Was tun gegen die AfD?


Ein Beitrag aus einer Berliner Perspektive

Viel wird gerade geschrieben. Über die AfD, über ihren Einzug in den Bundestag als drittstärkste Fraktion. Eine Suche nach Erfolg versprechenden Strategien gegen die »rechte Gefahr«, die seit ein paar Wochen von vielen wie selbstverständlich als »faschistisch« bezeichnet wird.

I.

Zwischen Straßenkampf und breiten Bündnissen

Als eine Mischung aus Angst und Genugtuung beschreibt Genossin Sophie aus Leipzig ihre Reaktion auf den Wahlerfolg der AfD in Sachsen. Auch uns sind diese Gefühle nicht fremd: Im Wahlkreis Cottbus-Spree-Neiße erhielt die AfD bei der Bundestagswahl im September 2017 die meisten Zweitstimmen, noch vor der CDU. »Die Zeit des Redens ist vorbei. Es geht um die Rettung der Menschlichkeit«, schreibt Sybille Berg auf Spiegel online und der mediale Shitstorm lässt nicht lange auf sich warten. Ihre Antwort auf die Frage »Was tun gegen die AfD und ihre Anhänger?« lautet: »Vielleicht ist der Schwarze Block, die jungen Menschen der Antifa, die Faschisten mit dem einzigen Argument begegnen, das Rechte verstehen, die einzige Bewegung neben einem digital organisierten Widerstand, die eine Wirkung hat.« Also zurück zum Faustrecht? »Schlagt die Faschisten, wo immer ihr sie trefft«? Nach der Zeit der großen spektrenübergreifenden Bündnisse im Kampf gegen den Faschismus klingt das allzu sehr nach »Jeder zurück in seine Ecke«. »Die Antifa« kümmert sich um den Straßenkampf, und was machen die anderen so?

Der Rechtsruck unserer Bündnispartner*innen

Erst jüngst kündigte der DGB Bayern die Räumlichkeiten für einen in München stattfindenden »Antifa-Kongress«. Der Widerruf vom Widerruf erfolgte erst nach zahlreichen Interventionen verschiedener Gewerkschaftsfunktionäre und Bündnispartner_innen. Der Vorfall zeigt nicht nur, wie sehr der gesellschaftliche Mainstream mittlerweile nach rechts verschoben ist, sondern auch, welche Gefahren lauern, wenn allzu sehr die Verbindung zu früheren Bündnispartner*innen verloren geht. Große, spektrenübergreifende Bündnisse waren dabei nie Selbstzweck, sondern sollten zu einer Verankerung des antifaschistischen Kampfes auch an der Basis der jeweiligen Verbände, Organisationen und Vereine beitragen. Denn beim Kampf um bessere Arbeitsbedingungen geht es nicht nur um Lohn, Arbeitszeit oder Form und Höhe von Zuschlägen, sondern durchaus auch um das kollegiale und solidarische Miteinander am Arbeitsplatz. Gewerkschaftliche Kampagnen wie »Mach meinen Kumpel nicht an!« sind nicht nur schon lange her, sondern scheinen beim „Tanker“ DGB auch deswegen in Vergessenheit zu geraten, weil dafür ein erheblicher Teil der Mitglieder derzeit wohl schwer zu erreichen sein dürfte. Ob die Versuche der Vereinnahmung vonseiten der AfD erfolgversprechend sind, wird sich bei den diesjährigen Betriebsratswahlen zeigen. Das »Zentrum Automobil« hat bereits angekündigt, bundesweit in verschiedenen Betrieben an den Wahlen teilnehmen zu wollen, u.a. in Sachsen. Die Liste hat bei den letzten Betriebsratswahlen bei Daimler in Stuttgart zehn Prozent bekommen und nicht nur Kontakte in die Naziszene, sondern auch zur Identitären Bewegung, der neurechten NGO 1Prozent und zur AfD. Bei der Compact-Konferenz Ende 2017 traf man sichdann zur Familienfeier. Anfang 2018 organisierte 1Prozent eine Schulung, wie man am besten bei Betriebsratswahlen antreten kann.

