Winter is coming – RWE & Co enteignen!


Vergesellschaftung ist die Antwort auf die Krisen unserer Zeit

Am Ende eines erneuten Hitzesommers stehen wir vor einer Preis- und Energiekrise, deren soziale Folgen noch gar nicht absehbar sind. Selten war so offensichtlich, dass Klimafrage und soziale Frage unweigerlich miteinander verbunden sind – und Energiepolitik darin eine zentrale Rolle einnimmt. Anlässlich der überregionalen Großdemo »Enteignen statt Krise« zeigen Aktivist*innen von »RWE & Co enteignen« die ganze Absurdität der herrschenden Energiepolitik in der Krise auf und argumentieren, dass Klimagerechtigkeit nur mit der Vergesellschaftung von RWE & Co. möglich sein wird.

Ohne Energie kein Licht, kein Kühlschrank, kein Internet, kein Nichts. Diesen Winter werden knapp 30 Millionen Menschen in Deutschland ihre Energierechnung nicht mehr zahlen können. Ein Grundbedürfnis wie Energie darf nicht weiter von Großkonzernen geregelt werden. Wir müssen RWE & Co. enteignen, um Energieversorgung für alle sicherzustellen. Die Krisen dieser Zeit zeigen: Klima und soziale Frage müssen nicht »zusammen gedacht werden«, sondern sind unweigerlich miteinander verbunden; same shit einer menschenfeindlichen und kapitalistischen Energieproduktion.

Die Realität der Energiearmut …

Seit Jahren streitet die Klimagerechtigkeitsbewegung darum, die aktuelle Form der Energieproduktion als dreckig und ausbeuterisch zu entlarven. Aber auch die Verteilung dieser Energie ist im höchsten Maße ungerecht. Energie haben oder nicht haben: Nicht ohne Grund gibt es für letzteres einen Begriff: Energiearmut. In Großbritannien gilt als »energiearm«, wer mehr als 10 Prozent des Nettoeinkommens für Strom, Gas und Heizung zahlt. In der BRD gibt es keine einheitliche Definition. Hier zeigt sich: Obwohl 2019 bereits knapp 300.000 Haushalten der Strom abgeklemmt wurde, fand nie eine richtige öffentliche Debatte darüber statt, was Steckdose und Heizung mit Armut zu tun haben. Diese Debatte ist spätestens in diesem Herbst überfällig.

Diesen Winter entlarvt sich einmal mehr die Farce des Sozialstaats, in einer Größenordnung, wie wir es zuletzt bei Hartz IV erlebten. Was uns diesen Winter erwartet, ist nichts anderes als der größte Sozialabbau seit Hartz IV. Während bisher schon ein Viertel der Haushalte in der BRD nach der oben genannten Definition energiearm waren, werden in diesem Winter knapp 30 Millionen ihre Energierechnung gar nicht mehr zahlen können, prognostiziert der Mieterbund. Eine bisher unter den Teppich gekehrte Problematik wird nun zum Massenphänomen.

… und die Absurdität der Gasumlage

Und was ist das Erste, was den Herrschenden einfällt? Eine Gasumlage, bei der Verbraucher*innen mehr zahlen, damit Unternehmen Gas weiter für erschwingliche Preise beziehen können. Ohnehin zahlt die Industrie für ihren Strom einen minimalen Teil des Endverbraucher»*innen-Preises. Was als »Rettungsmaßnahme« daherkommt, entpuppt sich immer mehr als Umverteilung von unten nach oben. Während RWE seine Gewinnprognose neulich erst um über eine Milliarden nach oben korrigiert hat, müssen Endverbraucher*innen den Konzernen zusätzliche Profite direkt in die Tasche zahlen.

Übrigens: Schon ohne Gasumlage ist der Gaspreis im letzten Jahr um mehr als 100 Prozent gestiegen. Statt der Einführung der Gasumlage sollten jetzt sofort Übergewinne besteuert, Energiepreise gedeckelt und Sicherheit vor Zwangsräumung und Stromklemmen garantiert werden. Und das wäre nicht mal ein Stück vom Kuchen, sondern das absolute Minimum. Und bekanntlich wollen wir ja die ganze Bäckerei …

Wir wissen gar nicht, wie wir die Absurdität in Worte fassen sollen: Seit Jahrzehnten ist bereits bekannt, dass RWE & Co. mit dem Abbau und der Verwertung fossiler Energieträger wortwörtlich den Planeten zerstören und nebenbei Milliardenprofite einstreichen. Regierungen bieten nicht nur keine Lösungen, sondern subventionieren die systematische Zerstörung – in Deutschland jährlich mit etwa 70 Milliarden Euro. Nebenbei 2012 & 2014 die EEG-Umlage – und damit nicht nur die ganze Energiewende, sondern und tausende potentielle Arbeitsplätze – zu killen, war für die Regierung kein Problem. Das zeigt: Energie wird und wurde immer schon in höchstem Maße nach politischem Interesse verwertbar gemacht, ohne Rücksicht auf Verluste.

