Dimitri Koufontinas im Hungerstreik

Dimitris Koufontinas, seit 2002 wegen Mitgliedschaft in der »Revolutionären Organisation 17. November« (OR17N) in Griechenland im Gefängnis und verurteilt zu 11 x lebenslänglich plus 25 Jahren, befindet sich seit 8. Januar im Hungerstreik. Die letzten Tage hat sich sein Gesundheitszustand massiv verschlechtert. Wir dokumentieren hier Dimitris Erklärung zum Beginn seines Hungerstreiks sowie einen internationalen Aufruf zu Solidarität.

Erklärung zum Beginn eines Hungerstreiks von Dimitris Koufontinas

Das Dokument des Ministeriums, über welches ich gestern informiert wurde, enthüllt seine beispiellose Methode mir gegenüber, da demnach in den anderthalb Stunden, die mein Transfer von Kassavetia nach Domokos (beides Gefängnisse in Griechenland) dauerte, wo und auch wie es die »inländische Familie« (gemeint ist hiermit die herrschende Familie, die derzeit in der rechten Regierung sitzt) verlangte. Nun scheint es, dass ich auch noch nach Korydallos versetzt wurde, um zu zeigen, dass das, was das fotografische Gesetz über die landwirtschaftlichen Gefängnisse vorschrieb, welches sie gemacht hatten, um mich von ihnen zu verdrängen, eingehalten wurde.

Vollständige Demütigung der Rechtsstaatlichkeit, für die sie sprechen, völliges Zerreißen ihrer eigenen Gesetze. Dies ist jedoch nicht nur eine Methode zur Ausrottung eines politischen Gefangenen. Nicht einfach nur eine Liebkosung der rechtsextremsten Tendenz einer zunehmend rechtsextremen Regierung. Es ist der Versuch einen Menschen zu stürzen. Nicht für das, was er ist, sondern für das, was er signalisiert, indem er sich weigert dem unerträglichen Druck zu erliegen, den das System auf ihn ausübt, wie vor kurzem die Vertreter der Familie (s.o.) und der Ausgewählte der (amerikanischen) Botschaft betonten.

Nach all dem was offensichtlich passiert ist und all dem was zynischerweise im Krieg gegen mich enthüllt wurde, ist der Hungerstreik nun eine Frage der eigenen Konsequenz und der individuellen Würde.

Da sie auf das Gesetz bestehen, welches sie so provokativ ausgearbeitet haben, müssen sie es nun auch anwenden, zumindest er (gemeint ist hier Chrisochoidis, derzeitiger Innenminister Griechenlands). Und mich wieder in den Keller von Korydallos zurückbringen, in den Sonderflügel, den der Repressionsminister M. Chrisochoidis selbst geschaffen hat, um den 17. November zu begraben und wo ich bereits 16 der 18 Jahre, die ich im Gefängnis bin, verbracht habe.

Dimitris Koufontinas

Gefängnis von Domokos, 8. Januar 2021

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Griechenland: Hungerstreik von Dimitris Koufodinas

Aufruf zu Solidarität

Dimitris Koufodinas ist seit 2002 wegen Mitgliedschaft in der »Revolutionären Organisation 17. November« (OR17N) im Gefängnis und verurteilt zu 11 x lebenslänglich plus 25 Jahren.

Die OR17N war von 1975 bis 2002 in Griechenland aktiv. 2002 löste sie sich auf Grund einer gescheiterten Aktion auf. Während der 27 Jahre ihres Bestehens tötete sie u.a. im Dienst der US-Regierung stehende Personen, Folterer aus der Zeit der Diktatur (1967 bis 1974), Großkapitalisten und Politiker.

1975 war die erste Aktion der OR17N die Erschießung des nordamerikanischen CIA-Chefs für Südeuropa, und seitdem verlangten die USA das Ende der Organisation, ohne Unterlass machten sie Druck auf die griechischen Regierungen wegen ihrer Unfähigkeit, die Mitglieder dieser Organisation zu verhaften.

1989 wurde Pavlos Bakoyiannis, Politiker und Journalist, Schwager des heutigen Premierminister und Vater des heutigen Bürgermeisters von Athen, Opfer der Organisation.

2002 tauchte D.Koufodinas nach einer Kette von Verhaftungen auf und stellte sich, wobei er sich als Mitglied der OR17N zu erkennen gab und die politische Verantwortung für das Handeln der Organisation übernahm.

Sowohl in diesem Moment wie auch während des ganzen Gerichtsverfahrens versuchte er nie sich als Person zu verteidigen und belastete auch nie einen der Mitangeklagten. Mit seiner Haltung gewann er den Respekt und die Sympathie eines großen Teils der griechischen Gesellschaft.

Seit 2002 war Dimitris in einem Spezialtrakt im Gefängnis von Korydallos (Athen) untergebracht, 2018 wurde er in das Gefängnis von Volos gebracht, wo die Gefangenen auf dem Gefängnisgelände landwirtschaftlich arbeiten.

Obwohl er seit 2010 eigentlich das Recht auf Ausgang hatte, wurde ihm das erst 2017 zum ersten Mal zugestanden. Seitdem hatte er nach einstimmigem Beschluss der zuständigen Behörden und der 6maligen Zustimmung verschiedener Staatsanwälte 6 x Ausgang.

