Von »Wir haben Spaß und ihr habt nur Deutschland« bis »Ganz Berlin hasst die AfD«

Mehr als 70.000 haben in Berlin am 27. Mai gegen die AfD demonstriert. Die Berliner IL-Ortsgruppe war mit an der Planung und Organisation der Gegenproteste beteiligt. In diesem Resümee wertet sie die Erfolge des Tages aus – zeigt aber auch auf, wo zukünftige Mobilisierungen gegen die AfD noch Steigerungspotential haben.

Einen solch vielfältigen, lauten und von der Stadtgesellschaft getragenen Protest gegen einen rechten Aufmarsch hat Berlin seit gefühlten Ewigkeiten nicht mehr gesehen. Die antifaschistische Zivilgesellschaft mobilisierte Zehntausende auf die Straßen Berlins und war der AfD und ihren rechten Fans um ein Vielfaches überlegen. Das war ein großartiger Erfolg und die richtige Antwort auf die Ankündigung der AfD, eine Großdemonstration in Berlin durchzuführen. Bereits vor Sonntag konnten wir einen politischen Erfolg verbuchen: Es war klar, die AfD würde nicht wie angekündigt mit 10.000 Anhänger*innen durch Berlin marschieren. Der Tag war für sie verloren, bevor er begann. Was ihnen blieb, war den Misserfolg mit schwarz-rot-goldenen Fähnchen zu kaschieren.

Dass es dazu kam, ist auf die gelungene Zusammenarbeit ganz unterschiedlicher Akteur*innen zurückzuführen. Das Aktionsbündnis »Stoppt den Hass« war nur der Anfang, aus dem sich viele weitere Protestbezüge entwickelten. Besonders eindrucksvoll: Die Verbindung aus einer klaren Absage an die politische Agenda der AfD und dem Zelebrieren einer progressiven, queeren Partykultur mit viel elektronischer Musik und einer Portion Ironie, dass Zehntausende dazu motivierte, auf die Straße zu gehen. Hier konnten wir deutlich sehen, dass sich politische Gegenentwürfe zum rechten Block wie zum Bestehenden eben auch in der massenhaften und basslastigen Manifestation praktisch-solidarischer Lebensentwürfe äußern können.

Die Gründe, die Agenda der AfD abzulehnen sind ebenso vielfältig wie die Leute, die auf der Straße waren. Die Gegendemonstrantinnen am Sonntag einte die Zurückweisung des Angriffs der AfD auf die Interessen und Lebensform(en) der Berlinerinnen. Die massenhafte Mobilisierung hat vielen Mut gemacht und viele der Alltagskämpfe gegen die AfD zusammengeführt. Der progressive Teil der Berliner Stadtgesellschaft hat der AfD den Tag genommen. Das beweist das Vorhandensein erheblichen politischen Potentials. Angesichts der Verbreitung und Vielfältigkeit der Proteste von über 50.000 Menschen wäre es absurd, nicht von einem Erfolg im Kampf gegen die AfD zu sprechen.

Was kann besser werden?

Trotzdem gibt es nichts zu beschönigen: Die AfD konnte ihren Aufmarsch weitgehend planmäßig durchführen, abgesichert durch ein großes Polizeiaufgebot, welches – unbeachtet von der medialen Berichterstattung – Blockadeversuche mittels teils brutaler Polizeigewalt unter Verantwortung des rot-rot-grünen Senats, unterband. In der Berichterstattung kommt das so rüber: Die AfD wird weggefeiert, ohne dass die Pfefferspray- und Schlagstockeinsätze, blutüberströmte Menschen und prügelnden Polizist*innen, aber auch die Bilder von bunten Blockierenden, die sich nicht vom Großaufgebot der Polizei einschüchtern ließen, Beachtung finden. Wir wollten mehr als das: Wir wollten den Aufmarsch verhindern. Aber in diesem ersten politischen Fazit muss festgestellt werden, dass es misslungen ist, die Verhinderung des Aufmarschs als Zielsetzung der breiten Gegenproteste zu verankern.

Ebenso klar: Auch eine erfolgreiche Verhinderung des Aufmarsches hätte die AfD nicht plötzlich marginalisiert. In dieser Hinsicht ist es auch egal, ob sie die tatsächlich 5.000 oder die anvisierten 10.000 Anhänger*innen mobilisieren konnte. Blockaden wären aus unserer Sicht aber ein wichtiges politisches Signal gewesen: Die AfD ist eine gefährliche, sich weiter radikalisierende, politische Kraft. Abseits der großen Städte wie Berlin ist sie eng mit der rechtsextremen Szene verflochten und wichtiger Motor für rassistische Mobilisierungen, in deren Umfeld sich rechtsextreme Gewalttaten bis hin zu Mordversuchen ausbreiten. Ihr die Straße zu nehmen heißt, ihr einen wichtigen Teil der Verwirklichung ihrer autoritär-nationalistischen Phantasien und damit auch jene Ermächtigungsmomente zu verwehren, die rassistischer Gewalt oft vorangehen. Ihr den öffentlichen Raum zu nehmen heißt, darauf zu insistieren, dass sie keine »normale Partei«, ihre Agenda nicht legitim ist – und dass sie gestoppt werden muss. Um ein häufig gehörtes Gegenargument zu entkräften: Die Akteurinnen der AfD stilisieren sich ohnehin als Opfer, unabhängig davon, wie wir unseren Protest organisieren. Sie berufen sich auch auf ihre Rolle als legitime, demokratische Partei und mindestens mit Letzterem sind sie nicht alleine. Zahlreiche Medien- und Parteivertreterinnen übernehmen diese Argumentation. Doch hier müssen wir streiten. Nur ein Zeichen zu setzen kann nicht genug sein wenn es darum geht, die Normalisierung der AfD aufzuhalten. Wenn wir das nächste Mal mit mit zehntausenden Menschen den AfD-Aufmarsch blockieren, ist das Zeichen eben ein anderes: Bis hierhin und nicht weiter!

In die Offensive gehen!

Die AfD konnte also trotz der großartigen Proteste durch Berlin laufen, sie bleibt in den Meinungsumfragen stabil, könnte bei den Landtagswahlen 2019 erstmals Regierungsverantwortung übernehmen und festigt nicht nur in Regionen um Cottbus und Dresden eine rechte Hegemonie. Die Konsequenzen sind verheerend. Durch die gemeinsame Demonstration mit Identitären, Pegida und neonazistischen Gruppen am letzten Sonntag hat sie deutlich gemacht, dass sie den Schulterschluss innerhalb eines rechten Blocks auch auf der Straße nicht scheut. Höchste Zeit, sie zukünftig vehement zu stören und zu blockieren. Lasst uns offensiv um Strategien und Aktionsformen streiten – in und mit breiten Bündnissen, für die uns der Protest in Berlin ein Beispiel sein kann. Danke an alle Berliner*innen, die mit uns gemeinsam auf der Straße waren! Gute Besserung an alle Verletzten!

Autor*innen: Die Antifa-AG der IL Berlin ist Mitinitiatorin des Berliner Bündnisses gegen Rechts.

Bild: Jan Brock auf Twitter