Das Ausmaß an Gewalt und militärischer Vergeltung, das sich mit und seit dem 7.Oktober in Israel und Palästina materialisiert, ist kaum zu begreifen. Ein Versuch der IL Frankfurt, sich nicht in den Abgrund der Entmenschlichung und Kriegslogik hineinziehen lassen, sondern eine politische Haltung zu entwickeln.
Am 7. Oktober verübten die Hamas und ihre Verbündeten mit ihrem Terrorüberfall auf Israel ein beispieloses antisemitisches Massaker. Mehr als 1.200 Menschen, überwiegend Jüd:innen, wurden brutal ermordet, viele Weitere verletzt, vergewaltigt, vertrieben und traumatisiert. Noch immer werden über 200 Geiseln im Gazastreifen festgehalten, ihre Situation ist unklar. Die israelische Regierung antwortete mit einer kompletten Abriegelung des Gazastreifens, inklusive lebensnotwendiger Güter wie Essen,sauberes Wasser, Medizin und Treibstoff für (Strom-)Generatoren, und startete umfassende Luft- und Artillerieangriffe. Seit dem 27. Oktober ist die israelische Armee in den Gazastreifen einmarschiert und hat ihn in Norden und Süden geteilt. 1,5 Millionen Palästinenser:innen wurden vertrieben, weit über 10.000 getötet und ermordet, Zehntausende verletzt oder unter Trümmern begraben.
Während wir täglich Berichte und Bilder dieser furchtbaren Eskalation sehen, nimmt die antisemitische Gewalt zu. Pro-palästinensische Demonstrationen werden polizeilich drangsaliert oder unterbunden. In den deutschen Feuilletons überschlagen sich vermeintliche Wahrheiten und Anschuldigungen. Öffentliche Veranstaltungen werden abgesagt, Referent:innen ausgeladen, Kooperationen aufgelöst.
Als radikale Linke straucheln wir und versuchen, das Ausmaß an Gewalt und militärischer Vergeltung zu begreifen, das sich mit und seit dem 7.Oktober materialisiert. Auf keinen Fall wollen wir uns in den Abgrund der Entmenschlichung und Kriegslogik hineinziehen lassen, der sich ausbreitet – auch und vor allem hierzulande. Sprechen wir also mit all jenen, deren Herzen voller Schmerz sind, die aber trotzdem begreifen und eine politische Haltung entwickeln wollen.
Das Recht auf Leben – für alle
Zu sagen, was ist, scheint selbst einigen unserer Freund:innen und Genoss:innen schwer zu fallen. Zu groß sind die Fliehkräfte der Polarisierung, zu abscheulich sind die begangenen Verbrechen der Hamas, zu gewaltsam das militärische Vorgehen der israelischen Regierung, zu groß die Angst, etwas Falsches zu sagen. Als Linke sollten wir dem vorherrschenden Positionierungsdruck widerstehen und uns einem Bekenntniszwang entziehen, dem es nur um die eigene "Wahrheit", nicht aber um Verständnis geht. Wir wollen und können uns auf keine andere Seite stellen, als die der Menschen, die unter dem Terror, den Raketen und der Besatzung leiden, die ihre Liebsten verlieren und um ihr eigenes Leben fürchten, deren Stimmen im Kriegsgetöse untergehen, die sich der Kriegslogik entziehen und die trotz des religiösen und nationalistischen Taumels nicht aufhören, ihre Kämpfe von unten zu führen.
Angesichts der allgemeinen rhetorischen, wie militärischen Entmenschlichung, der unbedingten Rechtfertigung des militärischen Vorgehens – trotz dessen offensichtlicher Entgleisung –, gilt es, das Recht auf Leben für alle zu verteidigen, wenn es sonst niemand mehr tut. Es gilt, alle Toten zu betrauern und das Leid der Anderen empathisch anzuerkennen, auch wenn die eigene Verletzung und die Wut tief sein mögen. Es gilt, die Rechtfertigung des Horrors durch vorangegangene Verbrechen konsequent zurückzuweisen. Die Unteilbarkeit der Menschenrechte darf nicht aufgegeben werden. Eine Linke, die hinter diesem Anspruch zurückbleibt, kann einpacken. Es gilt, sich der falschen Polarisierung zu entziehen, das Entweder-oder zurückzuweisen...
]]>Die Interventionistische Linke Berlin positioniert sich in diesem Beitrag zu den Angriffen der Hamas am 7. Oktober 2023 und den darauffolgenden Bombardements in Gaza. German/English
English translation below
Wir gedenken der am 7. Oktober 2023 durch die Hamas und mit ihr verbündete Gruppen wie dem Islamischen Jihad und der PFLP ermordeten, verletzten und entführten Menschen. Die Massaker trafen komplette jüdische Familien, jüdische Israelis auf dem Weg zur Arbeit und bei einem Festival, Kleinkinder, Menschen, die sich schützend vor ihre Kibbuzim oder Familien stellten, Aktivist*innen, die sich jahrelang für Frieden und gegen die Besatzung einsetzten, arabisch-israelische Sanitäter*innen, nepalesische Austauschstudent*innen und Arbeitsmigrant*innen aus Thailand. Die Angreifer mordeten, verstümmelten, folterten und vergewaltigten. Etwa 200 Personen sind immer noch in Geiselhaft. Es war ein antisemitischer Angriff, dessen erklärtes Ziel es war, jüdisches Leben als solches auszulöschen. Für diese Taten gibt es keine Rechtfertigung. Sie stehen dem, was wir wollen und wofür wir kämpfen, diametral entgegen. Wer das als Teil des legitimen Widerstands gegen eine unzweifelhaft bestehende israelische Unterdrückungs- und Besatzungspolitik rechtfertigt, ist für uns kein Partner im Kampf für eine freie und solidarische Gesellschaft.
