von Internationalismus tags Organisierung Internationalismus Feminismus Solidarität Revolution Datum Mar 2019
zu»Internationalist*innen müssen wir jeden Tag aufs Neue werden« – im Prozess, Gespräch, gemeinsamen Kampf: anders ist ein revolutionärer Internationalismus, ist der Aufbau einer wirklichen Gegenmacht von unten nicht zu denken. Gleichzeitig muss er organisiert, erkämpft, verstetigt werden. Die Diskussion des »Wie?« eröffnen unsere Freund*innen vom Congreso de los Pueblos – als Beginn eines Gesprächs, Prozesses, gemeinsamen Kampfes ...
Vorab
Internationalismus bedeutet Verantwortung. Aus der Ermordung unserer Genoss*innen müssen wir lernen. Wir müssen uns gegenseitig schützen und Gefahren antizipieren, damit wir unsere Genoss*innen rechtzeitig in Sicherheit bringen. Wir können keiner Regierung dieser Welt vertrauen, sondern bauen darauf, unsere Entscheidungen selbst zu treffen und uns selbst zu regieren. Wie eine Machtübernahme von unten aussehen und wohin die Reise gehen kann, wollen wir mit diesem Beitrag zur Diskussion stellen.
Das folgende Papier ist eine stark gekürzte Zusammenfassung eines über 50 Seiten umfassenden Arbeitspapiers, das das »Seminario Internacionalista: Uniendo Pueblos en Lucha« des Congreso de los Pueblos (CdP), im Oktober 2018 in Bogotá erarbeitet hat. Das Treffen, an dem Aktivist*innen aus antikapitalistischen, antipatriarchalen sowie antiimperialistischen und antikolonialen Kämpfen aus drei Kontinenten teilgenommen haben, hatte zum Ziel, Erfahrungen des Widerstands und des Aufbaus einer Macht von unten (»poder popular«) als konkrete Alternative zu Ausbeutung und Nationalstaat auszutauschen. Auf lange Sicht soll ein gemeinsamer gegenhegemonialer Block in Lateinamerika entstehen, um zusammen emanzipatorische Prozesse und Befreiungskämpfe gestalten zu können.
Weil es auch stark gekürzt noch viel Text ist, gibt es für Lesefaule(re) drei Teile, die je eigenständig funktionieren (können).
Ausgangspunkte einer internationalistischen Praxis
Uns ist wichtig, dass wir einen gemeinsamen Kampf über Grenzen hinweg führen und die globalen Herrschaftsdispositive uns alle betreffen: Welche Ausbeutungs- und Unterdrückungsmechanismen existieren über die lokale Spezifik hinaus und welche Auswirkungen haben sie auf das tägliche Leben der Menschen in unseren Ländern? Wenn wir über die Möglichkeit widerständiger Praxis und die Konstruktion von Alternativen in unseren Territorien streiten, denken wir diesen Erfahrungsschatz stets über Grenzen hinweg. Denn es kommt uns darauf an, voneinander zu lernen und Erfolg sowie Scheitern kritisch zu analysieren. Was lässt sich woanders wiederholen und warum sind wir in manchen Bereichen ins Hintertreffen geraten? Welche internationalistischen Handlungsweisen sind für uns selbstverständlich und wo gibt es Nachholbedarf? Wenn wir versuchen, ganz knapp die unterschiedlichen Dimensionen der Unterdrückung zu umreißen, indem wir die schwerwiegendsten Angriffe aus Sicht der Betroffenen skizzieren, geschieht dies im Versuch, Patriarchat, Kapitalismus, Imperialismus und Kolonisation nicht zu trennen oder zu hierarchisieren, sondern in ihrem Zusammenhang zu begreifen. Was also für uns ein essentieller Schritt war und ist, um eine gemeinsame und globale Perspektive zu erlangen, kann hier leider nur stichwortartig angerissen werden.
(I) Multiple Formen der Macht
Wir erleben in unseren Ländern eine immer weitgehendere Durchkapitalisierung aller Lebensbereiche und eine Ausweitung der kapitalistischen Landnahme. Dies hat den Ausverkauf staatlicher Ressourcen sowie die Privatisierung und Kommerzialisierung natürlicher Ressourcen zur Folge.