Im Alltag verankert

Eine ähnliche Akteurs-Konstellation ist im Süden Brandenburgs zu beobachten: Die als Bürgerinitiative getarnte Gruppe »Zukunft Heimat« dient dabei als Sammelbecken von u.a. NPD und Identitären. Die Beteiligung von Mitgliedern ehemaligen Kameradschaften wie den Spreelichtern wird vermutet. Gemeinsam tingelt man monatlich durch die Dörfer der Region, verbreitet seine Botschaft von Hass und Missgunst und wirbt für den Stammtisch der AfD, der an wechselnden Orten in Südbrandenburg stattfindet. Vermeintlicher Finanzierer: 1Prozent. Dabei hat der Regionalleiter Berlin-Brandenburg der Identitären Bewegung, Robert Timm, keinerlei Berührungsängste mit führenden NPD-Kadern. Das wurde beispielsweise beim Spiel von FC Energie Cottbus gegen Babelsberg 03 und dem anschließenden Sturm des Platzes mit dem Übergriff auf den Fanblock von Babelsberg Ende April 2017 deutlich. Ohnehin dient Fußball als Identifikationsmoment in der Region. Zuletzt erklärte die größte Fan-Gruppierung von Energie Cottbus ihre Auflösung, weil sie von der extrem rechten Gruppierung »Inferno99« unterwandert sei. Diese hat seit dem flächendeckenden Verbot von zahlreichen Kameradschaften in der Region 2012 einen stetigen Zulauf, was nicht ohne Folgen blieb: Die gewaltbereiten Energie-Hools sind inzwischen fester Bestandteil von Aufmärschen in der Region. Und trotz der Verbote 2012 konnten mit den »Zukunft Heimat«-Demos Zuspruch und Verankerung in weiten Teilen der Bevölkerung in der Lausitz hergestellt werden. Die Wahlerfolge der AfD im September 2017 haben gezeigt, dass es dabei eine reibungslose Zusammenarbeit zwischen einem parlamentarischen und einem aktionistischen Arm geben kann, die »funktioniert«.

II.

Keine Antworten – Trotzdem Wahlerfolge

Als erste Erkenntnis bleibt festzuhalten: Nicht nur in der Lausitz hat sich die AfD breit aufgestellt. Ob durch ihr eigenes Zutun oder schlicht aus Glück, scheint an dieser Stelle erst mal unerheblich. Sie ist kein Randphänomen, das nur in bestimmten Teilen der Gesellschaft Erfolg hat. Vielleicht ist sie auch gerade deshalb so erfolgreich, weil sie wie ein Chamäleon verschiedene Facetten bedienen kann und zu den drängenden Problemen, gerade den sozialen, keine Ideen oder gar Antworten hat. Ihr Erfolgsgeheimnis könnte durchaus darin bestehen, dass jede*r in dieser Partei sieht, was er*sie gern sehen möchte. Die einzigen Hard-Facts, die dann doch geliefert werden, sind: Grenzen zu! Dass diese Forderung so illusorisch wie unmöglich ist, wird dabei natürlich schlicht verschwiegen. Würde sich ja sonst schlecht machen. Dass in Zeiten des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs der Personenverkehr eingeschränkt wird, würde erst mal zum Verlust eigener Privilegien führen, deren Ausmaß gar nicht richtig einschätzbar ist. In einem größeren Maßstab zeugt auch das Lavieren von Theresa May in Sachen Brexit von der Unsicherheit in dieser Frage.

Abwarten ist keine Option

Oft kommt der Vorschlag, darauf zu warten, dass die Flügelkämpfe in der AfD ihre Wirkung entfalten – sich die Partei also von innen zerlegt, weil von außen so wenig Optionen bestehen. Schon nach dem Ausstieg von Lucke, aber erst recht nach dem Austritt von Petry & Co. ist klar, dass das nicht passieren wird. Die AfD hat bislang alle internen Machtgeplänkel überstanden, weil sie mit keiner Führungsfigur allzu stark verbunden wird: Neben Frauke Petry hat immer auch ein Björn Höcke von sich reden gemacht und Alexander Gauland wird als die graue Politik-Eminenz der AfD mit den gleichen rassistischen Kommentaren wie Höcke in allen Talkshows ernst genommen. Vielmehr scheinen die kleinen Skandälchen die Partei zu nähren und über die inhaltlichen Dürrestrecken zumindest im medialen Diskurs am Leben zu erhalten.

Arme kleine AfD-Wähler*innen?