Wir gedenken der seit dem 07. Oktober 2023 durch israelische Luft- und Artillerieangriffe und ihre Folgen in Gaza getöteten Menschen. Hier wurden ganze palästinensische Familien ausgelöscht und unter anderem Flüchtende, Verschütteten zur Hilfe Kommende, Mitarbeiter*innen von Hilfsorganisationen, Journalist*innen, Ärzt*innen, Fahrer*innen von Krankenwagen und in UN-Institutionen und Schulen Schutzsuchende getötet. Wer mit Bomben und Raketen aus der Luft oder aus Artilleriegeschützen ein so eng bewohntes Gebiet wie Gaza unter Feuer nimmt, nimmt diese Menschen explizit ins Ziel, trifft weitgehend unterschiedslos alle dort Lebenden. Bei allem nachvollziehbaren Wunsch, die Hamas und ihre direkten Verbündeten zu bekämpfen, kann es auch für diese Verbrechen keine Rechtfertigung geben, ebenso wie es keine Legitimation dafür geben kann, eine komplette Bevölkerung abzuriegeln und ihnen zeitweise oder ganz Wasser, Nahrung und Strom zu entziehen. Die Rhetorik der israelischen Regierung gegenüber der Bevölkerung in Gaza ist menschenverachtend, ähnlich wie die Ignoranz gegenüber dem Leid in Gaza in Teilen der deutschen Debatten, auch bei manchen Linken. Auch das steht dem, was wir wollen und wofür wir kämpfen, diametral entgegen.
Weder der Angriff und die Massaker der Hamas und ihrer Verbündeten noch die Abriegelung Gazas und die militärischen Angriffe dort geschehen außerhalb des Kontexts eines jahrzehntelangen Konflikts. Zu diesem Kontext gehören die andauernde Belagerung des Gazastreifens, die systematische Diskriminierung von Palästinenser*innen und die völkerrechtswidrige Besatzung, ebenso wie die beständige Bedrohung jüdischen Lebens durch Raketen, Messerattentate und andere Angriffe. Dieser Kontext rechtfertigt jedoch nichts von den oben beschriebenen Verbrechen in Israel und Gaza. Das eine kann das andere nicht rechtfertigen und umgekehrt. Und für uns ist ebenso klar: Es dürfen keine Unterschiede in der Wertigkeit von Menschenleben gemacht werden. Wer den Angriff der Hamas feiert, unterscheidet. Wer es legitim findet, zwei Millionen Menschen kollektiv zu bestrafen und tausende Tote durch Luftschläge in Gaza achselzuckend hinnimmt, unterscheidet. Wer keine Empathie für das Leid der anderen Menschen aufbringen kann, unterscheidet. Es muss unsere Aufgabe sein, diesen Rechtfertigungen und dieser Empathielosigkeit entgegenzustehen und dafür zu...
]]>Die Internationalismus AG der Interventionistischen Linken hat in der ak – analyse & kritik und auch hier auf dem Debattenblog Thesen für eine linke Antikriegspraxis formuliert – an ihrer Argumentation ist fast alles falsch. so Christoph Kleine von der Ortsgruppe Hamburg. Er hat seinen Widerspruch in diesem Artikel formuliert.
Wir haben diesen Artikel für den Debattenblog gekürzt. Die vollständige Version erschien in der ak und ist hier auch online abrufbar.
Das »schwarze Loch« der Logik des Krieges, das am Anfang des Artikels »Der Krieg, die Linke und wir« als Bild bemüht wird, scheint bei den Verfasser*innen nicht nur die analytische Klarheit, sondern vor allem die Empathie mit den Angegriffenen der russischen Aggression und jegliche internationale Solidarität verschluckt zu haben.
Das Ärgerlichste kommt gleich am Anfang. Anstatt die furchtbare Lage und das politische Dilemma für alle emanzipatorischen Linken in der Ukraine anzuerkennen, dass angesichts der Invasion, der Massaker und der Brutalität des russischen Besatzungsregimes der Kampf gegen den Nationalismus und den Neoliberalismus nicht mit gleicher Kraft weitergeführt werden kann, weil die gemeinsame Verteidigung der Ukraine Priorität haben muss, wird den Genoss*innen vom deutschen Sofa aus erklärt, sie würden »den Klassenkampf in Form der Nation aufheben«, und als Gipfel der Anmaßung dann noch, sie würden damit »andere Kämpfe um Befreiung (verunmöglichen)«.