Die Implementierung neoliberaler Politiken führt zu einer Reduzierung bereits prekärer sozialer Sicherungssysteme, durch rechtliche Deregulierung und Gewerkschaftsverbote verschlechtern sich die Arbeitsbedingungen zunehmend, mangelnde Gesundheitsfürsorge und Investition in Bildung, Steuererhöhungen und die Erhöhung des Rentenalters tun ihr Übriges, die soziale und ökonomische Kluft zwischen Arm und Reich zu verbreitern – ein Phänomen, das sich mit den neuen ultrarechten Regierungen in einigen Ländern verschärft. Bereits seit Jahrzehnten wird überdies das internationale Finanzkapital durch die Verschuldung von Staaten auf der Makro- und die massenhafte Kreditaufnahme von Einzelpersonen auf der Mikroebene gespeist, wobei bei Inflation oder Finanzcrashs wie 2001 in Argentinien ganze Nationen in die Armut stürzen – ihr seid im Bilde … Die strukturellen Veränderungen des Arbeitsmarktes haben die Organisierungs- und Mobilisierungskapazität von Gewerkschaften, Nachbarschaftsvereinigungen und territorialen Organisationen weiter geschwächt.
Damit einher geht ein Verlust von öffentlichen Räumen der sozialen Begegnung und des kulturellen Widerstands. Die Rechten und Konservativen hingegen antworten auf die sozialen Verwerfungen mit einem verstärkten Nationalismus und Sozialchauvinismus. Trotz der Zuspitzung des Klassenwiderspruchs schließen sich breite Bevölkerungsteile der reaktionären Politik an und schren Ängste gegen Fremde, Arme, Homosexuelle oder ethnische Minderheiten.
Extraktive Praktiken im Zusammenhang mit dem Abbau von Kohle, Erdöl und Erdgas, aber auch wichtiger Edelmetalle zur Herstellung von Hoch- und Überwachungstechnologien in den Industrieländern, verringern die Anbauflächen für Nahrungsmittel. Der unkontrollierte Raubbau und der Verstoß gegen Umweltauflagen führen zu einer Umweltkatastrophe und stellen eine ernsthafte Bedrohung für das Überleben der Menschheit dar.
Der Kampf um Rohstoffe und die Kontrolle von Territorien hängt häufig mit illegalen Märkten, Gewaltanwendung und Vertreibungen von indigenen Gruppen und Bauern zusammen. In den Städten erleben wir eine Zunahme der städtischen Latifundien (Großgrundbesitz) und Immobilienspekulationen. Dort funktioniert Vertreibung über Gentrifizierung oder soziale Kontrolle von Vierteln durch bewaffnete Strukturen. Auch Waffen- und Drogenhandel, Sexmärkte und Prostitution sowie Menschenhandel gehören immer mehr zum »kommerziellen Portfolio« bewaffneter Gruppen.
Die Feminisierung der Armut als Strukturelement des Kapitalismus breitet sich weiter aus. Gleichzeitig sind marginalisierte Gruppen wie Migrant*innen, Exilierte, Geflüchtete oder Menschen mit geistigen und körperlichen Defiziten besonders anfällig gegenüber dem kapitalistischen Raubbau am Menschen.
Aus all diesen Gründen erleben wir ein Klima der Resignation, Frustration äußert sich in häuslicher Gewalt gegen Frauen und Kinder und das Aufkeimen feministischer Bewegungen wird mit ökonomischer Diskriminierung, Frauen- und Kinderhandel oder Frauenmorden beantwortet: Dort, wo Menschen und soziale Aktivist*innen sich wehren, erfahren sie gewaltsame Unterdrückung.
Die Militarisierung des öffentlichen Lebens durch staatliche Sicherheitskräfte oder paramilitärische Söldnertruppen, selektive Morde, Verfolgung und Kriminalisierung der Armut und des sozialen Protests, Einschüchterungen und Morddrohungen sind nur einige der eingesetzten Mittel aus dem Arsenal der sozialen Repression. In Ländern mit rechten Regierungen wird das Militär zur Bekämpfung subversiver Kräfte und zur Kontrolle des internen Feindes eingesetzt.
Es steht nicht gut um unsere Sache, doch unsere Erfahrungen beim Aufbau von Gegenmacht zeigen, dass Widerstand möglich ist. Der erfolgreiche Kampf gegen die amerikaweite Freihandelszone ALCA und neue Spielräume für soziale Bewegungen unter den progressiven Regierungen sind Beweise dafür, dass eine Solidarisierung über Grenzen hinweg möglich ist. Das Kapital hat uns Vieles genommen, aber nicht unsere Würde und unseren Willen zum Widerstand, wovon unsere Kämpfe Beweis ablegen.
