Care-Arbeit und feministischer Streik

Der 8. März steht kurz bevor und Gründe zu streiken gibt es genug. Der Großteil der Beschäftigten in Pflege- und Erziehungsarbeit sind Frauen*. Auch die unbezahlte Sorgearbeit bleibt mehrheitlich an Frauen* hängen. Der Kampf um bessere und selbstbestimmte Arbeitsbedingungen ist also eine zentrale feministische Auseinandersetzung und das Ziel der Mobilisierung sollte auch und vor allem die Verweigerung der Lohnarbeit sein, argumentieren die Autorinnen dieses Beitrags.

Eine Oxfam-Studie von Anfang diesen Jahres bestätigt, was viele Frauen* schon lange ahnten: die soziale Ungleichheit wächst auf ihre Kosten. Laut des Forschungsberichts sind Frauen* in Deutschland und weltweit mehrheitlich für die unbezahlte Sorge- und Erziehungsarbeit zuständig und müssen diese oft neben ihrer Lohnarbeit erledigen. Zu der sogenannten Reproduktionsarbeit gehört es, den Haushalt zu schmeißen, auf die Kinder aufzupassen oder sich um kranke und alte Familienangehörige zu kümmern. In unserer Gesellschaft herrscht das Bild vor, dass sich Frauen* aus Liebe und von Natur aus gerne um andere Menschen kümmern. Tatsächlich werden junge Mädchen* und Frauen* jedoch aufgrund bestimmter Geschlechterrollen für diese Aufgaben sozialisiert.

Es ist daher nicht verwunderlich, dass im Bereich der Sorge- und Erziehungsarbeit überwiegend Frauen* arbeiten. Laut dem Bericht »Arbeitsmarktsituation im Pflegebereich« der Bundesagentur für Arbeit aus dem Jahr 2019 sind 80 Prozent der Beschäftigten in der Krankenpflege und 84 Prozent der Beschäftigten in der Altenpflege Frauen*. In den Kindertagesstätten waren 2018 94 Prozent des pädagogischen Personals Frauen*, wie sich dem Bericht »Fachkräfte in der Kinderbetreuung und –erziehung« der Bundesagentur für Arbeit aus dem Jahr 2019 entnehmen lässt. Dass diese Berufe gesellschaftlich wenig anerkannt und schlecht bezahlt sind, wird durch die Erzählung verschleiert, dass die Lust am Kümmern und das Gefühl, etwas Gutes zu tun, als »Lohn« ausreiche. »Du wirst doch für‘s Spielen bezahlt« – ist einer der klischeehaften Sätze, mit dem Erzieher*innen konfrontiert werden. Auf dieser Basis wird auch der bestehende Gender-Pay-Gap (Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen) von 21 Prozent in Deutschland gerechtfertigt. Doch alleine von »Gutes tun« wurde noch keine Miete bezahlt und kein Essen gekauft. Gerade läuft eine Petition, in der die Bundesregierung aufgefordert wird, auch unbezahlte, häusliche »Care-Arbeit« als Arbeit anzuerkennen.

Ziel der Mobilisierung ist die Arbeitsverweigerung

Vor diesem Hintergrund ergibt sich, dass der Kampf für bessere und selbstbestimmte Arbeitsbedingungen auch ein zentraler feministischer Kampf ist. Ziel des feministischen Streiks und des bundesweiten Netzwerkes von feministischen Streikgruppen ist es, das politische Instrument der Arbeitsverweigerung zu nutzen, um zu zeigen, dass das kapitalistische Wirtschaftssystem auf der unsichtbaren und wenig wertgeschätzten Arbeit von Frauen* und queeren Menschen gebaut ist und ohne diese Arbeit nicht funktionieren würde. Die Gewerkschaften ver.di und die GEW rufen dieses Jahr zwar zum feministischen Streik am 8. März auf - allerdings nur symbolisch und außerhalb der Arbeitszeiten. So heißt es beim ver.di Bundesfrauenrat: «Der ver.di Bundesfrauenrat ruft alle Kolleginnen und Kollegen dazu auf, sich an den Frauen*Streik-Aktivitäten - außerhalb ihrer Arbeitszeit (Hervorhebung von ver.di) - zu beteiligen.« Das zentrale Kampfinstrument des Streiks, die Verweigerung der Lohnarbeit und der dadurch entstehende wirtschaftliche Schaden, kann sich somit nicht voll entfalten. Aktionen von Beschäftigten außerhalb ihrer Arbeitszeit sind wie ein stumpfes Schwert und nicht adäquat, um die Forderungen durchzusetzen.