Auch die deutliche Positionierung russischer Kriegsgegner*innen, die den vollständigen Rückzug der russischen Invasionstruppen aus der Ukraine fordern und einem großen Teil der Linken im Westen vorwerfen, »das Wesen dieses Krieges« und die inneren Motive des russischen Imperialismus nicht zu verstehen, wird lapidar vom Tisch gewischt: Das sei zwar nachvollziehbar, aber »unser Einsatz hier in Deutschland muss ein anderer sein.«
Aber warum sind »wir« stärker zur Suche nach Alternativen aufgerufen als die Hauptbetroffenen, die entweder, wie die ukrainischen Genoss*innen, in dem überfallenen Land leben oder aus ihm fliehen mussten oder, wie die russischen Genoss*innen, in akuter Gefahr stehen, als Kanonenfutter für einen ungerechten Krieg an die Front geschickt zu werden? Ganz nebenbei wird mit dem Begriff des »langandauernden Abnutzungs- und Stellungskriegs« noch die Kreml-Erzählung eingewoben, dass der Widerstand der Ukraine ohnehin aussichtslos sei. Dabei ist auch der Vorschlag von (inhaltlich unbestimmten) Verhandlungen nur deshalb möglich, weil es durch den militärischen Widerstand überhaupt noch eine souveräne Ukraine gibt.
Die politische Perspektive für die Ukraine lautet für diese Form des »Antimilitarismus«: sofortiger Waffenstillstand und »Einfrieren«, was angesichts des Verzichts auf die Forderung nach dem Rückzug der russischen Armee nichts anderes heißt als: Hinnahme der russischen Besatzung von etwa 20 Prozent der Ukraine, inklusive der Unterdrückung und der Massaker, die in den besetzten und annektierten Gebieten geschehen.
Dieser moralische Pazifismus unter der Parole »Hauptsache das Sterben hört auf« ist – gerade aus dem Munde radikaler Linker – ebenso überraschend wie unglaubwürdig. Die Geschichte der Linken ist voll von aussichtslosen Kämpfen, deren Andenken wir dennoch hochhalten. Vom antiken Spartakus über die Bauernkriege, die Pariser Kommune bis zum Spanischen Bürgerkrieg, um nur einige Beispiele zu nennen. Der linksradikale Einsatz lautete stets: »Rebellion und Widerstand gegen Unterdrückung und Ausbeutung sind gerechtfertigt.« Natürlich...
]]>Ewgeniy Kasakow gibt einen spannenden Einblick in die Vielschichtigkeit der Russischen Linken. Diese wird vor allem in der Positionierung hinsichtlich des Krieges in der Ukraine deutlich. Hierfür werden kurze Eindrücke der politischen Situationen der Kriegsgegner Michail Lobanow und Jewgeni Stupin gegeben.
Michail Lobanow verließ am 13. Januar 2023 den Knast. Der Mathematikdozent der Moskauer Staatlichen Universität saß eine fünfzehntägige Haft ab. Zu dieser wurde er in Moskau wegen angeblichen Widerstandes bei seiner Festnahme am 29. Dezember verurteilt. An diesem Tag flexten die Polizisten die Tür der Wohnung von Michail Lobanow und seiner Ehefrau und Kollegin Alexandra Sapolskaja auf. Der bekennende Kriegsgegner und Sozialist wurde drei Stunden lang verhört. Währenddessen wurde er mehrmals geschlagen und getreten. Noch bevor die Beamt*innen die durchsuchte Wohnung verließen, ging durch die russischsprachigen Telegramkanäle die Fotos von Lobanow mit Misshandlungsspuren im Gesicht und Blutflecken auf dem Wohnungsteppich. Erst nachdem Lobanow das Gefängnis verließ, klärte sich die Frage nach der Quelle: die Aufnahmen machten die Beamt*innen selbst und brachten sie durch die anonyme Telegramgruppen in Umlauf. Die Aussage dürfte klar sein: die Konsequenzen von oppositionellen Aktivitäten sollen unmissverständlich deutlich gemacht werden.
Als eigentlicher Grund für die Hausdurchsuchung wurde der Kontakt zu Ilja Ponamarjow angegeben. Der ehemalige linke Aktivist und Duma-Abgeordnete Ponamarjow ruft heute aus dem Ausland zum bewaffneten Kampf gegen Putin auf und behauptet Kontakte zur sogenannten »Republikanische Nationale Armee« (RNA) zu haben. Diese übernahm die Verantwortung für den Mordanschlag auf die Propagandistin Darja Dugina am 20. August 2022. Die Existenz der RNA wird jedoch vielfach angezweifelt. Auch Lobanow konnte der Kontakt bisher nicht nachgewiesen werden.
Es war bereits der zweite Gefängnisaufenthalt für Michail Lobanow, dem Mitbegründer der Hochschulgewerkschaft »Uniwersitetskaja Solidarnost«, innerhalb von einem Jahr. Dem Jahr, indem am 24. Februar der Krieg begann. Am 7. Juni wurde er für ein vom Balkon gespannten »Nein zum Krieg«-Transparent zu seiner ersten fünfzehntägigen Haft verurteilt. Mit der zweiten Festnahme endet die Geschichte der Einschüchterungsversuche gegen das Ehepaar Lobanow und Sapolskaja jedoch nicht. Bald nach der Freilassung Lobanows wurde die neue Wohnungstür mit »Z«-Zeichen übersprayt und die Nachbar*innen fanden denunziatorische Flugblätter in ihren Briefkästen.