(II) Poder Popular – Strategien und konkreter Widerstand
Für unsere Strategie der Konstruktion von poder popular können wir auf keine Blaupause zurückgreifen. Mit den Worten einer Genossin aus Argentinien: »Wir sind keine Feministinnen, sondern werden es jeden Tag aufs Neue« – so sind wir auch keine Internationalist*innen, sondern müssen es immer wieder werden. Der Aufbau von Macht ist ein Prozess, den wir jeden Tag aufs Neue begehen und in dem wir voneinander lernen. Um uns als Basisbewegungen zusammen zu finden und gemeinsam zu kämpfen, ist es notwendig, unsere Kräfte zu bündeln. Auch wenn jede Region ihre Besonderheiten hat und jede Bewegung und Organisation auf ihre Weise einzigartig ist, haben wir doch alle gemeinsame Gegner. Aber welche Strategien sind es, die uns einen?
Konstruktion und Verteidigung des Territoriums
Wir alle brauchen einen Ort zum Leben, den gilt es sowohl auf dem Land als auch in der Stadt zu verteidigen. Dazu gehört der Aufbau von Selbstverteidigungsstrukturen (wie z.B. in indigenen Autonomiegebieten), Selbstverwaltung, eigener Justiz, das Etablieren eigener Regeln des Zusammenlebens. Ob in Brasilien, Kolumbien, Guatemala oder Venezuela, wir wissen, was es heißt, uns rechtmäßig zustehendes Land zu nehmen und unseren Lebensraum zu gestalten. Unsere Selbstbestimmung kann Vorbild sein und gleichsam von Beispielen genährt werden. Erfolgreiche Beispiele liefern die Kleinbäuer*innen und Indigenen, sei es in Autonomieregionen mit Ernährungssouveränität oder in Städten als Selbstversorger, und die Recht auf Stadt Aktivist*innen im Kampf für würdiges Wohnen und Schutz vor Obdachlosigkeit. Aber auch die Verteidigung des Zugangs zu Infrastruktur, Gesundheit, Bildung und Arbeit stellen den Kern dieser Kampffront dar. Kämpfe von Jugendlichen in den Städten erkennen wir als revolutionär an, gerade und trotz deren ungewohnter Ausdrucksformen.
Um uns gegen Extraktivismus von Staat und Kapital zu wehren, brauchen wir weltweite Informations- und Recherchenetzwerke, Aufklärung und Austausch, Kampagnen und Klagen vor Gericht. Wir sehen zudem die Notwendigkeit, über die Ländergrenzen hinweg den Austausch zwischen ländlichem und urbanem Raum zu verstärken. Nur so ist es möglich, den Zusammenhang zwischen Konsumgewohnheiten in den Metropolen und der Herstellung von Nahrungsmitteln bzw. Bergbau auf dem Land herzustellen. Nur so lassen sich ungleiche Handelsbeziehungen, Verschuldung, neokoloniale Abhängigkeiten und Klimawandel verstehen.
Uns als Bewohner*innen desselben Planeten Erde zu begreifen, bedeutet ein gemeinsames Territorium zu bewahren und zu gestalten. Teil dieser Auseinandersetzung ist die Verteidigung unseres Lebens, das Recht auf Widerstand und Selbstbestimmung. Wir müssen diese Rechte kollektiv und uns gegenseitig verteidigen. Nicht umsonst sind viele unserer Genoss*innen weltweit von Kriminalisierung und mit dem Tod bedroht. Aber nicht nur gegen die Kriminalisierung, sondern auch gegen Polizei, Militärs und Paramilitärs müssen wir Widerstand leisten, denn ihr Angriff richtet sich gegen uns alle. Die vielfältigen Bedrohungen mahnen zur Verteidigung des Rechts auf Rebellion. Daher ist die Verteidigung der Menschenrechte als Instrument gegen Unterdrückung und Ausbeutung und als Schutz vor staatlicher Gewalt eine zentrale Aufgabe, die nur aus internationaler Perspektive gelingen kann. Solange auch nur ein*e Genoss*in im Gefängnis sitzt, sind wir nicht frei. Immer denken wir sie mit. Um für unsere Freiheit zu kämpfen, müssen wir auf internationale Institutionen wie Gerichte und NGOs bauen, den Austausch über Gerichtsurteile und die Situation von Gefangenen stärken und Prozesse beobachten.
