Debatte: Klasse mit Differenz

Klassenpolitik mit Differenz? Unser Call zur Diskussion wie eine linke Klassenpolitik heute aussehen könnte.

Im Zuge der Wahlsiege und zunehmenden Unterstützung rechter Kräfte in zahlreichen Ländern Europas, den USA, aber ebenso in Ländern des globalen Südens, ist auch in der deutschsprachigen Linken eine Debatte über die Konsequenzen dieses Rechtsrucks entbrannt. Ausgangspunkt ist hierbei zumeist die Einschätzung, dass das Erstarken rechter Formierungen unter anderem auf die Schwäche linker Politikangebote zurückzuführen sei. Die meisten Debattenbeiträge der letzten Monate verorteten sich irgendwo zwischen zwei Polen. Das eine Extrem fordert die Rückbesinnung auf einen vermeintlichen Kern linker Politik, der in der konsequenten Vertretung der (materiellen) Interessen »der Arbeiterklasse« ausgemacht wird. Die Linke – so das Argument – beschränke sich zu sehr auf Felder wie antirassistische oder feministische Kämpfe und habe sich somit immer mehr von diesem vermeintlichen Kern entfernt. Damit einher geht oft die Kritik, die Linke sei in den letzten Jahren zunehmend elitär und überheblich geworden und habe vor allem Identitätspolitik betrieben. In einigen Fällen scheint »die Arbeiterklasse« implizit primär männlich, weiß und deutsch gedacht und Klassenpolitik wird dementsprechend antirassistischen und feministischen Kämpfen gegenüber gestellt. Das andere Extrem hingegen betont, dass gerade in Zeiten des rechten Backlashes die offensive Verteidigung der Rechte von Minderheiten, Frauen und LGBTIQ im Mittelpunkt stehen müsse. Zentrales Element der neu formierten Rechten seien schließlich ihre Hetze gegen den vermeintlichen linken Medienmainstream, überbordenden »Genderismus« oder Political Correctness. Manche konstatieren sogar ein Primat der »Abwehrkämpfe« gegenüber einer - aktuell schwer möglichen - offensiven linken Politik.

In den letzten Monaten wurden bereits unterschiedlichste Einschätzungen zu Papier gebracht. Im Themenschwerpunkt »Klasse mit Differenz« soll es nicht um die Wiederholung der skizzierten Debatte gehen (nicht zuletzt, weil uns die Gegenüberstellung wenig sinnvoll erscheint). Stattdessen wollen wir die beiden aufgezeigten Extreme hinterfragen und neue Perspektiven hervorheben. Wir möchten von euch wissen: Warum gerade jetzt Klassenpolitik und was müsste eine solche aktuell leisten? Wie diskutieren wir diese Fragen innerhalb der IL? Decken sich eure Alltagserfahrungen mit der teilweise schematischen Debatte? Beeinflusst diese Debatte eigentlich unsere Praxis als IL? Was wären mögliche strategische Rückschlüsse hieraus, die ihr für eure konkreten Kämpfe gezogen habt? Vor allem aber: Wie könnte eine »Klassenpolitik mit Differenz« aussehen, d. h. eine offensive linke Politik, die weder Auseinandersetzungen um die materiellen Lebensgrundlagen als altbacken abtut, noch linke Errungenschaften der letzten 50 Jahre als Nebenwidersprüche abkanzelt? Wofür finden sich hier in eurer bisherigen Praxis Anknüpfungspunkte und welchen möglichen Umgang gibt es mit den zahlreichen existenten Widersprüchen? Kurz gesagt: Wie könnte eine linke Antwort auf den Rechtsruck und wie müsste dafür eine IL-Politik auf der Höhe der Zeit aussehen?

All diesen Fragen wollen wir einen Raum geben und rufen Euch als Einzelpersonen und Gruppen – aus der IL und aus dem Kreise unserer Freund*innen und Kritiker*innen – auf, Euch an der Debatte zu beteiligen und uns Eure Artikel-Vorschläge zu schicken. Wir freuen uns auf eine spannende Diskussion!

Bild: LGSM-Transparent beim Minenarbeiter*innenstreik, UK 1984-85 - von UNISON (the public service union)