Bekannt wurde Michail Lobanow, der sich ¬selbst als »demokratischer Sozialist« im Sinne von Bernie Sanders und Jeremy Corbyn bezeichnet, unter anderem bei den Dumawahlen im Herbst 2021. Damals führte der parteilose Kandidat der Kommunistischen Partei der Russländischen Föderation (KPRF) im Moskauer Wahlbezirk Kunzewo 31,65% (72 805 Stimmen). Lange Zeit sah es so aus, als würde Lobanow den Parlamentssitz bekommen. Doch dann kam die Auszählung der via Internet abgegebenen Stimmen zum Sieger wurde der Fernsehmoderator Jewgeni Popow, der Kandidat der Putin-Partei »Einiges Russland« (ER). Auf ihn entfielen 35,17 % der Stimmen.
Lobanow wurde nicht nur von einem breiten linken Bündnis von Gewerkschaften, trotzkistischen und linkssozialistischen Gruppen unterstützt, sondern auch von den Unterstützer*innen des liberalen Oppositionellen Alexei Nawalny. Nawalny, dessen Anhänger*innen keine eigene Partei registrieren dürften, rief damals zum »smart voting« auf – in jedem Wahlbezirk sollten die jeweils aussichtsreichsten Kandidat*innen der Opposition gewählt werden, ohne Rücksicht auf die ideologische Differenzen.
Zu den Profiteur*innen des Modells »Liberale wählen...
]]>Die Antikriegspraxis der deutschen Linken lässt derzeit zu wünschen übrig, so die Autor*innen dieses Artikels. Was es braucht, sei die Analyse von Ursachen des Krieges sowie Versäumnissen der Linken und die Entwicklung neuer Strategien, die es schaffen, kommende Kriege zu verhindern. Waffenlieferung und Aufrüstung seien davon klar kein Teil.
Die Logik des Krieges ist ein Schwarzes Loch. Die Idee der Nation ist sein Prinzip, seine Gravitation. Alles, was sich nicht umstandslos auf der »richtigen Seite« der Kriegsparteien einreihen lässt, wird von dieser Schwerkraft an sich gezogen und verschluckt. Zwischenräume gibt es nicht. Die Logik des Krieges braucht die Nation als Grundlage ihres Seins. Sie dehnt sie gleichzeitig in ihren verschiedenen Dimensionen aus und radikalisiert sie: als historischer Mythos und als existentielle (Not-)Gemeinschaft. Sie mobilisiert die reaktionärsten Fraktionen des Kapitals, des Staatsapparates und der Zivilgesellschaft für Aufrüstung und nationale Wirtschaftsinteressen.
Wenn sich Teile der ukrainischen Linken dazu entschlossen haben, sich in den Selbstverteidigungskampf der ukrainischen Nation einzugliedern, dann konstituieren sie sich dadurch als Teil eben dieser ukrainischen Nation und verunmöglichen gleichzeitig andere Kämpfe um Befreiung, mit anderen Worten: Sie heben den Klassenkampf in der Form der Nation auf. Aus dem Gravitationszentrum des Schwarzen Lochs dringt nichts mehr nach außen, die Linke droht eine Gefangene im Ereignishorizont des Schwarzen Lochs zu werden.
Parteiverbote, Verbote von kritischen Medien, der Abbau von Arbeiternehmer* innenrechten und die Zwangsrekrutierung der männlichen Bevölkerung zwischen 18 und 60 Jahren werden von der ukrainischen Regierung mit dem Kriegszustand und seinen Notwendigkeiten begründet, dem sich Teile der ukrainischen Linken unterworfen haben. Die hilflose Bitte von Vitalyi Dudin, dem Vorsitzenden von Sotsyalnyi Rukh (Soziale Bewegung) per Brief an den ukrainischen Präsidenten Selenskyi gerichtet, doch bitte gegen die Arbeitsmarktreform Einspruch zu erheben, die eben jener doch selbst initiiert hatte, ist ein Beispiel für die unwiderstehliche Schwerkraft des Schwarzen Lochs. Nicht nur in der Ukraine, auch für uns Linke in den indirekt beteiligten Staaten, werden durch die Fortdauer des Kriegs die Kampfbedingungen verschlechtert. Im globalen Süden stellt sich nicht nur die Frage nach der Verschlechterung der Kampfbedingungen, sondern jene nach dem nackten Überleben für Millionen von Menschen, die besonders vom anhaltenden Wirtschaftskrieg betroffen sind und sich daher bewusst nicht an diesem beteiligen wollen.
Teile der ukrainischen Linken begründen ihren Schritt der Unterordnung unter die Nation mit dem Argument, es würde ihre Kampfbedingungen in der Zukunft verbessern. Zweifellos wollen weite Teile der Bevölkerung und erst recht die emanzipativen Strömungen in ihr nicht in einer russischen Besatzungszone leben oder gar Teil von Neurussland werden. Wer könnte das nicht nachvollziehen?
Aber die verzweifelte Hoffnung, aus dem Ende des Krieges als gestärkte oder gar als irgendwie gleichberechtigte Kraft hervorzugehen, scheint uns eine zutiefst unrealistische Einschätzung zu sein. Das enge und sich gegenseitig bedingende Verhältnis von Krieg und Faschismus zeigt sich auch in diesem Konflikt; und das nicht nur an dem aggressiven Angriffskrieg des russischen Regimes, sondern auch daran, dass auf beiden Seiten Naziverbände kämpfen, aber auch und vor allem an den innenpolitischen Konsequenzen auf beiden Seiten.
