Beyond Waffenexportstopp


Um was es uns geht

Angesichts der weltweiten Zunahme von Rüstungsgeschäften und kriegerischen Auseinandersetzungen ist der Aufbau einer neuen Friedens- und Antikriegsbewegung dringend notwendig – auch und besonders hierzulande. Ein vielversprechender Ansatz ist die Kampagne »Rheinmetall Entwaffnen«, die seit rund 2 Jahren Proteste und Blockaden gegen die deutsche Kriegsindustrie und Waffenexporte organisiert. Im Folgenden erklärt die AG Krieg und Frieden der IL Berlin, warum und mit welcher Stoßrichtung sie sich an der Kampagne beteiligt.

Rheinmetall Entwaffnen heißt für uns, deutsche Waffenexporte zu beenden und das Geschäft mit dem Tod abzuschaffen. Rheinmetall Entwaffnen heißt für uns, dass wir gegen imperialistische Kriege auf die Straße gehen. Unsere Wut gilt den Profiteuren des Elends hier und dort. Deshalb heißt Rheinmetall Entwaffnen für uns auch, die westliche Doppelmoral zu skandalisieren, die in Unternehmen wie Rheinmetall oder Heckler & Koch ein trauriges Beispiel findet, aber viel weitreichender ist:

Europa rüstet auf, liefert Waffen in Diktaturen und Staaten, die Menschenrechte mit den Füßen treten, betreibt eine Klimapolitik, die die Kämpfe um Ressourcen weltweit zuspitzt, und lässt Vertriebene und Geflüchtete an den Außengrenzen sterben. Es geht jedoch nicht nur um ein paar verrückt gewordene Diktatoren. Es geht um Zugang zu Rohstoffen, Absatzmärkten und billiger Arbeitskraft. Deshalb mischen neben den USA, der EU und Russland auch kleinere Staaten wie die Türkei in den Kriegsherden dieser Welt mit. Deshalb können wir nicht von Frieden reden, wenn wir nicht auch von Macht- und Herrschaftsverhältnissen in der Weltwirtschaft reden, die festschreiben, für wen die Menschenrechte gelten und für wen »das Gesetz des Dschungels«. (»Unter uns halten wir uns an Gesetze, aber wenn wir im Dschungel operieren, müssen wir auch die Gesetze des Dschungels anwenden«, schrieb 2003 Robert Cooper, Berater von Tony Blair.)

Deshalb beteiligen wir uns unter folgenden Prämissen bei Rheinmetall Entwaffnen.

A. Auf die geopolitischen Interessen der BRD fokussieren

Innerhalb der EU sind es vor allem Frankreich und die Bundesrepublik, die die EU-Militarisierung stetig vorantreiben. Militärische Einsätze, die von Logistiksupport, Geheimdienstinformationsaustausch bis hin zur Waffenstationierung reichen, werden legitimiert mit Abwehr von (islamistischem) Terrorismus, der Sicherung von Menschenrechten und der Stabilisierung der herrschenden Ordnung. Gerade in der BRD ist das Framing von Verantwortung für den Frieden zentral für die Legitimierung solcher Einsätze. Doch um welche Ordnung geht es hier? Als Aufgaben des deutschen Militärs nennt Bundesministerin Kramp-Karrenbauer in ihren »Gedanken zur Zukunft der Bundeswehr« auch ganz konkret den Schutz »unserer Wertepartnerschaften« sowie den Schutz »internationaler Handelswege und Versorgungsketten, von denen unser global erwirtschafteter Wohlstand und unser Sozialstaat abhängen.« Das ist ihre Logik: Der Wohlstand, der auf weltweiter Ausbeutung beruht, muss mit Panzern und Drohnen absichert werden. Und auch Erdogan und das saudische Königshaus gehören zu ihren »Wertepartnerschaften«, die es militärisch abzusichern gilt. Wir sagen: Eine herrschende Ordnung, die auf Auslandseinsätzen der Bundeswehr und Waffendeals mit Diktatoren beruht, ist eine Ordnung, die wir angreifen.

B. Rassistische Strukturen bekämpfen, um die wirtschaftliche Ordnung zu destabilisieren

Kriege und bewaffnete Konflikte sind Fluchtursachen. Die Konzerne, die Waffen exportieren und damit die Kriege ermöglichen, liefern die Grenzmauern zur Abschottung von Flüchtenden gleich mit. Die Legitimation dieser Mauern ist Teil der rassistischen Erzählung von der Verteidigung des Wohlstands der Gesellschaften des Globalen Nordens gegen »Asylbetrug«, »Überfremdung« und »Terrorismus«. Dabei wissen wir, dass Kriege und kriegerische Auseinandersetzungen oft um Ressourcen geführt werden und um die Macht, diese Ressourcen mit zu kontrollieren. Das ist der Kern der sogenannten geopolitischen Interessen. Dadurch werden die Lebensgrundlagen der Menschen im Globalen Süden zerstört und der Reichtum in den Globalen Norden transferiert. Das sind keine neuen Entwicklungen. Es handelt sich um historische Kontinuitäten, die seit Jahrhunderten existieren und seit dem Zeitalter der Kolonisierung und des klassischen Imperialismus zu einem weltumspannenden System geworden sind. Die historische Perspektive auf Kriege, Ausbeutung, Kolonialismus und Rassismus kann die Grundlage für ein gemeinsames Handeln mit antirassistischen Akteuren bereiten.

