Debatte: G20-Protest in Hamburg - Hoffnung und Rebellion?!

Internationalismus, neue globale Machtkonstellationen und die radikale Linke am Anfang eines neuen Zyklus der Kämpfe? Unser Call zur Diskussion um Rolle und Möglichkeiten des Gipfelprotests gegen die G20 im Juli in Hamburg

Am 07. und 08. Juli 2017 kommen die neunzehn Regierungsvorsitzenden der reichsten und mächtigsten Staaten der Erde und der EU in Hamburg zusammen. Während sie sich beratschlagen, wie ein globaler und imperialer Kapitalismus fortgeführt wird – auch mit der Verschiebung nach Rechts und den spannungsgeladenen Beziehungen untereinander – werden wir mit zehntausenden blockieren und samstags demonstrieren, so wie es von uns erwartbar ist. Dabei werden internationale Aktivist*innen zusammenkommen wie auch vor Ort dutzende Initiativen aus dem Boden sprießen. Die radikale Linke aus allen Bereichen bereitet sich auf die Proteste vor und auch sämtliche NGO's sind mit dabei – trotz aller Spannungen und politisch falscher Spaltungen.

Das alles passiert in Zeiten, in denen weltweit, wie in Argentinien, Polen oder den USA, Frauen auf die Straße gehen, soziale Bewegungen im afrikanischen Raum weiterhin um einen gesellschaftlichen Wandel ringen, sich 65 Millionen Menschen auf der Flucht befinden und der Krieg wieder heftig wütet. Der wachsende Autoritarismus bedeutet auch verstärkte Repression gegen Tausende von Oppositionellen – ob ganz nah und deutlich gegen Kurd*innen vor Ort oder gegen alle Betroffenen in der Türkei. Für 82 Prozent der weltweiten Kohlendioxidemissionen sind die Mitgliedsstaaten der G20 zuständig und leisten so ihren Beitrag zu Migration, Flucht und Hungerkatastrophen.

Hoffnung entsteht aus Rebellion – Rebellion entsteht aus Hoffnung

Diese Formel beschreibt eine Schlüsselerfahrung all jener, die weltweit aufbegehren gegen die bestehende Ordnung und ihre verordnete Hilflosigkeit: Hoffnung und Anstöße zur Auflehnung fanden und finden wir als radikale Linke immer wieder auch im Blick auf die Anderen, die (mit uns) kämpfen – im letzten großen Zyklus der Kämpfe von Seattle über die Bewegung der Plätze und der Solidarität, in den Versuchen, die Brüche »in die Parlamente« zu tragen; in unseren Verbündeten und Freund*innen, die, unseren Einladungen gefolgt sind oder die uns eingeladen haben, vor Ort gemeinsam zu streiken, besetzen, solidarische Netzwerke zu bilden und den Widerspruch zum Bestehenden praktisch zu begehen. Eine andere Schlüsselerfahrung ist die, dass wir scheitern können, dass wir immer wieder zurückgeschlagen, unterworfen, verfolgt und bestraft werden; dass unsere Gegner*innen trotz aller Krisenhaftigkeit des Systems, welches sie mit aller Macht verteidigen, immer weniger darauf angewiesen scheinen, die Stimmen der Vielen wahrzunehmen, die kämpfen.

Wir müssen uns daher fragen: Kann und soll die Globalisierungskritik nach dem Ende der Bewegung der Plätze zurückkommen? Gibt es darin eine Hoffnung, die nicht einfach die Illusion einer »neuen Runde« des bereits Überholten aufruft? (Wie) schaffen wir es, die Erfahrungen, die wir zusammen oder einzeln in unserer Geschichte der Kämpfe gemacht haben, zu erneuern und auszubauen? Und weshalb sollte gerade der G20-Protest eine Option sein, unseren Internationalismus und Antinationalismus zu stärken und weiterzuentwickeln? Worin liegt eigentlich genau jene viel beschworene »Kraft des Ereignisses« und wie bringen wir sie zum Tragen? Ganz konkret: Welches sind die Entscheidungen, die wir treffen (müssen) und wie können sie einen kollektiven Prozess des Aufbegehrens tragen?

Mit Blick auf die Rolle der G20: Was ist eigentlich ihre reale Bedeutung und Machtposition in der Architektur globaler Herrschaftsverhältnisse? Was ist bei dem Afrika-Schwerpunkt der deutschen Präsidentschaft zu erwarten? Und wieso wollen die G20 mit ihrem »compact with africa« eigentlich einen Parallelprozess zur UN-Agenda 2030 etablieren? Wie stellen wir uns gemeinsam für die kommenden Kämpfe auf? Was ist unsere Verantwortung hier, in Deutschland und Hamburg, mit Blick auf all jene, die nicht hier leben, aber weitaus schärfere Konsequenzen der Politik der G20 zu spüren haben als wir es hier tun? Welches sind unsere blinden Flecken im längst entfachten Diskurs um den kommenden Protest? Wie können wir uns selbst daran verändern? Und wie sichern wir ein solidarisches Miteinander der Vielen, das auch nach dem Juli 2017 trägt – das nicht nur Repressions- und Spaltungsversuche aushält, sondern Hoffnung auf kommende nächste Schritte macht?

All diesen Fragen wollen wir einen Raum geben und rufen Euch als Einzelpersonen und Gruppen – aus der IL und aus dem Kreise unserer Freund*innen und Kritiker*innen – auf, Euch an der Debatte zu beteiligen und uns Eure Artikel-Vorschläge zu schicken. Wir freuen uns auf spannende Diskussionen!