Auch auf Seiten der Ukraine können wir...
]]>Was tun gegen Krieg und Militarisierung? Seit dem Überfall der russischen Armee auf die Ukraine vor mittlerweile mehr als einem Jahr ist diese Frage aktueller denn je. Trotzdem tuen sich gesellschaftliche und radikale Linke weiterhin äußerst schwer, hierauf Antworten zu finden. Höchste Zeit also für eine Reflexion der Erfahrungen, die im Rahmen der Initiative »Rheinmetall Entwaffnen« gemacht wurden.
Wir haben es selbst wiederholt gesagt und hören es jetzt immer häufiger: Es brauche eine »neue Antikriegsbewegung«. Gemeint ist damit eine junge, freche, anziehende, aber vor allem offensive, militante und wirkmächtige Bewegung – meist in Abgrenzung zur traditionellen Friedensbewegung, die teilweise noch in der Logik der Systemauseinandersetzung während des Kalten Kriegs verfangen ist.
Wenn wir von neuer Antikriegsbewegung sprechen, dann stehen wir mittlerweile wieder am Anfang. Wir sind heute konfrontiert mit einer waffenfordernden und kriegstreibenden Bewegung gegen den russischen Krieg in der Ukraine, die quer durch linke Strukturen bis hinein in die IL Anschluss findet, aber global in einer Minderheitenposition ist. Somit ist es unsere Aufgabe, mit der Sammlung aller kritischen und emanzipatorischen Kräfte gegen diesen Bellizismus zu beginnen.
Wir versuchen das innerhalb des Bündnisses »Rheinmetall Entwaffnen«. Gleichzeitig gibt es auch bei uns in der IL keine gemeinsamen Antworten auf zentrale Fragen unserer Zeit: Was tun nach der Pandemie, der Krise des Jahrhunderts? Was haben wir zum russischen Krieg in der Ukraine, der stetigen Eskalation aus NATO-Staaten und zur Militarisierung der EU theoretisch und praktisch zu sagen? Wie kann in einer Zeit, in der Bündnisorientierung und Zusammenarbeit mit anderen großen Akteuren, aber auch die Aktionsform des Zivilen Ungehorsams erschöpft scheinen, ein neuer Bewegungszyklus initiiert werden? Welche Kämpfe erwarten uns in der kommenden Zeit?
Aber eins können wir festhalten: Die IL wurde immer von ihren Projekten getragen. Durch Heiligendamm, Castor Schottern, Blockupy und Ende Gelände hat sie Attraktivität und Mitstreiter*innen gewonnen. Im momentanen Stillstand und der Perspektivlosigkeit fehlen uns Sichtbarkeit und gemeinsame kollektive Erfahrungen. Die IL wurde durch Projekte wahrnehmbar und stark. Durch diese gab es bleibende kollektive Erfahrungen. Derzeit fehlen weitgehend solche gemeinsamen IL-Projekte. Deshalb brauchen wir wieder entsprechende Ideen und einen Aufschwung der Projekte. In diesem Sinn ist dieser Text auch ein Vorschlag mit längerfristiger Perspektive.
Der Krieg beginnt hier. Hier werden die Waffen herstellt, die weltweit Schaden anrichten und mit denen auch gegen mutmachende und hoffnungsgebende Bewegungen wie in Chiapas oder Rojava vorgegangen wird. Damit diese emanzipatorischen Bewegungen erfolgreich sein können, kämpfen wir hier. Nach wie vor ist das richtig, was Andrea Wolf am 1. Mai 1997 in den Bergen Kurdistans in ihrem Guerilla-Tagebuch festhielt: »Ich würde mir wünschen, dass es in den Metropolen Bewegungen gäbe, die diesen Krieg angreifen, unmöglich machen würden. Einfach den Nachschub kappen. Ich weiß, es ist angesichts des Zustands in den Metropolen utopisch. Auch auf längere Zeit wird es so bleiben. Schade, das wäre was. Eine militante Bewegung, die die Kriegsmaschine lahmlegt.« So stellt sich uns die konkrete Frage, die wir gemeinsam mit anderen Akteuren beispielsweise aus der Klimabewegung praktisch beantworten müssen: Wie können wir heute die zerstörerischen herrschenden Verhältnisse effektiv angreifen und...
]]>Für eine solidarische Antwort auf Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine! Wie diese aussehen kann, damit setzt sich dieser Beitrag russischer Genoss*innen auseinander. Es wird nicht mit Kritik an der Linken im Westen gespart. Wir veröffentlichen diesen Text, um auch nach einem Jahr des Ukraine-Kriegs die Debatte weiter anzustoßen und mit neuen Sichtweisen zu bereichern sowie zu einer Klärung unserer Position(en) beizutragen.
