von Was tun? tags Bewegung soziale Kämpfe Recht auf Stadt Datum Apr 2018
zuSelbst die höchsten Erwartungen wurden um ein vielfaches übertroffen: Am vergangenen Samstag, den 14.04.2018, gingen unter dem Motto „Mietenwahnsinn stoppen!“ statt der angemeldeten 4000 Menschen bis zu 30.000 Berliner*innenauf die Straße. Woher dieser Mobilisierungserfolg und was bedeutet er für die stadtpolitische Bewegung und die radikale Linke? Die Stadt-AG der IL Berlin meint: Die Demonstration war der Höhepunkt jahrelangen Engagements und Startpunkt einer neuen Qualität urbaner Bewegung.
There's something in the air
Ein paar Tage lag es schon in der Luft. Überall sah mensch die Plakate und die Mieten-Demo war in aller Munde. Im Rückblick auf Demonstrationen der letzten Jahre war das alles andere als selbstverständlich, sondern in diesem Ausmaß überraschend.
Die bis zu 30.000 Menschen, die am Samstag auf der Straße waren, bilden die größte mietenpolitische Demonstration in Berlin seit den 1980er Jahren. Der Tag war das Ergebnis jahrlanger städtischer Kämpfe im Alltag und markiert gleichzeitig den Durchbruch der Mieter*innenbewegung auf ein neues Niveau der Auseinandersetzung mit Politik und Immobilienwirtschaft. Auch die radikale Linke kann von dieser Bewegung lernen. Aber der Reihe nach.
Was lange währt …
Bereits im Jahr 2017 bildeten sich in Berlin allen Stadtteilen noch einmal eine neue Welle von Mieter*innen-Initiativen. Getrieben vom Druck der rasant steigenden Mieten und ermutigt durch Erfolgserlebnisse einzelner Initiativen (wie den Auseinandersetzungen um Kleingewerbetreibende in Kreuzberg oder gegen die Mieterhöhungen in landeseigenen Wohnungen) bildeten sich in nahezu allen Stadtteilen Mieter*innen-Initiativen. Auch der Kampf um die Entlassung von Andrej Holm als Staatssekretär Anfang 2017, die anschließende Besetzung des Sozialwissenschaftlichen Instituts der HU und die Soldidarisierung von Studierenden und stadtpolitischer Bewegung machte Mut und verdichtete sich über das Jahr in riesigen Kiezversammlung in Kreuzberg mit hunderten Mieter*innen und dutzenden Initiativen. Diese neue Dynamik der selbstorganisierten Initiativen von Betroffenen – z.B. der Mieter*innen der Deutschen Wohnen – ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die neue Qualität der Bewegung.
Der 14.4. war von unten organisiert und trotzdem ein breites gesellschaftliches Bündnis. Die über 200 Unterstützer*innen reichten von Sozialverbänden über Kirchen und Gewerbetreibenden bis hin zur radikalen Linken. Die Teilnehmer*innen waren ein Spiegel der diversen Berliner Stadtgesellschaft und reichte von jung bis ins hohe Alter. Trotz großer Breite war die politische Aussage der Demo äußerst radikal. Wer die Demo an sich vorüberziehen ließ, konnte diverse selbstgemachte Schilder und Spruchbänder erkennen, die immer wieder Profitinteressen auf dem Wohnungsmarkt als zentrales Hindernis für ein Recht auf Wohnen anprangerten. Die lautstarken Forderungen nach Enteignung zielten in eine ähnliche Richtung.
… wird endlich gut!
Der Erfolg der Bewegung ist auch einer der radikalen Linken. Es ist besser als in der Vergangenheit gelungen, sich auf die Unterschiedlichkeit der Betroffenen einzustellen und die eigenen Analysen und Forderungen in klaren Worten verständlich zu machen.
Teilweise seit etlichen Jahren arbeiten radikale Linke in Kiezinitiativen mit oder unterstützen die Organisierung und Proteste von Mieter*innen. Verbindlichkeit und Kontinuität ist erfolgreich. Auch über das Thema Mieten & Wohnen hinaus sind Strategien, bei denen in Konflikten anderen Personen und Gruppen auf Augenhöhe begegnet wird, ein zentraler Baustein radikaler Politik – gerade angesichts von AfD, Heimat-Horst und Rechtsruck. Sprich, raus aus der Szenennische und rein in die Kämpfe um konkrete Alltagsprobleme der Menschen! Diese Ausrichtung auf eine populare Strategie bildet auch die Voraussetzung, endlich die zunehmenden Marginalisierung der (radikalen) Linken zu beenden.