von Antikriegsbewegung tags Internationalismus Krieg und Frieden Türkei/Kurdistan Datum Apr 2019
zuBauen wir eine neue Anti-Kriegsbewegung auf! sagen die Berliner*innen. First Step: Das Jahr 2019 zum Jahr der Verteidigung Rojavas machen – bei uns Zuhause, gegen deutsche Rüstungsexporte, gegen die Kumpanei zwischen Deutschland und Türkei. Let's get started! Let's disobey!
Die Krisen-AG der iL Berlin schlägt in ihrem Text »Nochmal Anlauf nehmen« vor, eine Kampagne des Zivilen Ungehorsams »gegen Waffenexporte, Aufrüstung und Abschottung« zu starten. Ziel einer solchen Kampagne wäre es, Krieg und Frieden wieder zu einem zentralen Thema der radikalen Linken in Deutschland zu machen. Ergebnis im besten Fall eine breite Antikriegsbewegung.
Dieser Vorschlag gewinnt Brisanz durch den Abzug der US-Truppen aus Syrien, der am 11. Januar begonnen hat. Dadurch gerät die Demokratische Föderation Nordsyrien, das freie Rojava in ernste Bedrängnis. Die türkische Diktatur setzt seit 2015 auf Machterhalt durch militärische Aggression gegen die kurdische Befreiungsbewegung, Erdoğan trommelt seit Wochen für einen Einmarsch nach Rojava. Spätestens seit der Besetzung Afrins ist klar, dass ein türkischer Einmarsch in Rojava kein Stein auf dem anderen lassen würde. Auch wenn es andere mögliche Entwicklungen gibt, beispielsweise ein erzwungener Kompromiss mit dem Assad-Regime: Ein türkischer Angriff ist momentan die Hauptgefahr für Rojava. Deshalb müssen wir 2019 zum Jahr der Verteidigung Rojavas machen.
Waffenexporte in die Türkei stoppen
Seit der riesigen Solidaritätsbewegung mit Kobanê gibt es eine vielfältige, ausdifferenzierte Rojava-Soliszene, die eng mit der kurdischen Bewegung zusammenarbeitet und konkrete Aufbauprojekte in Rojava unterstützt. Wir kennen die Spendenaufrufe für Schulen, Krankenhäuser, Kooperativen oder Saatgut für Rojava. Gleichzeitig ist die breite Solidarisierung, die angesichts des Islamischen Staates bis in die CDU reichte, deutlich zurückgegangen. Um eine große Bewegung zur Verteidigung Rojavas zu ermöglichen, sollten wir einerseits die Rojava-Soliszene enger zusammenbringen und andererseits die Basis der Rojava-Solidarität verbreitern.
Das ist möglich in einer Kampagne, die sich gezielt gegen Rüstungsexporte in die Türkei richtet. Deutsche Rüstungkooperation ist ein wichtiger Bestandteil der strategischen Zusammenarbeit mit der Türkei. Die BRD ist Teil des Krieges gegen die kurdische Bewegung. Die BRD unterstützt die Durchsetzung der AKP-Diktatur. So haben sich die Rüstungsexporte ungeachtet des türkischen Angriffskrieges in Afrin mehr als verdreifacht. Die Demonstrationen gegen diese Politik gehören seit Jahren zu den größten linken Protesten in Deutschland – oft kamen 10 bis 20.000 Menschen. Gleichzeitig ist seit der Wahl Erdogans zum Präsidenten im Sommer 2018 Ernüchterung zu bemerken. Die Demonstrationen der HDP oder der kurdischen Bewegung können nicht mehr viele Leute mobilisieren. Mit einem konkreten Ansatzpunkt wie den deutschen Rüstungsexporten in die Türkei, könnten wieder erfolgreiche Straßenmobilisierungen entstehen.
Darin liegen auch über das konkrete Ziel der Verteidigung Rojavas Chancen: Wir könnten unsere Zusammenarbeit mit der kurdischen und türkischen Linken ausbauen. Und es wäre ein Schritt dahin, als radikale Linke die Realität unserer Migrationsgesellschaft anzuerkennen. Gerade türkeistämmige Menschen tauchen in unseren Strategiedebatten viel zu selten auf. Ohne sie werden wir diese Gesellschaft nicht verändern. Darüber hinaus gibt es bei vielen – auch nicht linken - Menschen das Gefühl, dass die Kurd*innen in Rojava gerade vom Westen verraten und verkauft werden. Wenn wir dieses Gefühl mit der breiten Ablehnung von Rüstungsexporten in Krisengebiete verbinden, können wir die Basis der Rojava-Solidarität wieder verbreitern. Klar muss werden: Nicht nur Trump hat die Kurd*innen verkauft, obwohl sie den IS besiegt haben. Deutschland verkauft die Kurd*innen mit jedem Panzer, den es an die Türkei liefert. Eine Kampagne gegen Waffenexporte in die Türkei, die mit Zivilem Ungehorsam auf einen klaren Gegner wie Rheinmetall fokussiert, könnte ein Angebot an diese Teile der deutschen Gesellschaft sein. Diese Kampagne wäre ein guter Beitrag zu einer europäischen Bewegung zur Verteidigung Rojavas.
Rojava verteidigen
Der Fokus auf Türkei und Kurdistan hat noch einen weiteren Vorteil: Wie ebenfalls im Text der Krisen AG bemerkt, sind viele Linke von »der alten Friedensbewegung« abgeschreckt - Bilder von lahmen Mahnwachen und langweiligen Ostermärschen tauchen vor dem inneren Auge auf. Wir brauchen eine Antikriegsbewegung aber nicht (nur), weil wir Frieden eine schöne Idee finden. Wir brauchen eine Antikriegsbewegung, weil wir eines der besten linken Experimente der linken Jahre verteidigen müssen: das demokratische, ökologische und feministische Rojava. In Rojava und ganz Kurdistan findet eine Revolution statt. Diese Revolution hat einen utopischen Überschuss, der viele Linke begeistert. Ein Überschuss, der Hoffnung auf eine andere Welt macht. Die Motivation diese Hoffnung zu verteidigen, sei es als Kartoffel oder als Kurdin, kann den Mut liefern, den Ziviler Ungehorsam braucht. Gezielte Aktionen Zivilen Ungehorsams gegen Rüstungskonzerne können die Dringlichkeit der Bedrohung Rojavas einer breiten Öffentlichkeit vermitteln. Im besten Fall können wir so die Kumpanei zwischen Deutschland und Türkei empfindlich stören.
Schaffen wir es, die Wut vieler kurdischer, türkeistämmiger und biodeutscher Linker auf die AKP-Diktatur, die Rojava vernichten will, mit der breit geteilten Ablehnung von Waffenexporten und Erdoĝan zu verbinden? Dann kann eine breite Bewegung zur Verteidigung Rojavas mit Zivilem Ungehorsam gegen Rüstungskonzerne der Beginn einer Antikriegsbewegung sein. Einer Antikriegsbewegung, die sich wirklich von der alten Friedensbewegung unterscheidet.
Bild: Skulptur vor dem Tuntenhaus in Berlin-Prenzlauerberg