Debatte: IL im Umbruch


Gegenmacht aufbauen, Gelegenheiten ergreifen. Ein Call for Comments

»[Wir blicken] auf eine düstere Gegenwart. Die Linke ist weltweit in der Defensive. Das rechte Projekt der Abschottung, Spaltung und Leugnung der Klimakrise hat Konjunktur. Die Staaten werden nach innen autoritärer und nach außen kriegerischer, ob nun angeführt von vermeintlich progressiven Parteien oder rechten Antidemokrat*innen. Beide haben keine tragfähigen Antworten auf die multiplen Krisen. Gerade jetzt bräuchte es als Alternative eine Linke, die Hoffnung und Orientierung geben kann. Aber es ist uns nicht gelungen, die Bewegungserfolge des letzten Jahrzehnts in einem gemeinsamen, widerständigen Pol zu bündeln und grundlegende Veränderungen zu erkämpfen. Der Kapitalismus sitzt fest im Sattel.«

Zwischenstandspapier #2, Einleitung

Auch wenn alles so düster scheint: Wir sind noch und wir sind sicher noch nicht fertig. Deshalb haben wir uns vor vier Jahren daran gemacht, ein neues Grundsatzpapier zu schreiben. Wir haben in diesem Prozess versucht, die Welt zu verstehen, um sie zu verändern. Dabei haben wir unsere Analyse erneuert und unsere Strategien und Taktiken auf den Prüfstand gestellt. Wir sind an unzähligen Orten und in wechselnden Konstellationen zusammengekommen, um zu diskutieren und zu streiten. Einiges haben wir dabei auf den Punkt gebracht, an anderen Stellen sind wir fragender als zuvor. Manchmal sind wir in unserem Papier mutig, manchmal zurückhaltend. In keinem Fall sind wir aber überzeugt, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben.

Deshalb brauchen wir euch. Das Papier ist zwar fertig, aber das Ringen um eine Neugründung einer undogmatischen, radikalen Linken auf der Höhe der düsteren Zeit hat gerade erst begonnen. Den Prozess, den wir intern angefangen haben, wollen wir nun mit euch – unseren Genoss*innen von hier wie dort, Wegbegleiter*innen, Friends – fortsetzen. Wir laden euch ein, euch zu äußern, zu kommentieren, mit uns zu streiten über das, was wir aufgeschrieben haben und das, worin wir uns nicht sicher sind.

Wie können wir uns gleichzeitig gegen die rechte Formierung und die grüne Modernisierung wenden, ohne uns dabei falsche Freunde zu machen? Ist diese analytische Aufteilung überhaupt sinnvoll, oder stehen wir vielmehr einem autoritären Kompromiss beider Lager, einem "autoritären Festungskapitalismus" gegenüber? Bedeutet Antifa Sozialpolitik oder klare Kante? Bedeutet Klimagerechtigkeit Klassenkampf oder militante Aktionen gegen die imperiale Lebensweise? Wie können wir die Ritualisierung unserer Aktionsformen aufbrechen und über Diskursverschiebung und schöne Bilder hinauskommen? Brauchen wir mehr Organizing oder mehr Militanz – widerspricht sich das überhaupt? Wie können wir breite Bündnisse schmieden, wenn wir oft nur auf Einzelpersonen treffen? Was bedeutet es, linksradikale Politik durch die Krisenhaftigkeit der Welt, die Kriege, die Polarisierung und unsere eigene gesellschaftliche Marginalisierung hindurch zu machen? Geht es noch um Gegenmacht oder nicht vielmehr ums Überwintern?

Sicher drängen sich euch beim Lesen noch viel mehr Fragen auf. Fragen, auf die wir vielleicht gar nicht kommen würden. Wir sind gespannt auf eure Antworten. Schickt uns eure Debattenbeiträge zwischen 3.000 und 10.000 Zeichen an folgende Mailadresse: kontakt@interventionistische-linke.org.

Unser Zwischenstandspapier #2 findet ihr unter: https://interventionistische-linke.org/umbruch

Wir wollen eure Zweifel, euer Lob, euer Weiterdenken, eure Kritik hören. Vorerst laden wir euch dazu ein, Texte zu verfassen. Folgen werden auch Einladungen an Orte der Zusammenkunft. Denn wir wollen mit euch zusammenkommen, um gemeinsam den nächsten Schritt zu gehen.

Interventionistische Linke, Juni 2024