Solidarische Ökonomie und Abwehr des neoliberalen Projekts
Gegen den Neoliberalismus und die Ausbeutung in allen unseren unterschiedlichen Lebenswelten bauen wir solidarische und gemeinsame Netzwerke zwischen Produzenten und Konsumenten, zwischen Stadt und Land auf. Wir überdenken den Konsum und seinen Einfluss auf all unsere Lebensbereiche und stärken alternative Formen des Konsums und Tauschhandels. Neben Solidarischer Ökonomie, Fairtrade und der Aneignung der Produktionsmittel identifizieren wir feministisches Wirtschaften als Kampf mit globaler Schlagkraft. Denn der Aufbau einer anderen Politik beinhaltet auch eine andere Wirtschaftsordnung jenseits von Wertschöpfung und Ausbeutung. Es gilt, dem Kapitalismus Stück für Stück die Wertschöpfungsbereiche zu entziehen und für uns selbst, unter fairen Bedingungen und kollektiv zu wirtschaften. Kooperativen und Subsistenzwirtschaft, bäuerliche Selbstversorgungsregionen und Tauschringe bieten uns Alternativen zum Diktat des Kapitals. Wir verteidigen die Kultur und historische Erfahrung der Kleinbauern und begreifen sie als Rechtssubjekte. Aber auch andere Protestformen weisen den globalen Neoliberalismus (symbolisch) in seine Schranken: Demonstrationen, direkte Aktionen in den Metropolen, die Mobilisierung auf den Straßen der Machtzentren. Unsere internationalistische Praxis im Rahmen dieser Kämpfe umfasst solidarischen Handel, das Organisieren von Aktionstagen gegen Handel mit Rohstoffen, aber auch den Austausch unter spezifischen Sektoren wie beispielsweise der Kleinbäuer*innen.
(III) Antikoloniale Solidarität
Im Kampf gegen Unterdrückung und Kolonialismus stehen wir gemeinsam Seite an Seite. Dekolonisierung muss sowohl territorial, kulturell als auch ideologisch stattfinden. An den dekolonialen Kämpfen in Puerto Rico, Katalonien, dem Baskenland, Guyana, Palästina und Kurdistan nehmen wir teil und verteidigen das Recht auf Selbstbestimmung. Ebenso erkennen wir das Recht unserer Genoss*innen in Venezuela, Kuba, Bolivien und Nicaragua an, sich gegen Interventionismus und Gewalt zu verteidigen. Gleichwohl besteht Diskussionsbedarf über die Rolle der Institutionen und alternativen Regierungen für den Aufbau von gegenhegemonialer Macht. Wir haben unterschiedliche Strategien im Umgang mit institutionellen Kämpfen und ihrem Widerspruch zum Aufbau eigener Strukturen.
Antikoloniale Solidarität ist keine Einbahnstraße, sondern wechselseitig und gemeinsam. Wir verstehen Migration, Flucht und Exil als Konsequenzen der Ungleichheit und als Folge der multiplen Herrschaftsdispositive. Alle Menschen, unabhängig ihres Aufenthaltsortes, haben das Recht sich zu organisieren und Teil des Kampfes und eines weltumfassenden emanzipatorischen Projektes zu sein. Innerhalb unserer Strukturen, Gruppen und Organisationen müssen wir verstärkt über das Thema Migration, Flucht, Exil und Diaspora nachdenken und aufklären. Sie sind die Erben kolonialer Plünderung und postkolonialer Ausbeutungsverhältnisse im globalen Maßstab. Wo die Macht besonders zuschlägt, muss sich besonders solidarisch gezeigt werden. Auch in privilegierten Regionen müssen wir uns als Teil des Kampfes fühlen. Das bedeutet einerseits einen regionalen Austausch zu ermöglichen, aber auch die Partizipation von Migrant*innen, Exilierten und Flüchtenden.