Die Folgen der Klimazerstörung konfrontiert Milliarden Menschen mit Hunger, Dürre, Flutkatastrophen und Flucht, aber die fossile Industrie sitzt fest im Sattel, unterstützt und behütet von Regierungen weltweit. Jetzt strauchelt genau diese fossile, versteinerte Energieversorgung in Europa massivst und die allerersten Manifestierungen einer sich anbahnenden Versorgungsknappheit werden per Gasumlage an Verbraucher*innen weitergegeben, ohne mit der Wimper zu zucken.

Wichtige Weichenstellungen

Wenn wir es nicht schaffen, diesen Winter eine faire und bezahlbare Energieversorgung zu erstreiten, ist auch jeder Fortschritt bei der Klimafrage gestorben. Unter dem Vorzeichen der Versorgungssicherheit erleben zurecht als längst ausgedient geltende Energieträger schon jetzt diskursiv ein Comeback sondergleichen. Schon längst werden aus CDU, FDP und AfD Rufe nach der Verlängerung von Atomkraftwerken laut. Merz und Söder inszenieren sich schamlos vor dem AKW Isar 2. RWE erklärt sich natürlich auch bereit, die im »Sicherheitsbetrieb« laufenden Kraftwerke Neurath C, Niederaußem E und F weiter zu betreiben. Es wird ein falscher Widerspruch zwischen Klima und sozialer Frage konstruiert, dabei wird keine Kohle- und Atomkraft der Welt sicherstellen, dass alle im Winter heizen können. Und trotzdem: Wenn Energie für die breite Gesellschaft ein Luxusgut wird, können wir unsere Forderung nach ökologischer und erneuerbarer Energie direkt stecken lassen.

Keine Klimagerechtigkeit ohne Vergesellschaftung von RWE & Co.

Noch vor der akut drohenden Energiekrise ist »RWE & Co enteignen« als Versuch entstanden, aus den kosmetischen Korrekturforderungen der Klimagerechtigkeitsbewegung raus zukommen. Kohleausstieg, der Erhalt von Dörfern und Wäldern, Appelle an die Regierung – so richtig und wichtig diese Kämpfe auch waren und sind – sie lassen sich großartig in eine neoliberale und kapitalistische Maschinerie einhegen. Mittlerweile bekommen wir Sozialabbau und Rechtsruck in Grün und eine »neue RWE«, vegane IKEA-Fleischbällchen und der obligatorische Nachhaltigkeits-Reiter auf jeder Konzernwebsite. Dies sind nur einige Beispiele der endlosen Greenwashing-Kampagnen.

Während Teile der Klimagerechtigkeitsbewegung tatsächlich immer noch versuchen, Endverbraucher*innen per Kulturwandel vom SUV-Fahren abzubringen, teilt sich die Bewegung immer weiter in spezialisierte Themengebiete auf. Das große Ganze geht verloren und stattdessen wird versucht, Gas als nächste »Brückentechnologie« einige Jahre der Laufzeit zu stehlen. Wir müssen uns wirklich fragen: Ist die Überwindung des Kapitalismus tatsächlich noch Ziel und Utopie? Oder haben wir uns gehen lassen, sind ein aktualisierender Arm des Hegemonieprojekts »grünes Wachstum« geworden?

Auch wir kommen aus einer Bewegung, die Millionen Menschen mobilisiert hat und gewohnt ist, zu gefallen. Eine Bewegung, die ein Thema auf die Tagesordnung gesetzt hat, was plötzlich alle gut und richtig fanden; auch eine Bewegung, die es sich so sehr in den Kopf gesetzt hat, (fast) alle mitzunehmen. Wir möchten lernen, wieder anzuecken, den Diskurs tatsächlich zu erweitern und dafür auch mal nicht zu gefallen.s Uns geht es darum, greifbar zu machen: Die Frage um Stromversorgung ist grundsätzlich nicht mit einer Marktlogik vereinbar, noch weiter, sie muss ihr entzogen werden!

