Debatte: Lieber Feminismus, wir müssen reden.

»Lieber Feminismus, wir müssen reden« ist unser Call for Papers. Wir wollen Eure Beiträge zum Thema Feminismus in der radikalen Linken, Kapitalismus, Neoliberalismus, dem Rollback traditioneller Rollen- und Geschlechterbilder und queere Debatten in der iL.

Lieber Feminismus, wir müssen reden.

Es ist Februar und wir bewegen uns mit großen Schritten auf den internationalen Frauenkampftag am 8. März zu, der in diesem Jahr zusätzlich Schauplatz eines 100-jährigen Geburtstags wird: Seit 1918 gibt es in Deutschland das Frauenwahlrecht. Der 8. März galt jedoch nie nur diesem Wahlrecht, sondern war von Anfang an ein Tag für den Kampf um die Emanzipation der Arbeiterinnen. Über die Jahrzehnte und politischen Episoden hinweg wandelten sich auch die Kernforderungen. Die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen, Arbeitszeitverkürzungen oder Proteste gegen Kriege sind nur einige der zentralen Schwerpunktsetzungen.

2018 jährt sich jedoch noch mehr. Am 21. Januar 2018, ein Jahr nach der Amtseinführung von Donald Trump, zogen vor allem in den USA Zehntausende zum einjährigen Bestehen des Women's March auf die Straße, um erneut für die Selbstbestimmungsrechte von Frauen und LGBTIQ's und soziale Gerechtigkeit zu demonstrieren. Der Women's March ist bei weitem nicht der einzige feministische Protest der letzten Jahre: Der Czarny (schwarze) Protest gegen das Abtreibungsverbot in Polen, der argentinische Frauenstreik im Kontext der lateinamerikanischen »Ni una menos«-Bewegung oder das Aufbegehren gegen sexualisierte Gewalt durch #MeToo sind nur einige Beispiele.

Parallel zu diesen Protesten macht es den Anschein, Feminismus sei spätestens jetzt vollends im Mainstream angekommen: H&M verwendet Achselhaare und Nonkonformität als Werbestrategie für die Herbstkollektion, im neu gegründeten F-Mag stellen Brigitte Leser*innen »31 Fragen an den Feminismus« und »Wonder Woman« wird zum Kinoerfolg. Und manchmal wird es auch gruselig, zum Beispiel wenn US-Präsident Beraterin Ivanka Trump auf dem W20 Gipfel 2017 in Berlin sagt, sie bezeichne sich selber als Feministin weil sie an die Gleichheit der Geschlechter glaube und damit versucht, etwas salonfähig zu machen, dass Margarete Stokowski sehr passend als »Bullshit-Feminismus« bezeichnet hat. Oder wenn die Identitäre Bewegung die aktuelle Aufmerksamkeit gegenüber sexualisierter Gewalt ausnutzt um mit ihrer »120 Dezibel«-Kampagne völkische Angstszenarien von importierter Gewalt gegen deutsche Frauen zu schüren.

Alles in allem lässt sich feststellen: Über Feminismus wird viel gesprochen. Und dabei bleiben viele Fragen offen: Was bedeutet es eigentlich heute, feministische Kämpfe zu führen? Welchen Einfluss hat der Kapitalismus auf den Feminismus? Verliert Feminismus durch neoliberale Vereinnahmungstendenzen an Radikalität? Und ist das überhaupt eine neoliberale Vereinnahmung oder liegt darin nicht auch emanzipatorisches Potenzial? Kommt ein salonfähig gewordener Feminismus überhaupt gegen den festzustellenden Rollback traditioneller Rollen- und Geschlechterbilder an? Was bedeutet die (notwendige) Defensive für offensiveres Kämpfen und wie drückt sich beides in der Praxis aus? Wo sind all die linksradikalen Positionen, wenn feministische Perspektiven mittlerweile vor allem von der SZ und in den Talkshows der Öffentlich-rechtlichen diskutiert werden? Was muss ein Feminismus beim Nebeneinander verschiedener Strömungen auch aushalten (können), wo sind die Grenzen einer möglichst breiten Aufstellung? Wen erreicht ein radikaler gedachter Feminismus über szeneeigene Kreise hinweg überhaupt? Und schließlich: Ist der 8. März überhaupt noch am Puls der Zeit? Sollte auch die iL ihn weiter als zentralen Termin im Jahr im Kalender stehen?

Bild: Demo zum Frauenkampftag 2015 von Christian Mang.