Den Kampf in den Köpfen führen
Die kulturelle, politische und soziale Hegemonie ist in vielen unserer Länder und Gesellschaften von der Rechten dominiert. Selbst auf unsere Träume und intimen Wünsche haben der Neoliberalismus und der rechte Konsens Einfluss gewonnen. Wir sollten uns darüber verständigen, ob neue Sprechweisen über unser revolutionäres Projekt notwendig sind. Wir fragen uns, ob wir eine Strategie brauchen, um uns für Sektoren der Gesellschaft zu öffnen, die sich vom »klassischen« linken Diskurs nicht angesprochen fühlen. Deswegen eignen wir uns unsere Geschichte, unsere eigene Erinnerungspolitik, unsere Symbolik wieder an und stellen Dogmen zur Disposition. Wir feiern Gedenken an unsere Gefallenen und unsere Erfolge. Zudem bauen wir eigenes Wissen über unsere Geschichte auf, fragen, forschen und bilden uns gegenseitig fort. Politische und ideologische Schulungen und Bildungsangebote sind unsere Waffen für den Alltag, denn dort müssen wir Land gewinnen.
Unsere eigene politische Bildung von unten (educación popular) vermittelt unsere Werte und stellt herrschende Positionen immer wieder in Frage. Macht bedeutet auch Überzeugungs- und Schlagkraft in politischen Debatten zu erreichen. Auf diesem Wege können wir die diskursive Deutungshoheit und Definitionsmacht gewinnen. Dazu brauchen wir Aufklärung, Austausch und gemeinsames Nachdenken über uns und unseren Standpunkt in gegenwärtigen Auseinandersetzungen. Unsere Positionen verbreiten wir über eigene Medien und Kanäle, die es auszubauen gilt. Wir brauchen alternative und dekoloniale Kommunikationsformen. Statt einer Konsumkultur und die Vermarktung unserer Traditionen setzen wir auf die Konstruktion einer eigenen kulturellen emanzipatorischen Identität. Wir können auf zahlreiche Prozesse politischer Bildung zurückblicken und erwarten mit Freude die kommenden Treffen. Wir stellen internationale Öffentlichkeit für unsere Kämpfe her.
Viele Feminismen und der Kampf gegen das Patriarchat
Das transnationale Kapital und das Patriarchat sind so eng miteinander verwoben, dass wir zwischen beiden Unterdrückungsformen nicht hierarchisieren können. Im Bereich der Feminismen haben wir zwar in den letzten Jahren die größten Fortschritte erzielt, aber auch die bittersten Niederlagen einstecken müssen. Der antipatriarchale Kampf muss internationalisiert werden. Das bedeutet auch, in unseren eigenen Bewegungen anzufangen und mit patriarchalen, übergriffigen und gewalttätigen Denk- und Handlungsweisen aufzuräumen. Daran anknüpfend entwickeln wir eigene Umgangsweisen im Hinblick auf Beurteilung und Bewältigung der Probleme. Dies ist vielleicht die wichtigste, aber in jedem Falle auch die schwierigste Aufgabe. Der internationale Austausch über eigene Justiz und den Umgang mit dem Patriarchat ist Teil der Befreiung. Für den Aufbau eigener Rechtsprechung und autonomer Verwaltungsstrukturen müssen wir von feministischen Kämpfen lernen: Im Umgang mit Fehlverhalten wollen wir uns kein weiteres Unterdrückungssystem ausdenken und damit Machtstrukturen perpetuieren. Stattdessen können wir alle gemeinsam mit den Herausforderungen wachsen. Die Vielfalt der feminismos populares – auch in Abgrenzung zu akademischen oder »weißen« Feminismen – helfen uns bei der Analyse multipler Dominanzverhältnisse. Erfolgreich haben sich in den letzten Jahren tausende Frauen mobilisiert. Konkret stellen unsere Feminismen die Macht in Frage: Wenn wir sichere Abreibungen organisieren, kritisieren wir nicht nur praktisch die Definition von legal und illegal,sondern bauen konkrete Alternativen und damit Macht von unten auf. Auch wenn wir in unseren verschiedenen Ansätzen Unterschiede vertreten, zum Beispiel bezüglich der Frage nach dem Umgang mit dem Recht auf Abtreibung, kämpfen wir gegen einen gemeinsamen Feind. Die Verteidigung unseres Territoriums fängt bei der Verteidigung unseres eigenen Körpers an. Die Selbstbestimmung darber, was mit uns geschieht, ist unser fundamentales Recht – darin sind wir uns einig. Wir lernen voneinander, indem wir den Austausch unter Frauen organisieren und zusammen an internationalen Aktionstagen für die Abschaffung von Kapitalismus und Patriarchat kämpfen. Die Revolution findet auf den Plätzen, in unseren Bewegungen und in unseren Betten statt!