Trotzdem gab es zu diesen Ausgangserlaubnissen eine intensive und systematische Polemik seitens einiger Fernsehsender und einiger Politiker, die sich in öffentlichen Erklärungen und verschiedenen anderen Interventionen dagegen aussprachen und forderten, keine weiteren Ausgangserlaubnisse zu erteilen. Darunter waren auch der jetzige Ministerpräsident und seine Familie. Und die Botschaft der USA machte starken Druck.

Das Ergebnis dieser Polemik ist, dass Dimitris seit dem Frühjahr 2019 keine Ausgangserlaubnis mehr bekommen hat. Das wird begründet mit seinen politischen Überzeugungen und seiner Weigerung abzuschwören. Nach griechischem Gesetz gibt es keine Rechtsgrundlage dafür, die Ausgangserlaubnis damit zu verknüpfen.

Der Fall kam vor das höchste Gericht, und das Urteil lautete, dass es für die Ablehnung der Ausgangserlaubnis keine gesetzliche Grundlage gibt. Trotz dieses Urteils änderte das zuständige Gericht der Stadt Volos nicht seine Haltung, und die Ausgänge wurden 2019 endgültig abgelehnt, als die jetzige Regierung an die Macht kam.

Der Präsident der Partei Nueva Democracia, Kyriakos Mitsotakis, hatte öffentlich versprochen, dass, wenn er an die Regierung käme, er per Gesetz D.Koufodinas vom Recht auf Ausgangserlaubnisse vom Gefängnis ausschließen würde und auch davon, seine Strafe in einem Gefängnis mit landwirtschaftlicher Arbeit zu verbüßen.

Im Dezember2020 wurde das Gesetz 4760 -2020 angenommen, in dem festgelegt wird, dass wegen »Terrorismus« Verurteilte vom Recht auf Ausgang aus dem Gefängnis ausgeschlossen werden und ihre Strafe auch nicht in Gefängnissen mit landwirtschaftlicher Arbeit verbringen dürfen. Der einzige Gefangene, der in diese Kategorie passte, war Dimitris. Während der Beratung des Gesetzes wurde sich immer wieder ausdrücklich auf ihn bezogen.

Am 23. Dezember 2020 wurde er überraschend wie bei einer Entführung von Volos nach Domokos verlegt, das viele Kilometer von seiner Familie entfernt liegt, ohne vorherige Benachrichtigung, ohne ihm zu erlauben mit seiner Familie in Kontakt zu treten, und ohne dass er seine persönlichen Sachen mitnehmen konnte.

Im Gefängnis von Domokos befindet er sich in einer Zelle zusammen mit anderen unter Bedingungen von erstickender Enge, wo er – nach 18 Jahren Einzelhaft und in einem Alter von 63 Jahren – jetzt keine ruhige Minute mehr hat. Dieser plötzliche Wechsel ist zerstörerisch, sowohl für seine Denkfähigkeit, seinen emotionalen Zustand als auch seine Gesundheit, die u.a. wegen verschiedener Hungerstreiks in der Vergangenheit sehr geschwächt ist.

Die Verlegung verletzt außerdem das kürzlich verabschiedete Gesetz, nach dem er in das Gefängnis von Korydallos hätte zurück gebracht werden müssen, wo er 16 Jahre lang gefangen gehalten worden ist, und das sich in der Nähe seiner Familie befindet, während Domokos weit entfernt liegt, sodass ein Besuch seiner Familie oder seines Anwalts sehr schwierig wenn nicht unmöglich wird.

Es ist offensichtlich, dass die Verlegung aus Rache geschah, denn Mitglieder der aktuellen Regierung hatten angekündigt, dass sie seine Haftbedingungen verschlechtern würden.

Dimitris hat entschieden einen Hungerstreik zu beginnen um gegen diese ganzen Maßnahmen gegen ihn zu protestieren und seine Verlegung nach Korydallos entsprechend dem kürzlich verabschiedeten Gesetz zu fordern.

Am 8. Januar begann der Hungerstreik, seitdem hat er viel Gewicht verloren, er hat Anzeichen von Übersäuerung (Azidose), Ohnmachtsanfälle, Probleme beim Stehen und bei eigenständiger Bewegung.

Die Willkür und alle Maßnahmen gegen Dimitris – sei es auf Druck der Botschaft der USA, sei es auf Druck der Familie des Premierministers, die Verletzungen der Gesetze, sogar der zuletzt genau zur Verschlechterung seiner Haftbedingungen erlassenen, bilden zusammen einen beispiellosen Fall willkürlicher Einmischung in die Justiz aus persönlicher Rache; Rache, die eine mächtige Politikerfamilie einfordert und dabei ohne zu zögern alle Mittel ausschöpft, die ihr zur Verfügung stehen für diese Rache.

Wir fordern die Verlegung von Dimitris Koufodinas in das Gefängnis von Korydallos entsprechend dem vor kurzem erlassenen Gesetz und das Ende jeder Intervention gegen ihn und jeder diskriminierenden Behandlung, sei es auf legislativer oder faktischer Ebene

Unterschriften für den Aufruf und Solidaritätsbriefe können an diese Mail-Adresse geschickt werden: Ariadni Lelaki (lariadni@yahoo.gr).

Die sehr lesenswerte politische Autobiographie »Geboren am 17. November« von Dimitris Koufontinas ist bei bahoe books erschienen.