Seit einem Jahr tötet das Regime von Wladimir Putin Ukrainer:innen, treibt Hunderttausende Russ:innen in den Tod und bedroht die Welt mit Atomwaffen im Namen des wahnsinnigen Ziels der Wiederherstellung des russischen Reichs. Für uns Russ:innen, die sich der Aggression und Diktatur Putins widersetzen, war es ein Jahr des Schreckens und der Schande wegen der Kriegsverbrechen, die täglich in unserem Namen begangen werden. Am Jahrestag dieses Krieges rufen wir alle, die sich für den Frieden einsetzen, auf, gegen Putins Invasion zu demonstrieren. Es ist bedauerlich, dass nicht alle Demonstrationen »für den Frieden«, die in diesen Tagen stattfinden werden, Aktionen der Solidarität mit der Ukraine sein werden. Ein großer Teil der Linken im Westen versteht das Wesen dieses Krieges nicht und zieht den Kompromiss mit dem Putinismus vor. Wir haben diesen Text verfasst, um unseren Genoss:innen im Ausland zu helfen, die Situation zu verstehen und die richtige Haltung einzunehmen.
Einige westliche Autor:innen sehen die Ursachen des Krieges im Zusammenbruch der UdSSR, in der widersprüchlichen Geschichte der ukrainischen Nationsbildung und in der geopolitischen Konfrontation der Atommächte. Ohne die Bedeutung dieser Faktoren in Abrede stellen zu wollen, sind wir doch überrascht, dass der wichtigste und offensichtlichste Grund für die Ereignisse nicht auf der Liste steht: der Wille des Putin-Regimes, demokratische Protestbewegungen in der ehemaligen Sowjetunion und in Russland selbst zu unterdrücken. Die Einnahme der Krim und der Ausbruch der Feindseligkeiten im Donbass im Jahr 2014 waren die Antwort des Kremls auf die „Revolution der Würde« in der Ukraine, die die korrupte pro-russische Regierung von Wiktor Janukowitsch stürzte, und auf die Massendemonstrationen von Russ:innen für faire Wahlen in den Jahren 2011 bis 2012, bekannt als die Proteste auf dem Bolotnaja-Platz. Die Annexion der Halbinsel war für Putin ein innenpolitischer Triumph. Er nutzte erfolgreich revanchistische, antiwestliche und traditionalistische Rhetorik (sowie Repression), um seine gesellschaftliche Basis zu verbreitern, die Opposition zu isolieren und die Bevölkerung mit den Folgen des »Maidans« zu verängstigen. Der »Krim-Effekt« war jedoch nur von kurzer Dauer: Ende der 2010er Jahre ließen die wirtschaftliche Stagnation, die unpopuläre Rentenreform und die medienwirksamen Anti-Korruptions-Enthüllungen von Nawalnys Team die Umfragewerte Putins wieder sinken, vor allem bei jungen Menschen. Proteste erschüttern erneut das Land und die Regierungspartei »Einiges Russland« musste bei den Regionalwahlen eine Reihe empfindlicher Niederlagen einstecken.
Unter diesen Umständen setzte der Kreml alles auf den Erhalt des Regimes. Das Verfassungsplebiszit 2020, das selbst für russische Verhältnisse beispiellose Fälschungen erforderte, machte Putin zum Herrscher auf Lebenszeit. Unter dem Vorwand der Pandemiebekämpfung wurden schließlich Demonstrationen verboten und einer der Führer:innen der außerparlamentarischen Opposition, Alexej Nawalny, überlebte nur knapp einen Giftanschlag. Der Volksaufstand in Belarus im Sommer 2020 bestätigte die russische Elite in ihrer Überzeugung, der...
]]>Krieg ist patriarchal, jener in der Ukraine und die andernorts. Krieg funktioniert entlang klarer geschlechtlicher Rollenbilder und die mediale Berichterstattung tut ihr Bestes, alles fern des kämpfenden Mannes* und der flüchtenden FLINTA*-Personen unsichtbar zu machen. Und Das folgende »Kommuniqué No. 3« wurde nach anregenden Gesprächen unter Genoss*innen aus dem Rheinmetall-Entwaffnen-Bündnis verfasst.
Wenn wir von FLINTA*-Personen sprechen, sprechen wir von Frauen, Lesben, inter*-, nichtbinären*, trans* und agender* Personen.
Dieser Krieg ist kein Ort für Emanzipation und Befreiung. Längst überwunden geglaubte Ideologien betreten wieder die gesellschaftliche Bühne. In den Bildern, der Sprache und der Politik feiert die Militarisierung fröhliche Urständ. Dieser Krieg ist ein Ort des patriarchalen Rollbacks, insbesondere im kapitalistischen Gesellschaftssystem, in dem wir leben.
Die Fotoaufnahmen vom reitenden bzw. fischenden Putin mit nacktem Oberkörper dienen den Medien schon länger als willkommene Darstellung des russischen Staatschefs. Auch Selenskyj weiß als Schauspieler, wie er sich im olivgrünen Hemd bzw. mit schusssicherer Weste vor Kameras inszenieren kann. Bei allen Unterschieden dieser beiden: Hierbei geben sich die zwei Kriegsherren, der Angreifer und der Angegriffene, nichts. Sie spielen den männlichen Helden und werden gerne als solcher gesehen. Hinter den Bildern dieser beiden stellvertretenden Figuren verschwinden die Interessen und Ursachen der imperialistischen Kriege, über die wir hier schreiben.