Aufbau von poder popular statt der Übernahme der Macht
Gemeinsam sind wir davon überzeugt, dass unsere Strategie im Aufbau von Macht besteht. Daher sind wir auf der Suche nach einer strategischen Einheit, um gemeinsam einen entschlossenen Kampf von unten zu führen. Wir lassen uns dabei von ideologischen und politischen Vorbildern leiten, darunter die ethischen und moralischen Bastionen der Widerstandsformen, mit denen wir uns solidarisch erklären. Wir müssen gemeinsame Prozesse identifizieren, die es uns ermöglichen, die entsprechende ideologische und handlungsorientierte Einheit für diesen politischen Moment zu schaffen. Macht bauen wir auf, indem wir uns selbst als Militante reflektieren und konkrete Praktiken entwickeln. Macht von unten muss sich in uns, in unseren Handlungen und in unseren Alternativen für die gesamte Gesellschaft manifestieren. Dafür bauen wir auf einen Internationalismus, der unsere konkreten, lokalen Kämpfe stärkt und sich aus ihnen speist sowie sich im Aufbau von poder popular materialisiert. Die Samen sind ausgelegt, nun gilt es sie zum Keimen zu bringen und ihre Früchte zu ernten.
Bild: Auftaktkundgebung der Großdemonstration vom 23.03.2019 in Caracas.
Unserer Freundin und Genossin Ani war Teil des Seminario Internacionalista des Congreso de los Pueblos und hat das Arbeitspapier für uns übersetzt und zusammengefasst.
Der Congreso de los Pueblos (CdP) ist seit 2010 die Basisbewegung, in der sich ein Gutteil der sozialen Bewegungen Kolumbiens vernetzt.
Das Seminario Internacionalista hat im Vorfeld der Asamblea Legislativa Popular y de los Pueblos stattgefunden, um das Mandat des Internationalismus vorzubereiten und inhaltlich aufzustellen. Dieses Treffen findet im Rahmen einer ganzen Reihe von Organisierungsprozessen in den letzten Jahren und Jahrzehnten statt, wie unter anderem die Plattform ALBA-Bewegungen. Ein weiteres Treffen, auf dem die Debatten weitergefhrt und verdichtet werden sollen, findet im Februar 2019 in Caracas statt. Einige der Organisationen und Bewegungen arbeiten seit vielen Jahren zusammen, andere waren das erste Mal dabei:
Frente de Resistencia Urbana, Frente de los Pueblos, Frente Popular Darío Santillán (FPDS), Pañuelos en Rebeldía aus Argentinien; Movimento dos Trabalhadores Rurais Sem Terra (MST), Movimento dos Pequenos Agricultores (MPA), Brasil de Fato aus Brasilien; Convergencia 2 de Abril aus Chile; Movimiento Comunitario Alfa y Omega aus Peru; Frente de defensa y lucha de taxismo, Indymedia, Profesionales Universitarios del Norte, Coordinadora de Solidaridad Bolívar COSOBO aus Ecuador; Movimiento de Pobladores y Pobladoras aus Venezuela; Congreso de los Pueblos (CDP), Proceso de Comunidades Negras (PCN), Organización Nacional Indígena de Colombia (ONIC), Movimiento por la Defensa de los Derechos del Pueblo (MODEP) aus Kolumbien; Proyecto Nuestra América, Centro Memorial Martin Luther King (CMMLK) aus Kuba; Mesa por la paz y la Solidaridad aus Puerto Rico; Comité de Desarrollo Campesino (CODECA), La Coordinadora Nacional de Viudas de Guatemala (CONAVIGUA), Comité de Unidad Campesina (CUC) aus Guatemala; Organización Popular Francisco Villa de Izquierda Independiente aus Mexiko; der Kurdische Nationalkongress (KNK); Comité de jóvenes Nabd, Proceso de mujeres jóvenes, FILASTINIYAT aus Palestina; Proyecto de Acompañamiento y Solidaridad con Colombia (PASC) aus Kanada; SORTU aus Euskal Herria (Baskenland); Candidatura de Unidad Popular aus Catalunya; Paz con Dignidad, Comité Internacionalista de Zaragoza aus Spanien; Colombia Solidarity Campaign aus England; Capítulo Europa del Congreso de los Pueblos aus der Schweiz. Aus Deutschland waren wir als Interventionistische Linke und die Kolumbien Kampagne aus Berlin vertreten.