Die aktuellen Krisen spitzen sich zu. Wir müssen Antworten finden.

Die Sanktionen gegen Russland und dessen blutiger Angriffskrieg auf die Ukraine führen zu Gasknappheit, ergo zu höheren Gaspreisen. Aber trotzdem ist die Inflation, die wir gerade erleben, kein Ergebnis tatsächlicher Knappheit. Profitmaximierung ist auch in der Krise das oberste Gebot von Unternehmen, die steigende Energiepreise einfach an Verbraucher*innen weitergeben. Während die Kosten für Energie, Lebensmittel und alles andere explodieren, bleiben Löhne und Sozialleistung fast gleich Diese Inflation macht sich inzwischen für die meisten wöchentlich an der Supermarktkasse bemerkbar. Und auch von glühenden Hitzesommern und eiskalten Wintern wissen wir schon seit Jahren. Dass diese uns nicht erst ab 2050 erwarten, ist die eine Sache. Dass eine angemessene Vorbereitung oder gar eine konsequente Ursachenbekämpfung von Seiten der Regierung komplett ausbleibt, eine andere.

Klar ist: Hier bahnen sich drastische Krisen an, und der vermeintlich so resiliente, naturgegebene Kapitalismus führt uns in Knappheit, Unsicherheit und einen drohenden Kollaps. Was Gastro und Kultur schon während der Corona-Pandemie bemerkt haben, zeigt sich noch deutlicher mit der Gasumlage: Keine staatlichen Strukturen werden die Kosten und Krisen unserer Zeit auffangen oder gar verhindern. Wenn das der Anfang vom Ende ist, erwarten uns bittere und unsichere Zeiten.

Selten war deutlicher: Individuelle Konsumeinschränkungen sind keine Lösung. »Den Gürtel enger schnallen« und moralisierend Duschzeiten zu diskutieren, sind in der aktuellen Situation absurd und trotzdem von Seiten der Politik eine Art von Dauerbeschallung. Die politische Rechte hat das längst erkannt und mobilisiert bereits zu einen »nationalistischen Wutwinter«. Während sich zwischen Putin-Fans, Schwurblern und strammen Neonazis tatsächlich ein Schulterschluss mit einem diffusen politischen Nein zu formieren droht, framen Medien und Politik präventiv jeden kommenden Protest gegen Armut und Krise als rechtsextrem. Es wirkt beinah wie eine sich selbst erfüllende Prophezeiung, der wir linke Antworten entgegensetzen müssen!

Was also tun, wenn der Markt, wie immer, einen Scheiß regelt?

Die weitgehende Privatisierung der kommunalen Versorgung von den 1990er Jahren an verschonte auch die Energieproduktion nicht. Privatisierung sei, so der ideologische Hintergrund, ein Garant dafür, dass die Versorgung effizienter, ergebnisorientierter, transparenter und weniger zentralistisch ablaufe als zuvor. Ob sich das bewahrheitet hat? Die Krisen dieser Zeit sprechen für sich …

Der kapitalistische Markt könnte nicht weiter weg davon sein, uns alle gut, gerecht und innerhalb der planetaren Grenzen mit Energie zu versorgen. Energiekonzerne versuchen nicht einmal, uns sicher durch diese Krise zu bringen, sie profitieren im Gegenteil in Milliardenhöhe von ihr. Und wer nicht zahlen kann, wird vom Netz genommen – egal ob es 350.000 oder Millionen sind.

Daher muss es jetzt heißen: Energieproduktion vergesellschaften! Wir wollen RWE & Co nicht auf dem Markt und auch nicht in Staatshand – und auch die 24% kommunaler Anteile des Großkonzerns interessieren uns nicht. Wir wollen über unsere Energieversorgung selbst bestimmen. Wir wollen Versorgung für alle, nicht Profite für wenige. Wir dürfen den Rechten nicht das Feld überlassen. Wir müssen uns einmischen, streiken, organisieren und uns wehren! Die Krisen unserer Zeit zeigen: Ökologische und sozial gerechte Energieversorgung geht nur mit Vergesellschaftung. Lasst uns vor allem in diesen unsicheren Zeiten dafür kämpfen!

Autor*innen: Aktivist*innen von RWE & Co enteignen.

Bild: Frozen Monster, von Erich Ferdinand.