Auch in ihrer Rhetorik gleichen sie sich. Putin und Selenskyj sprechen von »Tapferkeit« und »Heldentum«, von »hartem Kampf« und »ewigem Ruhm«. Mit ihrer kriegsverherrlichenden Sprache propagieren sie entgrenzte Gewalt und sowohl das Töten als auch das »Sterben fürs Vaterland«. Vor dem Hintergrund dieser fortschreitenden verbalen Eskalation können Friedensverhandlungen und Diplomatie – selbst auf dieser Ebene sind fast ausschließlich Männer beteiligt – nicht gelingen. Absurderweise setzen sich ausgerechnet Diktatoren und Kriegsherren wie Erdogan als Friedensvermittler in Szene, während dieser gleichzeitig die jesidische und kurdische Bevölkerung in Rojava und im Nordirak bombardiert. Denn imperialistische, militaristische Politik ist und bleibt patriarchal, egal ob sie von Frauen oder Männern gemacht wird. Eine neue Qualität und Quantität der Kriegsrhetorik kennen wir auch von bundesdeutschen Politiker*innen, hierzulande hat sich die Sprache ebenfalls innerhalb weniger Tage militarisiert.
Dieses Vokabular wird von Medien und Gesellschaft aufgegriffen. In den Kommentarspalten und in Sozialen Medien werden Selenskyj und Putin abwechselnd als »Freiheitsheld« gefeiert oder als »Schlappschwanz« beschimpft. Bestimmte Ideale von Männlichkeit werden damit extrem verstärkt und positiv besetzt. So wird das Soldaten- und Heldentum gesellschaftlich akzeptabler und patriarchale Strukturen gefestigt.
Aber es geht über die Bilder und die Sprache hinaus: Als Handelnde werden im Krieg meist Männer wahrgenommen. Frauen bekommen andere Rollen zugeschrieben; als Opfer von Gewalt, von Vergewaltigung und Vertreibung. LGBTQ*s sind nahezu unsichtbar. Wir erleben absolute Heteronormativität, die Zuweisung klassischer Frauenrollen und die selektive gesellschaftliche Beteiligung von Frauen nach patriarchalen Kriterien. Die Reproduktionsarbeit und Auswirkungen des Krieges haben auf allen Seiten vor allem Frauen zu tragen. Die Ukrainerinnen müssen die Kinder an sich nehmen und können bzw. sollen zum eigenen Schutz das Land verlassen. Die Männer bringen sie noch an die Grenze, um dann in den Krieg zu ziehen. Sie müssen...
]]>Waffenexporte heizen die Klimakrise weiter an und verhindern ein gutes Leben für alle. Genoss*innen aus Bremen erklären, warum Klimakrise und Rüstungsindustrie intersektional begriffen werden müssen und schlagen als kollektive Praxis die geplanten Aktionen der Kampagne »Rheinmetall Entwaffnen« zur diesjährigen documenta vor.
»Rheinmetall enteignen, Sozialökologischer Umbau jetzt« steht auf einem Banner. Aktivist*innen von Riseup4Rojava und der Klimagerechtigkeitsbewegung haben am 10. Januar ein Werk des Waffenproduzenten Rheinmetall in Wien blockiert. Ihrer Forderung müsste eigentlich nichts hinzugefügt werden. Nichts, aber auch gar nichts rechtfertigt die Produktion von Kriegswaffen: Rheinmetall verkauft Waffensysteme, ganze Waffenfabriken und weitere militärische Produkte an Kund*innen in 137 verschiedene Länder, unter anderem an Saudi-Arabien oder an die Türkei. Die Waffen von Rheinmetall töten somit in aller Welt und bieten für autokratische und ausbeuterische Regime die Grundlage um nach innen ihre blutigen Repressionen und nach außen ihre nicht weniger blutigen Großmachtbestreben ausleben zu können. Die Perspektive ist klar: Rheinmetall muss entwaffnet werden.
Das 1,5°C Pariser Klimaabkommen ist das »ambitionierteste« Abkommen, auf das sich die Nationalstaaten einigen konnten. Dass wir uns darauf nicht verlassen können, ist keine Neuigkeit und auch keinen weiteren Text wert. Aber es lohnt sich, das Abkommen nochmal genauer anzuschauen. Ein Treibhausgas-Emittent wird in diesem Abkommen und in dem Vorhaben »Netto-Null bis 2050« (mehr oder weniger bewusst) weggelassen: das Militär. Denn Staaten sind nicht dazu verpflichtet, die Treibhausgas-Emissionen ihrer Armeen aufgeschlüsselt offenzulegen. Überraschung: Sie tun es dementsprechend auch nicht, oder wenn dann nur in Bruchteilen. Die Studie »Under the Radar« zeigt deutlich, wie konservativ die Einschätzungen der Staaten sind. Dass die Kriegsindustrie und die Armeen weltweit aber einen großen Faktor bei den Treibhausgasen spielt zeigt sich bei einem Blick über den Atlantik. Das US-Militär stößt Schätzungen zufolge mehr Treibhausgase aus als Portugal oder Schweden.
Es gibt drei Gründe, warum Staaten die Emissionen des Militärs nicht angeben wollen: 1.) Die Staaten befürchten - verständlicherweise - ein Sicherheitsrisiko, wenn sie Informationen zu ihrem Militär preisgeben. 2.) Die Staaten kennen die Emissionen ihres Militärs gar nicht, weil diese sowieso nicht gemessen werden. 3.) Ohne das Militär mit einzurechnen, geht die Rechnung »Netto-Null bis 2050«, zumindest auf dem Papier, eher auf. (An dieser Stelle sei kurz angemerkt: Uns ist bewusst, dass das 1,5°C-Ziel und „Netto-Null“-Emissionen im jetzigen System wohl kaum erreichbar sind, und dass beide Konzepte inhärente Probleme haben. In der bestehenden staatlichen Logik sind diese Abkommen und kalkulierten Berechnungen von Emissionen aber durchaus entscheidend).