C. Klimagerechtigkeit verstehen als notwendige Bedingung für das Ende der Kriege

Besonders im Globalen Süden richten sich viele widerständige linke Kämpfe gegen Raubbau und Naturzerstörung. Das kapitalistische System ist angewiesen auf die Ausplünderung der Natur. Unser Wohlstand ist auf diesen Extraktivismus aufgebaut (Extraktivismus, abgeleitet vom lateinischen Verb extrahere – herausziehen, bezeichnet eine durch Raubbau an der Natur und Naturzerstörung geprägte Art der Wirtschaft). Die Auswirkungen vor Ort sind in vielen Fällen fatal für die ländliche und oft indigene Bevölkerung sowie für Kleinbäuer*innen. Die menschenrechtliche Situation in den betroffenen Gebieten ist katastrophal. Die vielen Morde an indigenen (Umwelt)Aktivist*innen sind ein Ausdruck dieser Situation. Die immer weitere Verknappung der Ressourcen heizt die bereits teilweise (para-)militärisch und gewaltvoll ausgetragenen Verteilungskämpfe immer weiter an. Mit der Zuspitzung der Klimakrise kommen und häufen sich die Klimakriege. Die Kontrolle der Ressourcen wird zunehmend militärisch abgesichert. Dieser Prozess der Okkupationswirtschaft und der Aneignung der Ressourcen durch den Globalen Norden wiederum ist eng verbunden mit dem Prozess der Rassifizierung und Ausgrenzung (siehe Punkt B; wir benutzen hier den Begriff Rassifizierung, um die gesellschaftlichen Prozesse in den Blick zu rücken, mit denen »Rasse« und »Ethnizität« konstruiert werden).

D. Neue Formen von Unterdrückung und Ausbeutung sichtbar machen

Feministische Kämpfe adressieren und bekämpfen die patriarchale und kapitalistische Gesellschaftsordnung, in der Krieg als maskuline und gewalthafte Form der Konfliktlösung existiert. Eine (queer-)feministische Perspektive ist somit zentral für antimilitaristische Kämpfe, wie auch für Klimagerechtigkeit, Internationalismus und die kurdische Befreiungsbewegung. Feministische Organisierung auf der Straße, in der Bildung, der Lohnarbeit und den Wohnverhältnissen greift die Normalität sexistischer und kapitalistischer Verhältnisse an. Ziel des revolutionären feministischen Kampfes ist eine veränderte Gesellschaftsordnung ohne Unterdrückung von Frauen*, ohne kapitalistische Ausbeutung, ohne die Inwertsetzung von Care – aber mit dem Ende der fortlaufenden Zerstörung unserer Lebensgrundlagen. Wer führt Krieg? Wer verdient damit? Wer baut die Rüstungsprodukte in industriellen Zentren? Und wer baut auf, wer heilt, wer kümmert sich? Die feministische Perspektive entlarvt die heuchlerische Argumentation von Regierungen, Militärs und Profiteuren der Kriegsindustrie, die von Sicherheit und Frieden sprechen und doch nur den Lebensstandard im Globalen Norden absichern – auf Kosten von Frauen* weltweit.

E. Solidarisch sein mit der kurdischen Freiheitsbewegung

Es ist unsere Verantwortung als radikale Linke und Internationalist*innen, solidarisch an der Seite der kurdischen Bewegung zu stehen. Die Verteidigung der kurdischen Idee hat einen besonderen Stellenwert. Nicht nur, weil die Bundesregierung mitverantwortlich ist für die Repression gegen die kurdische Bewegung, sondern auch, weil das kurdische Modell des Konföderalismus eine konkrete Utopie und praktische Entwicklung einer Alternative zum globalen Kapitalismus und Imperialismus darstellt. Der kurdische Kampf ist auch ein Kampf gegen den Faschismus, für eine ökologisch nachhaltige Lebensweise, den Schutz der Umwelt und die Befreiung der Frauen*.

Ein weiteres wichtiges Beispiel einer konkreten Alternative und eines gelebten Internationalismus sind die Zapatistas in Mexiko. Eine Delegation der zapatistischen Bewegung ist gerade per Schiff auf dem Weg, um im Sommer das Europa von unten zu besuchen. Wir freuen uns auf diese Begegnungen und senden solidarische Grüße an die Reisegruppe.

Autorin: AG Krieg und Frieden der IL Berlin

Bild: Erfolgreiche Blockadeaktion von Rheinmetall Entwaffnen gegen die Rüstungsindustrie in Kassel am 28. August 2020 (Foto: RheinMetall Entwaffnen).