Viel wurde berichtet über die trostlosen Landstriche in Sachen-Anhalt zwischen Leuna-Werken und A9. Doch die Wähler*innen der AfD alleine als Menschen aus vergessenen, verlorenen Regionen darzustellen, ist ebenso falsch wie gefährlich. Sicherlich, diese Partei wird aus Protest gewählt und dabei profitiert sie von »ressentimentgeleiteten Angst- und Abstiegserzählungen, die sie selbst entwirft«. Dass eben diese Erzählungen auf so fruchtbaren Boden fallen, kommt nicht von ungefähr. Es hat mit der Entwertung − nicht nur im medialen Diskurs − der Erfahrungen und Erlebnisse der Menschen in der DDR zu tun. Überspitzt formuliert: DDR-Geschichte gibt es so gut wie nicht und wenn, dann ist sie böse. Damit verbunden verschwinden selbstverständlich auch Biografien und irgendwann Menschen. Erlebtes ist nicht allgegenwärtig, wird nicht mehr sagbar; als ob es gar nicht existent war. Und wenn man davon erzählt, dann nur im kleinen Rahmen, im Kreis von Gleichgesinnten. Merkels »Wir schaffen das!« wirkte wie eine Ohrfeige auf all diejenigen, zu denen das in den 1990er Jahren nie gesagt wurde. Gleichwohl sind Sexismus, Antifeminismus, (antimuslimischer) Rassismus bis hin zu offenen faschistischen Tendenzen in der AfD nicht zu übersehen. Es ist also kaum zu glauben, dass ihre Wähler*innen nicht wissen, bei wem sie da ihr Kreuz machen. Genau und gerade deswegen kann Politik von uns als radikale Linke nicht darauf abzielen, mit eben jenen AfD-Wähler*innen ins Gespräch zu kommen. Die Kraft, Zeit und Energie, die man aufwenden muss, jemanden von seinem rassistischen und antifeministischen Weltbild wegzubekommen, ist in der Stärkung von antirassistischen und feministischen Initiativen vor Ort viel besser aufgehoben. Nur so kann auch der Aufbau von Gegenmacht tatsächlich funktionieren.

III.

Uns läuft die Zeit davon

2019 stehen die Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen ins Haus. Während Sachsens AfD-Chef Siegbert Droese bereits darüber nachdenkt, wie er die CDU dazu zwingen kann, mit ihm zu koalieren, wird in vielen Teilen der radikalen Linken noch immer um die richtige Analyse zur AfD und ihrer Wähler*innenschaft gestritten. Dabei ticket die Uhr verdammt schnell – und zwar gegen uns. Auf die Frage »Was tun?« muss daher die erste Antwort lauten: Wir müssen den Normalisierungstendenzen der AfD als bürgerliche Partei entschieden entgegenwirken. Sei es bei den wenigen Gelegenheiten auf der Straße, wie beispielsweise den Parteitagen auf Landes- oder Bundesebene oder aber auch im lokalen Raum bei Infoständen, Wahlkampfveranstaltungen oder Demos mit AfD-Beteiligung.

In die Provinz!

Dabei ergibt es aus einer Berliner Perspektive wenig Sinn, sich allein auf den antifaschistischen Kampf in Berlin zu konzentrieren, wenn sich 100 Kilometer weiter im Süden erneut ein Sumpf aus hochgradig gewaltorientierten Nazis, IBlern, Rockern, Wachschützer*innen, Kampfsportler*innen, Fussballhools mit entsprechender musikalischer Untermalung durch »Rock-Festivals« formiert. Erst jüngst ist ein Vorfall aus Cottbus in die Presse gelangt: Demnach sind sechs Personen in der Silvesternacht in eine Flüchtlingsunterkunft eingedrungen und haben die dortigen Bewohner*innen bedroht und teilweise durch Glasflaschen verletzt. Die Rolle des Wachsschutzes wird derzeit noch untersucht, heißt es. Es gibt jedoch Hinweise, dass man nicht nur tatenlos danebenstand, sondern den Angreifer*innen auch die Tür geöffnet habe.

Gegenwehr auf der Straße...

Die schlichte Fokussierung auf Nazis greift dabei sicherlich zu kurz gegriffen. Dennoch stehen wir als radikale Linke erneut vor dem Problem, dass nicht nur unsere Positionen im öffentlichen Diskurs weiter marginalisiert werden, sondern es teilweise zu offenen Anfeindungen und Bedrohungssituationen kommt, das trifft vor allem Aktivist*innen in der Provinz. Für diese Personen und Initiativen können und müssen wir eine Perspektive bieten. Berlin als Leuchtturm zu denken, um vor Ort in der Region in Brandenburg Gegenmacht aufzubauen, kann nicht funktionieren. Die rechte Mischszene in Südbrandenburg ist so gefährlich, weil hier gewaltbereite Nazis den Wahlkampf der AfD organisieren. Dieses Phänomen kennt man bereits aus Österreich und kann zu einem Umbau bzw. einer Restrukturierung einer ganzen Szene führen, mit weitreichenden Folgen: Weitere Stimmzuwächse bis hin zum Worst-case-Szenario einer Regierungsbeteiligung bei den Landtagswahlen (insbesondere in Sachsen) bedeuten mehr finanzielle Ressourcen für die AfD. Die erst jüngst gegründete erste parteinahe Stiftung der AfD in Sachsen-Anhalt ist nur der Anfang; damit sind neben den finanziellen Mitteln der Parlamentsfraktionen weitere Geldquellen und natürlich bezahlte Stellen verbunden. Weg vom Straßenschläger-Image hinein in die Parlamente. Geboxt werden kann sich dann noch beim Fußballspiel des örtlichen Viert- oder Fünftligisten am Wochenende. Auch hier ist Österreich ein mahnendes Beispiel: Neben Burschenschaften, Identitärer Bewegung und FPÖ gibt es in der Alpenrepublik »klassische Nazi« so gut wie nicht mehr. Damit verschwinden auch althergebrachte Straßen- und Aktionskonzepte und für uns die entsprechenden Handlungsoptionen.

