Debatte: #Enteignen und Vergesellschaften


Von der Richtungsforderung zur konkreten Praxis?!

Am 26. Februar 2021 hat »Deutsche Wohnen & Co. enteignen!« in Berlin die zweite Stufe ihres Volksbegehrens zur Enteignung und Vergesellschaftung großer Wohnungskonzerne gestartet. Ein idealer Anlass, um mit Euch über #Enteignen und Vergesellschaften als linke Strategie und Perspektive zu diskutieren, im Feld Wohnen und darüber hinaus. Hier unser Aufruf – andiamo!

Jetzt gilt’s: In der zweiten Sammelphase ihres Volksbegehrens muss die Initiative »Deutsche Wohnen & Co. enteignen!« in Berlin bis Ende Juni rund 170.000 gültige Unterschriften sammeln, damit die Berliner*innen im Herbst in einem Volksentscheid über die Vergesellschaftung großer Wohnungskonzerne entscheiden können. Bei einem positivem Votum würden alle Wohnungskonzerne mit mehr als 3.000 Wohnungen enteignet und die Wohnungen in Gemeingut überführt und demokratisch verwaltet, d.h. vergesellschaftet. Klingt crazy, ist aber plötzlich im Bereich des Möglichen – vorausgesetzt, »Deutsche Wohnen & Co. enteignen!« erhält nicht nur in Berlin, sondern auch bundesweit die nötige Unterstützung. Mehr dazu hier oder unter bundesweit@dwenteignen.de.

Als Interventionistische Linke haben wir #Enteignen und Vergesellschaften in der Vergangenheit vor allem als »Richtungsforderung« und »roten Faden interventionistischer Politik« diskutiert, z.B. in unserer Vergesellschaftungsbroschüre aus dem Jahr 2012 oder in der Broschüre »Das Rote Berlin« von 2018. Mit der Initiative »Deutsche Wohnen & Co. enteignen!« ist diese strategische Perspektive für unsere Genoss*innen und viele weitere Aktive in Berlin mittlerweile zur konkreten Praxis geworden. Auch darüberhinaus zeigen Initiativen wie das »Miethäuser Syndikat« oder lokale Kämpfe um Stadtentwicklung und kommunale Wohnungsgesellschaften schon seit längerem, dass die Forderung nach Vergesellschaftung im Bereich Wohnen und Stadt keineswegs rein abstrakt bleiben muss. Aber auch in vielen anderen gesellschaftlichen Feldern – von Gesundheit und Care über Bildung und Digitalisierung bis hin zu Verkehr und Energie – wird in der gesellschaftlichen Linken seit Jahren über die Notwendigkeit von Enteignung und die Zielperspektive der Vergesellschaftung diskutiert. Häufig mangelt es dabei jedoch an konkreten Projekten, die über soziale Nischen hinausgehen, eine politische Zuspitzung provozieren und gesamtgesellschaftlich die Eigentums- und Machtfrage stellen.

Gerade weil »Deutsche Wohnen & Co. enteignen!« dies gelingt, wollen wir den Start der zweiten Sammelphase der Kampagne zum Anlass nehmen, hier auf dem Debattenblog mit Euch in die Diskussion zu kommen: Welche Rolle kann oder muss #Enteignen und Vergesellschaften in den Strategien einer gesellschaftlichen radikalen Linken einnehmen – gerade jetzt in Zeiten der Coronakrise und ihrer Folgen? Wie ist das Verhältnis zu breiteren Diskussionen um Transformation, Revolution und Bruch, wie wir sie auch hier auf dem Blog geführt haben und weiter führen? Welche Erfahrungen gibt es, auf die wir aufbauen können, im Positiven wie im Negativen, historisch und gegenwärtig? Wie lässt sich verhindern, dass die Perspektive der Vergesellschaftung im Klein-Klein realpolitischer Kämpfe aufgerieben wird und am Ende nur schlechter Reformismus, Milliardenentschädigungen für große Konzerne und bloße Verstaatlichung rauskommen? Und welche konkreten Projekte lassen sich aktuell und für die Zukunft benennen, die #Enteignen und Vergesellschaften tatsächlich zur Praxis werden lassen und die gesellschaftlichen Verhältnisse umwerfen? Was für Formen der Organisierung, des Aktivismus und der politische Arbeit braucht es dafür – und wer soll das tun?

Fragen über Fragen – und eine Einladung. Macht Euch Gedanken, diskutiert mit euren Friends, haut in die Tasten und schreibt uns unter blog@interventionistische-linke.org. Wir freuen uns auf Eure Beiträge und hoffen, dass das Gespenster der Enteignung bald nicht nur in Berlin umgeht!

Bild: Proteste gegen die Hauptversammlung von Deutsche Wohnen am 18. Juni 2019 in Frankfurt, @Interventionistische Linke Frankfurt.