Vergangene und laufende Streiks zeigen: Es ist möglich

Als größte Vertretung von Arbeiter*innen wäre es jedoch die Pflicht der Gewerkschaften, dass sie sich an die Spitze der feministischen Proteste und ihrer sozialen Forderungen setzen. Insbesondere die GEW ist eine Gewerkschaft, die mit 70 Prozent überwiegend aus Frauen besteht und stark in den Erzieher*innen- und Lehrer*innenberufen verankert ist. Aus diesem Grund fordern Gewerkschaftsmitglieder die Führungen des DGB zu einem ordentlichen Streik am 8. März auf. Die teilweise erfolgreichen Streiks der Erzieher*innen für höhere Löhne, die hartnäckigen Streiks der Beschäftigten der Berliner Charité-Krankenhäuser für mehr Personal und der aktuelle Streik der Beschäftigten der Charité Facility Management für Einbindung in den Tarifvertrag und gegen Outsourcing zeigen, dass es möglich ist, sich als prekär Beschäftigte zu organisieren und für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen einzutreten. Doch nur ein Frauen*streik könnte die verschiedenen Sektoren miteinander verbinden und eine Kampfkraft entwickeln, die mehr Personal im Krankenhaus, ein Ende des Outsourcing und gleichen Lohn für gleiche Arbeit durchsetzt. Nur ein Frauen*streik könnte auf das horrende Ungleichgewicht bei Renten zwischen Frauen und Männern hinweisen, der in Deutschland bei skandalösen 46 Prozent liegt und damit den höchsten Wert unter den OECD-Ländern aufweist. Das liegt nicht zuletzt daran, dass es überwiegend Frauen* sind, die in Teilzeitarbeit, Alleinerziehung oder in die atypische Beschäftigung gedrängt werden.

Berliner Streikkomitee ruft zu Niederlegung der Arbeit auf

Dieses Jahr ruft das Streikkomitee Berlin am internationalen Frauen*kampftag wieder dazu auf, die Arbeit niederzulegen und sich für feministische Anliegen einzusetzen. Dazu gehören neben den Forderungen nach Anerkennung und Entlohnung von Sorge-Arbeit höhere Löhne für professionalisierte Pflege-Berufe sowie die Abschaffung der Paragraphen 218 und 219a StGB, ein Ende der Femizide und die Abschaffung der Lager, in denen geflüchtete Frauen* physischer und sexueller Gewalt ausgesetzt sind. Bereits im letzten Jahr waren deutschlandweit 75.000 Menschen für diese Forderungen auf der Straße. 2020 sind allein in Berlin wieder zwei Demonstrationen geplant: Um 14 Uhr am Leopoldplatz vom Frauenkampftagsbündnis und um 15 Uhr an der Warschauer Straße von der Alliance of Internationalist Feminists. Letztere ist nur für Frauen, Lesben, Trans- und Inter-Personen. Vor den Demonstrationen findet um 11 Uhr am Robert-Koch-Platz die Aktion #Ichstreike8M des Streikkomitee Berlin, der Kritischen Mediziner*innen, der feministischen Gruppe Kali sowie des Berliner Bündnis für mehr Personal im Krankenhaus statt. In dem Aufruf heißt es: »Als zweitgrößte Arbeitgeberin Berlins ist die Charité mit dem von ihr betriebenen Outsourcing und der angestrebten Gewinnmaximierung ein Paradebeispiel für das patriarchale Wirtschaftssystem.« Die Kundgebung vor der Charité will anti-rassistische und feministische Kämpfe zusammenführen und Solidarität mit Streiks, wie dem der Charité Facility Management, demonstrieren. Denn der Feminismus, für den wir kämpfen, soll in erster Linie die materiellen Verhältnisse der arbeitenden Klasse verbessern.

Autorinnen: Sophie Obinger rund Lina Schwarz sind Teil von Feministischer Streik Berlin, Sophie Obinger ist außerdem bei Kali Feminists organisiert.

Bild: Gemeinsam auf zum ¡Frauenstreik!