...und in den Parlamenten

Zweitens müssen wir einen Umgang mit AfD als Partei im Parlament finden. Wir erleben jetzt schon, dass über »Feindlisten« und Kleine Anfragen unsere Bündnispartner*innen immer mehr unter Druck gesetzt werden. Einem permanenten Rechtfertigungs- und Erklärungszwang ausgeliefert, warum jetzt welche antirassistische und feministische Initiative wie viel staatliche Mittel und Unterstützung bekommt, erleben wir ein Wiederaufkommen der Diskussionen und eine Verschärfung der Extremismusdoktrin. Daneben müssen wir mit ansehen, wie die AfD die bürgerlichen Parteien bei den Themen Innere Sicherheit und Migration weiter vor sich hertreibt und CDU bis Linkspartei scheinbar über jedes hingehaltene Stöckchen springen, in der Hoffnung ein paar abhandengekommene Wähler*innen zurückzubekommen. Ein irgendwie gearteter »Dritter Pol«, der im »Sommer der Migration« kurz aufblitzte, ist in seine Einzelteile zersprungen. Entsprechend herrscht an der Stelle eines fortschrittlichen Klassenprojektes, das nicht standort- oder nationalstaatlich gedacht ist, gähnende Leere. Auch DIE LINKE macht medial derzeit mehr mit ihrem »national-sozialen« Flügel um Sahra Wagenknecht von sich reden, als emanzipatorische Politik zu betreiben. Gerade dieser permanenten Diskursverschiebung nach rechts und der damit einhergehenden Marginalisierung der eigenen linken Position muss etwas entgegengesetzt werden. Zumal daraus handfeste Politik werden kann. Eine AfD in einer Landesregierung würde beispielsweise postwendend die Streichung finanzieller Mittel für zahlreiche Initiativen zur Folge haben bis hin zur Wiedereinführung der Extremismusklausel und Ähnlichem.

Die Basis erreichen

Vor diesem Hintergrund sollten wir darüber nachdenken, ob, wo und wie wir mit unseren traditionellen Bündnispartner*innen eine Allianz gegen die AfD schmieden können, die nicht nur auf dem Papier besteht, sondern von der tatsächlich eine Ausstrahlung in die Basis der jeweiligen Organisationen, Verbände und Parteien ausgehen kann. Nur so können wir eine Entsolidarisierung verhindern und uns gegenseitig in unserer Wahrnehmung und Sichtbarkeit stärken. Dies wird immer dann scheitern, wenn ein solches Projekt nicht genügend von innen getragen und mit zu viel Kitt alle anderen inhaltlichen Widersprüche überdeckt werden. Gleichzeitig sollten wir verstärkt über neue Verbündete gegen die AfD nachdenken und versuchen, neue Allianzen zu schmieden. Dabei gilt es immer wieder aufzuzeigen, dass der Weg der AfD notwendigerweise in nicht-egalitären, undemokratischen und antisozialen Verhältnissen enden muss. So geht es zum Beispiel bei den Diskussionen um „Gender-Wahn“, den die AfD inszeniert, nicht nur um die Verteidigung von Menschen- und Frauenrechten und Ziel ist auch nicht nur ein irgendwie gearteter universitärer Diskurs im Elfenbeinturm, sondern tatsächlich läuft hier ein Frontalangriff auf ein selbstbestimmtes Leben, und zwar für alle.