So oder so zeigt es ein weiteres Mal: Nationalstaaten – mit ihrem inhärenten Militarismus – sind in diesem System nicht in der Lage, die Klimakrise zu lösen.
Was bleibt übrig, wenn Staaten und das System nicht in der Lage sind, die Klimakrise zu bewältigen? Dass wir die Klimakrise als Systemfrage verstehen und beantworten müssen. Auch das ist nicht neu, zeigt aber eine weitere Verbindung zwischen Klimagerechtigkeit und Antimilitarismus auf.
Wenige Staaten und eine Handvoll Konzerne profitieren von der Rüstungsindustrie, die Kosten und Schäden werden wiederum im altbekannten Muster ausgelagert. Individuen haben darin keine...
]]>Angesichts der weltweiten Zunahme von Rüstungsgeschäften und kriegerischen Auseinandersetzungen ist der Aufbau einer neuen Friedens- und Antikriegsbewegung dringend notwendig – auch und besonders hierzulande. Ein vielversprechender Ansatz ist die Kampagne »Rheinmetall Entwaffnen«, die seit rund 2 Jahren Proteste und Blockaden gegen die deutsche Kriegsindustrie und Waffenexporte organisiert. Im Folgenden erklärt die AG Krieg und Frieden der IL Berlin, warum und mit welcher Stoßrichtung sie sich an der Kampagne beteiligt.
Rheinmetall Entwaffnen heißt für uns, deutsche Waffenexporte zu beenden und das Geschäft mit dem Tod abzuschaffen. Rheinmetall Entwaffnen heißt für uns, dass wir gegen imperialistische Kriege auf die Straße gehen. Unsere Wut gilt den Profiteuren des Elends hier und dort. Deshalb heißt Rheinmetall Entwaffnen für uns auch, die westliche Doppelmoral zu skandalisieren, die in Unternehmen wie Rheinmetall oder Heckler & Koch ein trauriges Beispiel findet, aber viel weitreichender ist:
Europa rüstet auf, liefert Waffen in Diktaturen und Staaten, die Menschenrechte mit den Füßen treten, betreibt eine Klimapolitik, die die Kämpfe um Ressourcen weltweit zuspitzt, und lässt Vertriebene und Geflüchtete an den Außengrenzen sterben. Es geht jedoch nicht nur um ein paar verrückt gewordene Diktatoren. Es geht um Zugang zu Rohstoffen, Absatzmärkten und billiger Arbeitskraft. Deshalb mischen neben den USA, der EU und Russland auch kleinere Staaten wie die Türkei in den Kriegsherden dieser Welt mit. Deshalb können wir nicht von Frieden reden, wenn wir nicht auch von Macht- und Herrschaftsverhältnissen in der Weltwirtschaft reden, die festschreiben, für wen die Menschenrechte gelten und für wen »das Gesetz des Dschungels«. (»Unter uns halten wir uns an Gesetze, aber wenn wir im Dschungel operieren, müssen wir auch die Gesetze des Dschungels anwenden«, schrieb 2003 Robert Cooper, Berater von Tony Blair.)
Deshalb beteiligen wir uns unter folgenden Prämissen bei Rheinmetall Entwaffnen.
Innerhalb der EU sind es vor allem Frankreich und die Bundesrepublik, die die EU-Militarisierung stetig vorantreiben. Militärische Einsätze, die von Logistiksupport, Geheimdienstinformationsaustausch bis hin zur Waffenstationierung reichen, werden legitimiert mit Abwehr von (islamistischem) Terrorismus, der Sicherung von Menschenrechten und der Stabilisierung der herrschenden Ordnung. Gerade in der BRD ist das Framing von Verantwortung für den Frieden zentral für die Legitimierung solcher Einsätze. Doch um welche Ordnung geht es hier? Als Aufgaben des deutschen Militärs nennt Bundesministerin Kramp-Karrenbauer in ihren »Gedanken zur Zukunft der Bundeswehr« auch ganz konkret den Schutz »unserer Wertepartnerschaften« sowie den Schutz »internationaler Handelswege und Versorgungsketten, von denen unser global erwirtschafteter Wohlstand und unser Sozialstaat abhängen.« Das ist ihre Logik: Der Wohlstand, der auf weltweiter Ausbeutung beruht, muss mit Panzern und Drohnen absichert werden. Und auch Erdogan und das saudische Königshaus gehören zu ihren »Wertepartnerschaften«, die es militärisch abzusichern gilt. Wir sagen: Eine herrschende Ordnung, die auf Auslandseinsätzen der Bundeswehr und Waffendeals mit Diktatoren beruht, ist eine Ordnung, die wir angreifen.
Kriege und bewaffnete Konflikte sind Fluchtursachen. Die Konzerne, die Waffen exportieren und damit die Kriege ermöglichen, liefern die Grenzmauern zur Abschottung von Flüchtenden gleich mit. Die Legitimation dieser Mauern ist Teil der rassistischen Erzählung...
]]>