle politische Situation ein?
CP: Natürlich ist es schwer, das, was sie erreicht haben, »Frieden« zu nennen. Wir werden immer weitere Situationen wie diese sehen, in denen der Unterschied zwischen Frieden und Krieg immer stärker verschwimmt. Trumps Frieden ist nicht der Frieden, den wir wollen. Mit der TSS-Plattform haben wir über transnationale Friedenspolitik gesprochen. Wir wollen auf die Tatsache hinweisen, dass, wenn der Frieden die Fortsetzung des Krieges ist, innerhalb jener gesellschaftlichen Verhältnisse, die gerade die Kriegsereignisse ermöglichen - dann ist es nicht der Frieden, den wir wollen. Deshalb ist es wichtig, innerhalb dieses Szenarios Wege zu finden, jenseits geopolitischer Logiken und Ereignisse zu kämpfen. Obwohl wir natürlich wollen, dass die Bomben aufhören und somit jeder Waffenstillstand willkommen ist, wissen wir auch, dass Frieden am Ende nicht das Gegenteil von Krieg ist. Während der Waffenstillstand unterzeichnet wurde, diskutierten die EU-Mitglieder über den Bau einer »Drohnenmauer«, was auf immer mehr Krieg hindeutet. Wir haben aus diesem Grund gesagt, dass wir mitten im Dritten Weltkrieg sind: Der Krieg ist zum verallgemeinerten Werkzeug geworden, um den politischen Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit in seinen unvorhersehbaren Bewegungen zu verwalten.
IL: Solidarität mit Palästina ist kein ausschließlich italienisches Phänomen - Proteste können weltweit beobachtet werden. In den letzten Tagen gab es große Demonstrationen in vielen europäischen Städten, auch haben wir große Proteste in Nord- und Südamerika und in arabischen Staaten gesehen. Sind dies Zeichen der Entstehung einer transnationalen linken Bewegung? Könnte diese Dynamik zu einer transnationalen Bewegung gegen die globalen Kriegsdynamiken führen?
CP: In den letzten Wochen haben wir mehrere Momente der Mobilisierung und Streiks erlebt, zumindest in ganz Europa. In Frankreich gab es Demonstrationen gegen den Genozid in Palästina, sowie Streiks gegen Macrons neoliberale Reformen, und etwas Ähnliches geschah in Belgien mit den Streiks gegen Rentenreformen. In Griechenland gibt es eine Streikwelle gegen Reformen, die längere Arbeitszeiten erlauben - bis zu 13 Stunden pro Tag, was wahnsinnig ist. In Deutschland zeigte eine Großdemonstration endlich eine kraftvolle kollektive Haltung gegen den Völkermord, die 100.000 Menschen auf die Straßen von Berlin brachte. Sie lehnte das Schweigen ab, das die Regierung auch durch absurde Antisemitismusvorwürfe aufzwingen will. Wir haben verschiedene wichtige Momente der Mobilisierung erlebt, die einen gemeinsamen Faden in der Ablehnung des Völkermords in Palästina teilen, aber auch in der Ablehnung der allgemeinen Rechtsbewegung Europas, sowohl bei den nationalen Regierungen als auch auf europäischer institutioneller Ebene. Kürzlich erklärte Ursula von der Leyen, dass sie eine Drohnenmauer will, um die Ostgrenzen zu sichern, und Giorgia Meloni antwortete, dass diese dann auch zur Sicherung der Südgrenzen vor Migrant*innen einzusetzen sei. Dies ist eines der klarsten Beispiele dafür, wie Kriegspolitik mit Anti-Migrationspolitik verflochten ist, wie sich Krieg und Rassismus gegenseitig unterstützen. Wir sehen also, dass es Opposition gibt, wenn auch mit unterschiedlichen Wegen, unterschiedlichen Prioritäten, unterschiedlichen lokalen Bedingungen, die aber nicht ignoriert werden können.
Der entscheidende Punkt ist nun, Verbindungen zwischen all diesen Dingen aufzuzeigen. Wir müssen gemeinsame Worte und Diskurse finden, um den Sinn dessen zu begreifen, was vor sich geht. Wir müssen gemeinsame Perspektiven schmieden, die diese verschiedenen Prozesse zusammenhalten können, ohne zu leugnen, dass es lokale Unterschiede gibt. Dass das Streiken beispielsweise in Deutschland ein anderes ist als in Polen. Dies ist die Herausforderung, die innerhalb des Transnational Social Strike seit langem diskutiert wird und nun immer wichtiger wird. Beim Rheinmetall-Entwaffnen-Camp in Köln im August organisierten wir zusammen mit euch (IL) und der polnischen Gewerkschaft Workers' Initiative einen Workshop mit dem Titel » Organising Transnationally Against the War«, um die Herausforderungen und Möglichkeiten zu diskutieren, die vor uns liegen. Dort begannen wir über die Möglichkeit einer breiteren Versammlung zu diskutieren und wie man sich transnational innerhalb und gegen das kriegführende Europa organisieren kann. Wir denken, dass es in den kommenden Monaten noch notwendiger wird, in diese Richtung weiter zu diskutieren und zu organisieren und Kommunikations- und Organisationskanäle zwischen verschiedenen europäischen Gruppen und Gewerkschaften auszubauen.
Ergänzung: Mittlerweile können wir verkünden, dass sich die von CP angedeuteten notwendigen „Kommunikations- und Organisationskanäle zwischen verschiedenen europäischen Gruppen und Gewerkschaften“ konkretisieren. Gruppen aus dem Kontext des TSS und darüber hinaus starten im Frühjahr 2026 einen regelmäßigen analytischen und strategischen Beratungsprozess – „europe at war“. Dieser will zum einem ein Verständnis davon entwickeln, wie die gesellschaftliche Wirklichkeit eines „Europas in Kriegszeiten“ konkret gestaltet ist und zum anderen organisatorische und strategische Möglichkeiten ausloten.
∫connessioniprecarie ist eine italienische Organisation migrantisierter und nicht-migrantisierter Menschen, die das globale und prekäre Wesen der zeitgenössischen Arbeit zum zentralen Thema hat und damit das transnationale Zusammenspiel von Patriarchat, Ausbeutung und Rassismus sowie die Ablehnung des Krieges thematisiert.
Transnational Social Strike: Die TSS-Plattform hat zum Ziel Streikbewegungen auf transnationaler Ebene weiterzuentwickeln. Sie ist ein Raum für all jene, die eine gemeinsame, emanzipatorische Vision von Streik und die Möglichkeit eines transnationalen sozialen Streiks voran bringen wollen. Die IL und CP sind Teil des TSS.
Bildhinweis: Bild by Washington State Dept of Transportation auf flickr, CC BY-NC-ND 2.0