Eine wirkliche Alternative schaffen

Drittens gilt es, die Fortschreibung einer eigenen linken Erzählung voranzutreiben. Denn der Kampf gegen die AfD kann nicht durch eine irgendwie geartete Hilfe »von außen« für eine bestimmte Region gewonnen werden. Wir müssen vielmehr eine gemeinsamen Utopie und eine darauf abgestimmte Strategie entwickeln, wie es anders sein und werden könnte. Ausgelotet werden müssen im Austausch mit anderen die Perspektiven und die Dimensionen ein solches Projekts. Es geht um das »Große-Ganze«, aber auch um die Umsetzung von vielen kleinen Forderungen auf dem Weg dahin. Der Entwurf, diese Erzählung einer emanzipierten, solidarischen Gesellschaft ist noch nicht geschrieben. Anscheinend fehlen uns bislang die Worte dafür. Wenn wir das so feststellen, beinhaltet das aber auch die Chance, sie jetzt gemeinsam schreiben zu können. Wir werden als IL im Osten in unserem Kampf um Deutungshoheit in Form einer kontinuierlichen Auseinandersetzung im lokalen Raum sicherlich die Erfahrung machen, dass wir nicht immer auf althergebrachte Bündniskonstellationen und Aktionsformen zurückgreifen können. Der Kampf gegen die AfD ist schließlich kein jährlich stattfindender Naziaufmarsch, zu dessen Blockade Zehntausende Demonstrat*innen irgendwie hingekarrt werden können.

Interventionistische Politik im Osten

Zudem werden wir unterschiedliche Ausgangsbedingungen vor Ort vorfinden: So existiert in großen Teilen Brandenburgs eine irgendwie geartete Zivilgesellschaft mit entsprechenden Bündnissen. In Sachsen hingegen sind meist Einzelpersonen oder Initiativen allein auf weiter Flur. Doch auch die vermeintliche Größe eines zivilgesellschaftlichen Bündnisses (wie etwa dem Cottbusser Aufbruch, in dem neben der Stadtverwaltung, den Kirchen, dem DGB auch die Opferperspektive sitzt), sagt am Ende nichts über die tatsächliche Handlungsmacht vor Ort aus. Das Agieren rein auf der Ebene der moralischen Empörung zeigt jedenfalls keine Folgen. Denn dass die Stigmatisierung der AfD als »faschistisch«, die Enttarnung einzelner Mitglieder als frühere Nazis oder aber der nächste Skandal um einen NS-Vergleich offensichtlich keinen Aufschrei der Empörung mehr hervorruft, sondern – wenn überhaupt – nur dazu beiträgt, das Image der AfD als die Anti-Establishment-Partei zu bestärken, diese Lektion mussten auch wir lernen. Wenn wir verstärkt im Osten aktiv werden wollen, müssen wir – und das wird kein unwesentlicher Faktor sein – die besonderen historischen Bedingungen vor Ort reflektieren und zur Grundlage unserer Erwägungen machen. In diesem Jahr jährt sich zum 50. Mal der gesellschaftliche Aufbruch von 1968. Als radikale Linke haben wir sicherlich dazu viele Anknüpfungspunkte − vor allem die West-Linke. Inwieweit sich diese auf den Osten und die spezifischen Erfahrungen dort übertragen lassen, darüber müssen wir nachdenken, auch und vor allem innerhalb der IL. Eine 68er-Bewegung mit all ihren Einflüssen gab es in dieser Form im Osten jedenfalls nicht. Es gibt aber eine reichhaltige Tradition an Dissidenz und Opposition in der DDR, die wie wir nach dem Zusammenbruch des real existierenden Sozialismus den Kampf oder zumindest die Deutungshoheit um eben jenes emanzipatorische Projekt verloren haben, an die wir durchaus anknüpfen sollten. Bislang ist uns das als linksradikale Organisation nicht gelungen. Dabei bieten viele der von ihnen entwickelten Konzepte für eine Demokratisierung der DDR, von rätedemokratischen Konzepten bis hin zur Vergesellschaftung von Betrieben, genügend Anknüpfungspunkte, die auch für uns interessant sein sollten.

Auf geht’s!

Wir sollten ernsthaft überlegen, ob und wie wir zu den anstehenden Landtagswahlen insbesondere in Sachsen und Brandenburg aktiv werden können. Möglich wäre eine Kampagne, die medial wahrnehmbar ist und bundesweit unterstützt werden kann wie etwa die Kampagne von Feine Sahne Fischfilet zur Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern 2016 »Noch nicht komplett im Arsch. Zusammenhalten gegen den Rechtsruck«. Denkbar ist aber auch eine Art Ratschlag zur Aktivierung und Mobilisierung mit verschiedenen Veranstaltungen und Aktionen im lokalen Raum. Noch ist Zeit. Legen wir los.

Zoé ist seit mehreren Jahren aktiv in der Antifa AG der IL Berlin.

Bild: Mark Mühlhaus auf Attenzione Photographers, Dresden 2010